Tagebuch der Gerichtsreporter Irgendwo zwischen Ausweis, Bauarbeiten, Opfern
Unsere Reporter bringen jahrelange Erfahrung und Fachwissen mit in den Gerichtssaal des NSU-Prozesses. Warum es dennoch ein Kunststück ist, den Überblick zu behalten, erklärt Thies Marsen nach dem 20. Prozesstag.
09. Juli
Dienstag, 09. Juli 2013
Banküberfälle, Brandstiftung, Sprengstoffanschläge - und nicht zuletzt zehn Morde. Die Verbrechen des NSU sind so umfangreich, dass es schwer fällt den Überblick zu behalten. Dass das Oberlandesgericht bei seiner Verhandlungsführung dann auch noch ständig von einem Tatbestand zum nächsten und wieder zurückhüpft, macht es einem als Beobachter nicht gerade leichter, den Überblick zu behalten.
1. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
Heute zum Beispiel: Am Vormittag geht es um den Angeklagten Holger G., der den NSU maßgeblich unterstützt haben soll, indem er etwa seine Ausweispapiere zur Verfügung stellte und auch eine Waffe lieferte. Ausführlich wird dazu ein Staatsanwalt der Bundesanwaltschaft befragt, der Holger G. nach seiner Verhaftung verhörte.
2. Brandstiftung
Gleich nach der Mittagspause ist dann ein Handwerker im Zeugenstand, der Anfang November in der Zwickauer Frühlingsstraße Bauarbeiten ausführen musste - in jenem Haus, das Beate Zschäpe in die Luft gejagt haben soll, um Spuren zu verwischen.
3. Mord
Und am Nachmittag wird dann der mutmaßlich erste Mord des NSU erörtert - der Fall Enver Simsek – der Blumenhändler wurde am 9.9.2000 in Nürnberg in seinem Transporter mit acht Pistolenschüssen niedergestreckt.
Drei vollkommen verschiedene Tatkomplexe an einem Tag. Erst geht es um die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, dann um Brandstiftung, dann um Mord. Über mangelnde Abwechslung muss man sich als Gerichtsreporter beim NSU-Prozess immerhin nicht beklagen.
"Die Reihenfolge, in denen die Tatkomplexe behandelt und die Zeugen geladen werden, ist für Außenstehende ein Mysterium - und für manche Innenstehende auch."
Ein Nebenklagevertreter - nur halb im Spaß