Fragen & Antworten Das Buch, das Urheberrecht und die Politik
Warum ist "Mein Kampf" ab dem 1. Januar 2016 nicht mehr verboten? Was hat der Freistaat damit zu tun? Und wie sieht die große Edition des Instituts für Zeitgeschichte aus?
Die Lektüre, das Aufstellen im heimischen Büchrregal, der Verkauf antiquarischer Exemplare aus der Zeit vor 1945: All das war bisher schon erlaubt. Verboten hingegen war der Nachdruck der Hetzschrift. Rechtsgrundlage war das Urheberrecht, das seit Kriegsende bei Freistaat Bayern liegt und - wie bei Druckwerken üblich - 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt.
Ursprünglich wurde Adolf Hitlers "Mein Kampf" vom Eher-Verlag in München herausgegeben. Dieser war seit 1920 im alleinigen Besitz des Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitervereins, dessen Vorstand wiederum Hitler war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Verlag durch die Alliierten im Jahr 1945 verboten, der Freistaat Bayern sollte ihn abwickeln, 1952 wurde er aus dem Handelsregister gestrichen. Seither liegen die Urheberrechte für das Machwerk beim Freistaat, verwaltet werden sie vom Finanzministerium.
Die Experten des bayerischen Justizministeriums halten vor allem einen unkommentierten Nachdruck und Vertrieb des Buches für strafbar. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei durch den antisemitischen Inhalt erfüllt, Hitler rufe in dem Pamphlet zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen auf. Ob dieser Straftatbestand auch - mit Blick auf die Grundrechte der Presse-, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit - für wissenschaftlich kommentierte Editionen gelte, "kann nur im Einzelfall und anhand des konkreten Textes beurteilt werden". Dies sei Aufgabe der Gerichte.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung des Geschichtsprofessors Christian Hartmann hat für das Münchner Institut für Zeitgeschichte seit 2009 eine sogenannte historisch-kritische Ausgabe erarbeitet. Der, historische Text wird mit Kommentaren, Anmerkungen und Einordnungen versehen. Ziel war es, in der kommentierten Fassung darzustellen, wie die Thesen von Hitlers Buch aus dem Jahr 1925 zur "blutigen Realität" werden konnten.
Anfangs unterstützte die bayerische Staatsregierung das Projekt des IfZ, Anfang 2014 stieg sie dann überraschend aus. Der Landtag hatte eine historisch-kritische Ausgabe im Auftrag der Staatsregierung wegen des Ende 2015 endenden Urheberrechts gefordert. Hintergrund für die Kehrtwende der Regierung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) waren den Angaben zufolge Gespräche mit Holocaust-Opfern sowie Vertretern jüdischer Organisationen und Vertretern des Staates Israel. Dennoch hielt der Freistaat den Zuschuss von 500.000 Euro aufrecht.
Eine Umfrage des Instituts "YouGov" vom November bringt darüber einigen Aufschluss. Ihr zufolge lehnt eine Mehrheit der Deutschen ein Veröffentlichungsverbot nach dem Auslaufen der Urheberrechte ab. 51 Prozent antworteten in der Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov, sie seien "ganz und gar" (22 Prozent) beziehungsweise "eher" (29 Prozent) gegen ein solches Verbot. Für ein Verbot votierten 32 Prozent.
40 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass das mögliche Wiederauftauchen des Buches im Handel dem Rechtsextremismus Auftrieb verleihen wird. Knapp die Hälfte (48 Prozent) geht nicht davon aus. 21 Prozent der Befragten gaben an, schon in dem Buch gelesen zu haben. Von denen, die den Inhalt der Hetzschrift nicht kennen, will fast ein Viertel (23 Prozent) zumindest Teile davon lesen.