Treffen auf Schloss Meseberg Zwischen Frust, Dissens und diplomatischer Fiktion
Die Gäste reisen mit unterschiedlichsten Intentionen an: Bei beiden Themen, der europäischen Flüchtlingspolitik und dem Umgang mit der Türkei, liegen Österreich, Kroatien, Slowenien und Bulgarien teilweise deutlich auseinander.
Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern ist äußerst skeptisch, ob die EU Ankara angesichts der innenpolitischen Verhältnisse in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli noch weiterhin als Beitrittskandidaten betrachten sollte.
Kein Bittsteller gegenüber der Türkei
So wichtig das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei für die EU und Österreich sei - man sei gegenüber der Türkei kein Bittsteller, wie Bundeskanzler Christian Kern formuliert. Gemeint ist damit: Die Forderung Ankaras, die am Freitag der türkische Ministerpräsident Yildirim nochmals erneuert hat: Wonach der Flüchtlingspakt aufgekündigt werde, falls die Visafreiheit für türkische Staatsbürger von der EU nicht bis Ende Oktober beschlossen würde.
Österreichs Verteidigungsminister und Parteifreund von Bundeskanzler Kern, Hans Peter Doskozil, legte in der Kronenzeitung weitaus kräftiger nach: Man könne den türkischen Staatspräsidenten Erdogan angesichts der Entwicklungen der vergangenen Wochen nicht mehr ernst nehmen, sagte Doskozil gegenüber "Krone-TV".
"Ich glaube, man muss das akzeptieren, wie die Türkei sich hier verhält, wie sie sich aufstellt. Ich kann mir aber nicht vorstellen in diesem Zusammenhang, dass wir weiter diskutieren über Visaliberalisierung, dass wir weiter diskutieren überhaupt über Fragen des EU-Beitrittes. Ich glaube, dass man auch von europäischer Seite klare Grenzen aufzeigen muss."
Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
Massive Kritik an Merkels "Wir schaffen das schon"
Der österreichische Verteidigungsminister übte zudem massive Kritik an der unveränderten Haltung der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage. Das Motto "Wir schaffen das schon" sei unverantwortlich.
"Wir haben leider Gottes die Lehren aus dem letzten Jahr nicht gezogen. Wir haben vor wenigen Wochen gehört, dass die deutsche Bundeskanzlerin gesagt hat ‚Wir schaffen das immer noch‘, einerseits ist es irgendwo ein Faktor, dass die Menschen angezogen werden, dass sich die Menschen natürlich auf die Reise machen. Andererseits erwarte ich von Deutschland wieder restriktive Grenzkontrollen und es kann nicht sein, dass Österreich hier zur Wartezone wird und das werden wir sicherlich nicht hinnehmen."
Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
Entgegenkommen gegenüber der Türkei
Kroatien und Slowenien verzeichnen seit Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei einen ganz signifikanten Rückgang der Migrantenzahlen. Beide Regierungschefs haben die Befürchtung, dass ohne die Visafreiheit für die Türkei das Flüchtlingsabkommen platzen werde – und damit eine Wiederholung der Szenarien nahezu garantiert sei, die sich vor einem Jahr in der Region abgespielt haben. Bulgariens Regierungschef Borissow tritt für ein weitgehendes Entgegenkommen gegenüber der Türkei ein. Zu sehr ist das ärmste EU-Mitgliedsland auf eine enge Kooperation mit dem großen Nachbarn Türkei angewiesen. Bereits wenige Tage nach dem Putschversuch gegen Staatspräsident Erdogan bemühte sich Borissow um eine sehr gemäßigte Tonart gegenüber Ankara:
"Zum heutigen Zeitpunkt haben wir eine ausgewogene Politik, wir pflegen andauernd Kontakte zur Türkei auf verschiedenen Ebenen. So schaffen wir es, trotz ihrer anderen Probleme, eine relative Ruhe (an der Grenze) zu erhalten."
Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow
Bulgarien fühlt sich von der EU "praktisch im Stich gelassen", wie Ministerpräsident Borissow in einem FAZ-Interview wiederholte. Er wisse nicht, wie lange sein Land dem "Migrationsdruck an unserer Grenze standhalten könne."