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Flache Gläser höchster Qualtität Glashütte Lamberts ist bald Weltkulturerbe

Nur noch drei Firmen weltweit stellen mundgeblasenes Flachglas her. Eine davon ist die Firma Lamberts im oberpfälzischen Waldsassen, die nicht umsonst auf der Liste des immateriellen Kulturerbes für Bayern steht und bald Kultur-Welterbe werden soll.

Von: Heidi Wolf und Birgit Fürst

Stand: 04.03.2017 | Archiv

Glashütte Lamberts, Waldsassen | Bild: Glashuette Lamberts, Waldsassen

Am 1. November 2009 hat Hans Reiner Meindl die Glashütte in der nördlichsten Ecke der Oberpfalz übernommen. "Es war eine Mischung aus Midlife-Crisis und der Chance, einen Weltmarktführer zu leiten", begründet Meindl seine Entscheidung, die sein Leben und das seiner Familie auf den Kopf stellte. Er wurde vom gut bezahlten Angestellten auf einem Managerposten zum Unternehmer. Jeden Monat muss die Glashütte Lamberts die Löhne und Gehälter für 64 Mitarbeiter erwirtschaften - eine ständige Herausforderung.

"Ich sehe im Normalfall nicht mehr als vier Wochen voraus. Das haben wir in der Vergangenheit ganz gut hingekriegt, ab und zu mit Zwischenfinanzierungen von den Banken oder dass Kunden mit einem bestimmten Abschlag vorzeitig bezahlt haben. Aber es ist schwierig. Es ist nicht so, dass ich sagen kann: Okay, wir haben jetzt eine Million Auftragsbestand und damit sind wir jetzt für die nächsten vier Monate gesichert. Das ist leider nicht der Fall. Aber wir sind bisher ganz gut über die Runden gekommen."

Hans Reiner Meindl, Chef der Glashütte Lamberts in Waldsassen

Glaskunst wie im Mittelalter: Mundgeblasen bei Lamberts in Waldsassen

Mundgeblasenes Flachglas in 5.000 Farben und Tönen

Glasbläser stellt aus einem Glasposten einen riesigen Ballon her

Lamberts in Waldsassen bietet mundgeblasenes Flachglas in 5.000 Farben und Tönen an und liegt damit weltweit an der Spitze. Es gibt nur zwei Mitbewerber: Der polnische Konkurrent hat 50 Farben im Angebot, der französische 250 Farben. In Handarbeit entstehen bunte Glasscheiben, jedes Stück ein Unikat. Alleine die Herstellung ist faszinierend: Glasmacher blasen Glasposten zu sechs Kilogramm schweren Ballons auf, die nach dem Erkalten mit einem Stahlrad angeritzt werden. Entlang dieses Risses bricht dann der Zylinder. Das Glas wird im Streckofen erneut erwärmt, durch einen leichten Anstupser mit der Eisenstange auseinandergefaltet und auf dem Gusstisch glatt gewalzt.

Lamberts-Glas Impressionen

Lamberts hat das Patent für UV-Schutzglas

Scheiben aus mundgeblasenem Craquelé-Glas

Die Manufaktur in Waldsassen vereint Tradition und Innovation: Sie stellt Glas her wie es vor 300 oder 200 Jahren gemacht wurde: Butzenscheiben, Craquelé-Glas mit einer Struktur wie Krokodilleder, Überfanggläser, Fenstergläser, deren Farben sich bei Sonnenlicht am Boden widerspiegeln. Aus den mundgeblasenen Scheiben lässt sich inzwischen auch wärmedämmendes Isolierglas machen. Und für UV-Schutzglas hat Lamberts sogar das Patent. Kunden der Hütte sind Restauratoren, Glaser, Händler, Ateliers und Glasstudios, die für Künstler und Designer arbeiten.

Der Künstler Guy Kemper gestaltet riesige Fensterflächen aus Lamberts-Glas

Fensterfläche des Künstlers Guy Kemper auf dem Baltimore/Washington International Airport

Aus mundgeblasenem Lamberts-Glas entstehen wunderbare Kunstwerke wie zum Beispiel auf dem Internationalen Flughafen Baltimore Washington. Auf einer 30 mal acht Meter großen Fensterfläche im neuen Südwest-Terminal leuchten Farbbänder in Orange und Blau, die den Eindruck vermitteln, als würde ein riesiger Vogel seine Flügel bewegen - eine Arbeit des amerikanischen Künstlers Guy Kemper. Er hat auch das Werk "Rise - Auferstehung" in der St. Joseph´s Chapel am Ground Zero in New York geschaffen. Die Tafeln aus rotem Glas wirken wie lange Federn, die zum Himmel schweben. Für die modernen Gerhard Richter-Fenster im Kölner Dom hat die Glashütte in der Oberpfalz auch das Material geliefert.

Mundgeblasenes Antikglas eignet sich ideal für historische Gebäude, berichtet Hans Reiner Meindl. In diesem Zusammenhang ärgert er sich oft über die Ignoranz von Architekten, Denkmalpflegern und Beamten, die in Behörden für Ausschreibungen verantwortlich sind. Als negatives Beispiel nennt er das generalsanierte Finanzamt im mittelfränkischen Ansbach.

"Das Gebäude ist vom Grundsatz her wunderschön, ist irgendwo 17. Jahrhundert und in dem 17. Jahrhundert-Gebäude sind Gläser aus dem 20. Jahrhundert drin. Und insofern ist es natürlich eine fürchterliche kulturelle Untat, in ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert heute das moderne Glas einzubauen. Ich kann Isolierglas auch mit mundgeblasenem Glas machen und es sieht anders aus. Diese Industriegläser machen aus den Augen des Gebäudes, den Fenstern, machen die schwarze Löcher."

Hans Reiner Meindl

Die Glashütte Lamberts erfüllt auch einen Kulturauftrag

Lamberts-Glas ist einmalig - mit dieser Botschaft reist Hans Reiner Meindl um die ganze Welt, um Aufträge zu holen und den Fortbestand der Glashütte zu sichern, die auch einen Kulturauftrag erfüllt. Jahrhunderte altes Wissen wird hier Tag für Tag umgesetzt und weitergegeben. Hans Reiner Meindl hat seinen Schritt zum Unternehmer nie bereut:

"Für mich hat sich ein Kreis geschlossen. Ich verstehe die Mentalität der Leute. Das ist meine Heimat. Das ist meine Region. Und wenn dann alles andere noch fremd ist, die Aufgabe neu ist, die Technik neu ist, dann sollte man ein paar Punkte haben, wo dann quasi der feste Anker ist."

Hans Reiner Meindl


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