Tagebuch der Gerichtsreporter 54. Verhandlungstag
Auch am 54. Verhandlungstag wurde deutlich: Der NSU-Prozess ist in einer wichtigen Phase. Das Gericht will das Umfeld der Terrorzelle ausleuchten und setzte unter anderem die Vernehmung der "Szene-Zeugen" fort. Geladen: eine Friseurin aus Hannover.
12. November
Dienstag, 12. November 2013
Die 33-Jährige gehörte zum Umfeld des Angeklagten Holger G. Ihm verkaufte die Frau für 300 Euro ihre Krankenkassenkarte. Das räumte die Frau allerdings nun nur zögernd und auf Nachfrage ein. Was Holger G. eigentlich mit der Karte wollte? Darüber machte sich die Zeugin angeblich damals und auch später keine Gedanken. Die Karte wurde - da sind sich die Ermittler sicher - von Beate Zschäpe genutzt.
"Ich will von Ihnen die Wahrheit hören"
In der ausgebrannten letzten Wohnung des NSU wurde auch ein Büchereiausweis gefunden - ausgestellt auf den Mädchennamen der Zeugin und versehen mit einem Foto von Beate Zschäpe. Unglaubwürdige Angaben, Widersprüche und nicht nachvollziehbare Erinnerungslücken prägten die Vernehmung der Zeugin. "Ich will von Ihnen die Wahrheit hören", mahnte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Vergeblich.
Ärger über Erinnerungslücken
Der Opferanwalt Bernd Behnke wünscht sich eine härtere Gangart des Gerichts im Umgang mit den unter Erinnerungslücken leidenden Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten. Behnke warf dem Vorsitzenden Richter vor, zu nachsichtig mit diesen Zeugen zu sein. Manfred Götzl verbat sich diesen Vorwurf, den ich als Prozessbeobachter in diesem Umfang auch nicht nachvollziehen kann.
Folge der zähen Vernehmung der Zeugin aus Hannover ist jedenfalls, dass die Aussage der Mutter des Neonazis und mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt verschoben werden musste. Brigitte Böhnhardt, die nach eigenen Angaben jahrelang Kontakt zu ihrem untergetauchten Sohn hielt, soll nun in einer Woche aussagen.