Hohe Zuwanderungszahlen Herausforderung für die Schulen
Die steigende Flüchtlingszahlen bedeuten eine große Herausforderung für Schulen, Kindergärten und Kinderhorte. Noch liegen keine Angaben über Anzahl, Herkunftsländer und Sprachkenntnisse der zu betreuenden jungen Flüchtlinge vor.
Das Mercator-Institut für Sprachförderung und die Uni Köln haben eine Bestandsaufnahme und Empfehlungen über neu zugewanderte Kinder und Jugendliche im deutschen Schulsystem erarbeitet. Entscheidender Fakt dabei: "Den gestiegenen Zahlen stehen mangelnde Kapazitäten und Ressourcen an Schulen gegenüber."
Zahl steigt rasant
Die Zahl an zugezogenen ausländischen Kindern und Jugendlichen hat sich nach ersten Berechnungen des Bundesamtes für Statistik in den letzten neuen Jahren mehr als vervierfacht und beträgt jetzt ein Prozent im Verhältnis zur Gesamtaltersgruppe. Die Zahl bezieht sich auf eine Erhebung bis Ende 2014. Der Hauptteil der Asylsuchenden kam aus dem europäischen Raum. Stark gestiegen ist jedoch insgesamt die Gruppe der syrischen Flüchtlinge und damit auch der Anteil an 6- bis 18-Jährigen. Rund 12.700 in dieser Altersgruppe waren es 2014. In diesem Jahr stieg die Zahl in der ersten Jahreshälfte auf rund 33.200 in dieser Altersgruppe. Laut Studie sind gut zwei Drittel der Migrantenkinder zwischen 10 und 18 Jahre alt.
Zunahme von rund 100.000 Kindern und Jugendlichen
Laut Mercator-Studie sind 2014 knapp 100.000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter neu nach Deutschland zugewandert. Die Zahl bezieht sich nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auf alle 6- bis 18-jährigen Migranten. Nach dem Grundgesetzt, Artikel 3, sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich und damit muss den Flüchtlingen auch eine entsprechende Schulbildung zukommen.
"(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines
Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden."
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 3
Änderung bei Erhebung wichtig
Die Kultusministerkonferenz hat bei ihrer Tagung in Berlin angeregt, dass der Kerndatensatz an Schulen geändert werden müsse, denn bis jetzt werden weder die deutschsprachlichen Kenntnisse erhoben noch die Tatsache, ob die Kinder bereits einer Schule zugewiesen wurden. Bei der Erhebung der Marcantor-Studie wurden exemplarisch die Orte Köln und Bremen näher betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass in Köln keine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlingskinder und Jugendlichen auf alle Schulen vorgenommen wurde.
Unterschiede bei der Schulpflicht - Unterschiede im Unterricht
Schulorganisatorische Modelle
1. das submersive Modell:
Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gehen ab dem ersten Schultag in Regelklassen und nehmen an den allgemeinen Förderangeboten der Schule teil.
2. das integrative Modell:
Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche besuchen ab dem ersten Schultag eine Regelklasse und erhalten additive, also zusätzliche Sprachförderung.
3. das teilintegrative Modell:
Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche werden in einer speziell eingerichteten Klasse unterrichtet, nehmen jedoch in einigen Fächern am Regelunterricht teil.
4. das parallele Modell:
Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche verbringen über einen bestimmten Zeitraum die gesamte Unterrichtszeit in einer speziell eingerichteten Klasse, die parallel zu den regulären Klassen geführt wird.
5. das parallele Modell Schulabschluss:
Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gehen in eine parallel geführte Klasse. Sie bleiben bis zum Ende der Schulzeit im Klassenverband und bereiten sich gemeinsam auf den Schulabschluss vor.
In den einzelnen Bundesländern wird die Schulpflicht für Asylbewerber sehr unterschiedlich ausgelegt. Kinder und Jugendliche, die sich im laufenden Verfahren befinden und deren Aufenthalt zunächst nur gestattet ist oder die überhaupt keinen aufenthaltsrechtlichen Status vorweisen können, unterliegen nicht in allen Bundesländern der Schulpflicht. Die Zeitspanne zwischen Ankunft und Beginn der Schulpflicht kann aufgrund verlängerter Bearbeitungszeiten mehrere Wochen oder Monate betragen, in denen ein Kind von der expliziten Schulpflicht und somit in der Regel auch von schulischer Bildung ausgeschlossen ist. Aber auch in der Frage, wie die Schüler unterrichtet werden, unterscheidet sich das Vorgehen von Land zu Land. Insgesamt gibt es fünf sogenannte schulorganisatorische Maßnahmen.
In Bayern werden sowohl in der Primarstufe als auch in der Sekundarstufe I und II Deutschförderkurse, Deutschförderklassen und Übergangsklassen angeboten. Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) sieht die Länder beim Umgang mit Schülern aus Flüchtlingsfamilien grundsätzlich auf einer Linie.
"Die Übereinstimmung ist ganz eindeutig, dass es darum geht, die jungen Menschen möglichst schnell in Regelklassen einzuschulen. Es gibt die Grundlinie, möglichst rasch Sprachkompetenz herzustellen. Ob es bei dem einen Land drei Monate oder beim anderen fünf Monate sind bis zur Einschulung in eine Übergangs- oder Regelklasse, ist dann eher sekundär."
Ludwig Spaenle, bayerischer Kultusminister
Empfehlungen der Wissenschaftler
Die Studie gibt die Empfehlungen aus, dass alle Kinder, unabhängig von ihrem derzeitigen Asylverfahrens-Status, eine Schule besuchen. Die Schulen sollten zugleich Mindeststandards für eine Förderung festlegen. Zudem muss es Fortbildungsmaßnahmen geben, die Lehrer speziell auf die besondere Situation der Flüchtlingskinder schult. Auch eine einheitliche Erhebung, also ein einheitlicher Sprachtest, sollte definiert werden.
Gewerkschaft fordert mehr Personal
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert für die Bildung von Flüchtlingen Zehntausende zusätzliche Lehrer- und Erzieherstellen. "Alle Flüchtlinge und Asylsuchenden müssen von Anfang an Zugang zu Bildung bekommen", forderte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Vor allem müssten Kitas, Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen so ausgestattet werden, dass Flüchtlinge und Asylsuchende schnell die deutsche Sprache lernen könnten. Der Bund müsse den größten Teil der Kosten tragen. Die GEW rechnet in den nächsten zwölf Monaten bundesweit mit rund 300.000 zusätzlichen Schülern, die allein oder mit den Eltern geflüchtet sind. Rund 8.000 Lehrkräfte je 100.000 Schüler würden zusätzlich gebraucht, also 24.000, sagte Tepe. In den Kitas erwarte die GEW bis zu 100.000 geflüchtete Kinder - rund 14.000 Erzieherinnen und Erzieher müssten zusätzlich eingestellt werden.
Bundesländer brauchen 2,3 Milliarden Euro
Auf der Kultusministerkonferenz bezifferten die Bundesländer ihre Gesamtkosten für die Schulbildung von Flüchtlingskindern auf mindestens 2,3 Milliarden Euro im laufenden und vergangenen Jahr. Für rund 325.000 Schüler unter den Asylbewerbern würden über 20.000 Lehrer mehr benötigt, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Brunhild Kurth. Angesichts wachsender Flüchtlingszahlen seien dies aber nur "Momentaufnahmen".
"Wir fahren auf Sicht, wir steuern in den Ländern ständig nach. Daher muss trotz der Länder-Zuständigkeit im Schulbereich und des Bildungsföderalismus die Bundesregierung mehr Hilfe leisten."
Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Brunhild Kurth
Eine konkrete Summe habe Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei ihrem Auftritt in der KMK nicht genannt. Der stellvertretende KMK-Vorsitzende, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), erwähnte die Schulsozialarbeit und den Übergang von der Schule in den Beruf als Felder, in denen der Bund die Länder unterstützen könne. Dazu werde man dauerhaft das Gespräch mit Wanka suchen.