37. Verhandlungstag, 23. September Schwere Vorwürfe zum Mordfall Tasköprü
Am 37. Verhandlungstag ist es zum ersten Mal um den Tod von Süleyman Tasköprü 2001 in Hamburg gegangen. Es war der dritte der insgesamt zehn Morde des NSU.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die Ermittlungsarbeit zu allen neun dem NSU zugeschriebenen Morden an Migranten, dass die Beamten nicht auf einen rechtsextremen Hintergrund kamen. So war das auch beim aus der Türkei stammenden Obst- und Gemüsehändler Tasköprü, der im Laden seines Vaters mit drei Schüssen getötet worden war. Was die Polizei in Betracht zog, war Folgendes: (Glücksspiel-)Schulden, Eifersucht, verletzte Ehre, Streit im Rotlichtmilieu, Racheakt der Drogenmafia, Schutzgelderpressung, Geldeintreiber der PKK.
Auch Vater wird als Zeuge gehört
Neben zwei Polizeibeamten und zwei Passanten war auch Ali Tasköprü, der Vater des Getöteten, geladen. Er hatte das Lebensmittelgeschäft der Familie kurz verlassen, um Oliven zu besorgen - als er zurückkehrte, lag sein Sohn in einer Blutlache auf dem Boden. Die Terroristen hatten ihm drei Mal in den Kopf geschossen. "Ich habe ihn auf meinen Schoß genommen", sagte der 67-Jährige Vater des NSU-Terroropfers. "Ich habe ihn so genommen und das Gesicht gestreichelt. Er wollte mir was sagen, aber er konnte nicht." Der Anklage zufolge erschossen die Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den 31-Jährigen.
Schwere Vorwürfe
Vor dem Verhandlungstag kritisierte Andreas Thiel, Anwalt der Opferfamilie, die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft scharf. Er warf nun den Ermittlungsbeamten vor, entscheidende Hinweise nicht verfolgt zu haben. So habe Ali Tasköprü unter anderem ausgesagt, am Tatort zwei deutsche Männer gesehen zu haben, deren Beschreibung aus heutiger Sicht auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zutreffen könnte. Das bestätigen Ermittlungsakten, die dem NDR vorliegen. "Diese Spur ist nie verfolgt worden", so Thiel. Außerdem hätten Kollegen aus Nürnberg die Hamburger Polizei bereits am Tattag darauf hingewiesen, dass dort zwei Morde mit derselben Waffe verübt worden waren - ebenfalls an türkischen Kleinunternehmern. "Da hätte man das rechte Lager ins Auge fassen müssen", so der Anwalt.
Wichtige Zeugin für 30. September geladen
Unterdessen reagierte das OLG rasch im Dortmunder Mordfall Mehmet Kubasik, nachdem Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach am 19. September beantragt hatte, eine möglicherweise sehr wichtige Zeugin zu laden. Die Frau sah angeblich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit Böhnhardt, Mundlos sowie einem stämmigen "Skinhead" auf einem Grundstück in Dortmund - in derselben Woche, in der Kubasik erschossen wurde. Die Zeugin soll schon am 30. September gehört werden, wie eine OLG-Sprecherin bestätigte. Die Aussage könnte von großer Bedeutung sein, da es bislang kaum Hinweise dafür gibt, dass Zschäpe bei den mutmaßlichen NSU-Anschlägen selbst in der Nähe der Tatorte war.