NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 73. Verhandlungstag, 14.1.2014

Am 73. Verhandlungstag berichtet der Kriminalbeamte Bernhard V. von der Kleidung und den Gegenständen, die Beate Zschäpe bei ihrer Festnahme bei sich trug. Zu den Habseligkeiten von Beate Zschäpe gehören unter anderem eine Iboprofen-Packung, Pfefferspray und Zugtickets.

Von: Holger Schmidt, Paul-Elmar Jöris

Stand: 14.01.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Danach wird die Zeugin Sandy N. vernommen, die mutmaßlich eine Prepaid-Karte für Zschäpe angemeldet hat. Der Sachverständige Dr. Erwin K. gibt Auskunft über die Obduktion des Hamburger Mordopfers Süleyman Tasköprü..

Zeugen:

  • Bernhard V., Kriminaloberkommissar (Brand Frühlingstraße und Kleidung Zschäpe)
  • Sandy N. (Umfeld Angeklagte; Nutzung SIM-Card)
  • Dr. Erwin K., Sachverständiger (Obduktion Tasköprü)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Holger Schmidt, SWR)
Zschäpe: schwarzer Pulli, weißes Halstuch mit schwarzem Muster
Zeuge: Bernhard V., 45, Kriminalpolizei Zwickau. Es geht um die Sicherstellung der Kleidung von Zschäpe.
V: Am 08.11.2011 ist Frau Zschäpe in der Kriminalinspektion Jena festgenommen worden, ich hatte den Auftrag nach Jena zu fahren für die Erkennungsdienstliche Behandlung und die Überführung (von Zschäpe) nach Zwickau. Ich habe die Aufgabe übernommen, Bekleidung und Gegenstände zu fotografieren und die Bekleidung zu verpacken. In einem Laborraum der Polizei Jena habe ich dann Fotografien gemacht und die Sachen gasdicht verpackt. Habe die Kleidungsstücke einzeln entnommen und dann in Brandasservatenbeuteln verpackt. Auch eine Geldbörse mit Münzgeld war dabei. Von der Handtasche habe ich in Jena lediglich Übersichtsaufnahmen gemacht und die Einzelaufnahmen in Zwickau. Die gasdichten Asservate habe ich am selben Tag noch an den Kollegen L. (den Brandexperten) weitergeleitet, die anderen Sachen an den Sachbearbeiter.
G: Persönlichen Kontakt mit Zschäpe?
V: Nein, nur mal kurz gesehen.
G: Mit ihr gesprochen?
V: Nein.
G: wie hat sie sich verhalten?
V: Kann ich nichts zu sagen.
Es folgen nun schwarz-weiße Lichtbilder der Asservate.
V: Braune Jacke, Fleecepullover "Madonna", Pullover "Bonita", Halbschuhe, schwarze Hose, schwarze Socke "da ist mir aufgefallen, die hat sehr unangenehm gerochen. Kann man auf dem Bild nicht sehen. So, als ob man sie länger trägt.“ (er meint hier eine von zwei Socken) Schwarzer Slip, BH "halt".
Geldbörse mit Münzgeld, Handtasche mit Inhalt, Fossil Armbanduhr.
Ibuprofen 600 Packung (Hinweis von mir: 600er Ibuprofen ist rezeptpflichtig!); Tampons (Beipackzettel "Jessa Tampons"); Befüllte Zigarettenschachtel Power Gold; Vier Feuerzeuge; "Pure & Basic" Deospray; 3 Haargummis; Pfefferspray; Gebrauchtes Papiertaschentuch "habe ich mal aufgemacht, man sieht, da war was drin!"; Taschentuchpackungen "TaTü" und "Solo Talent"; Telefonkarte; Visitenkarte Rechtsanwalt Gerald L.; Kalender 2011 "Tui / Ulmann-Reisen" in Scheckkartengröße; Servicepass "Fahrrad-Max" auf Susann E.; Fahrkarte "Schönes Wochenende-Ticket" mit Susann E. unterschrieben, gültig ab 06.11.11; Fahrplanauskunft Dresden - Chemnitz vom 08.11.11 (evtl. 02:12 Uhr); Brille;

Heer: Haben Sie bei der Uhr Datum und Uhrzeit überprüft?
V: Nein.
Heer: Mir geht es um das Datum.
V: Weiß ich nicht mehr.
Heer: Können Sie sagen, warum einzelne Asservate in Müllsäcken, andere in Spurentüten verpackt wurden?

V: Ich habe das so übernommen. Warum das so ist, kann ich nicht sagen.
Heer: Ist bei einem Müllsack eine gasdichte Verpackung gewährleistet?

V: Nein, deswegen habe ich umgepackt.

Ende  der Befragung 10.40 Uhr

Zeugin: Sandy N., "24 äh 25", Massagedame (?) aus Zwickau
N: Ich wusste erst gar nicht, worum es geht, ich war drogenabhängig früher und wir wollten Geld machen, da hat mich eine Frau angesprochen, dass sie für ihre Nichte ein Handy kaufen wolle, zum Geburtstag, dass sie aber ihren Ausweis vergessen habe, ob ich das machen kann. Sie hat mir 30 oder 40 Euro gegeben, ich habe mir nichts dabei gedacht, weil es ein Prepaid Handy war.
G: Wann?
N: 2006 oder 2008, haben die mir gesagt.
G: Mit wem in der Stadt?
N: Mit meinem Freund.
G: Wo?
N: Der D1-Laden in der Straße, schräg gegenüber vom "New Yorker".
G: Wo angesprochen?
N: Vor dem "New Yorker". Sie hatte einen Beutel mit Geschenken dabei, war glaubwürdig.
G: Bedenken?
N: Nee, war ja eine Prepaidkarte. Damals war mir nicht klar, was da passieren kann.
G: Frau beschreiben?
N: Bisschen größer wie ich, schlank, Dutt, Brille. Die haben mir auch Fotos gezeigt, bin mir ziemlich sicher, dass sie das nicht ist.

G: Zschäpe?
N: Ja. (sie glaubt also, dass es nicht Zschäpe war)

G hält Vertrag über das Handy vor: Vielleicht war es doch 2010?
N: verwirrt: Kann nicht sein.
G: Kann dann doch sein.
Rechtsanwalt Heer (Verteidigung Zschäpe): Wie ist Vernehmung durch Polizei abgelaufen?
N: Haben geklingelt, dachte, es geht um meinen Verlobten, der kurz zuvor erstochen worden war. Haben gesagt, es geht um Handy, haben mich mitgenommen. Haben mir Bilder von den Toten Männern gezeigt und gefragt, wie die Prepaidkarte zu denen kam. Haben mir auch Bilder von Frauen gezeigt. Meine Mutter war dabei.
Heer: haben die Beamten abwechselnd mit ihnen gesprochen?
N: Ja, die waren nett. Sind nicht mit mir umgegangen, wie mit einer Verdächtigen.
Heer: Drogenabhängig?
N: Heroin und Methadonprogramm.
11.57 Uhr Mittagspause

(Paul-Elmar Jöris, WDR)
Fortsetzung: 13.07 Uhr
Zeuge: Sachverständiger Dr. Erwin K. (Obduktion Tasköprü) 72 Jahre alt, Rechtsmediziner aus Hamburg.
K: Am 27.06.01 wurde die Obduktion durchgeführt. Polizei teilte mit, dass Herr Tasköprü gegen 11.15 Uhr vom Vater aufgefunden worden war. Nach einer 30-minütigen Reanimation wurde Tod um 12.15 Uhr festgestellt. In der Wohnung wurden zwei Hülsen vom Kaliber 6,35 mm gefunden. Es gab keine Kampfspuren. Um 16.00 Uhr wurde mit der Sektion des Leichnams begonnen.

(Holger Schmidt, SWR)
K: Opfer völlig organgesund, 3 Steckschussverletzungen im Kopf., 7.65er Vollmantelgeschoss bei unvollständigem Gesichtsdurchschuss gefunden. Durch die Verletzung kam es zu Blutverlust aus Mund und Nase und nach innen. Zweite Verletzung war ein Hinterhauptsteckschuss. Projektil gefunden. Dritte Verletzung war ebenfalls ein Hinterhauptsteckschuss, aufgesetzt. Hoher Blutverlust. Keine Hinweise auf einen chronischen Drogenkonsum (war Frage der Kripo).

Todesursache: Hirnlähmung nach den Schüssen.

Ende Vernehmung 13.32 Uhr

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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