NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 76. Verhandlungstag, 21.01.2014

Zu Beginn dieses Prozesstages hat André E.s Frau Susann E. einen sehr kurzen Auftritt: Sie war zwar als Zeugin geladen worden, macht aber von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und äußert sich nicht. Im Anschluss wird der Zeuge Ahmed Abu-T. angehört.

Von: Eckhart Querner u. Tim Aßmann

Stand: 21.01.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Der Zeuge leistete in Kassel nach dem Mord an Halit Yozgat Erste Hilfe. Er sagt, er habe einen "deutsch aussehenden" Mann mit Plastiktüte beobachtet, der als Täter in Frage kommt. Danach rückt der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn in den Fokus: Ein ehemaliger Kripobeamter schildert seine Ermittlungen in diesem Mordfall. Anschießend berichtet ein Zeuge, der zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts arbeitete, über seine Beobachtungen, insbesondere über zwei auffällige Radfahrer. Zum Schluss sagt der Zeuge aus, der den Mord als Erster entdeckte und der Polizei meldete.

Zeugen:

  • Susann E., Frau von André E. (Umfeld Angeklagte)
  • Ahmed Abu-T. (Fall Yozgat, Kassel)
  • Albert Gm., ehem. Kripo Heilbronn (Tatkomplex Kiesewetter)
  • Wolfgang H. (Tatkomplex Kiesewetter, Heilbronn - Fluchtweg)
  • Peter S., Erstmelder (Tatkomplex Kiesewetter, Heilbronn)
  • Davinder S. (Tatkomplex Kiesewetter, Heilbronn)
  • Pargat Si. (Tatkomplex Kiesewetter, Heilbronn)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
Beginn 10.46 Uhr
Götzl stellt Präsenz fest. Zeugin E. kommt in Jeans mit dunklem Oberteil. Haare lang, Farbton: Aubergine.
Susann E., 32 Jahre alt, Hausfrau aus Zwickau. Ehefrau des Angeklagten André E.
Götzl belehrt über Zeugnisverweigerungsrecht
E: Ich werde keine Angaben dazu machen.
Götzl: Vernehmung vom 1.2.12 darf eingeführt werden?
E: Nein
Zeugin geht unvereidigt. Ihr Ehemann grinst breit.

Es kommt der Zeuge Ahmed Abu-T. (Fall Yozgat, er war schon dreimal geladen ohne zu kommen und erscheint nun nach Androhung einer Vorführung). Stämmiger Mann, im grauen Kapuzenpulli, kurze schwarze Haare, 23 Jahre alt, gerade arbeitssuchend.
A: Muss ich das alles nochmal sagen?
G: Ja
A: War damals 15, 16 Jahre alt, saß damals hinten im Raum (im Internetcafe), hab gesurft, irgendwas runter fallen gehört, nach zwei, drei Minuten kam der Vater: "Mein Sohn ist tot", bin dann hin, hab versucht Erste-Hilfe-Maßnahmen zu machen, Kopf angefasst, Blut.
G: Wen angetroffen als Sie kamen?
A: Glaube jemanden gesehen mit ner Tüte, aber mehr kann ich dazu nicht erinnern.
A: Ich war auf der rechten Seite und da war noch ein kleiner Türke. Der saß ganz hinten.
G: Noch mehr Personen im Cafe?
A: Ich kann mich jetzt nicht direkt erinnern.
G: Öfter da?
A: Ja. War guter Freund (er meint das Mordopfer Halit Yozgat)
G: War er zugegen als Sie kamen?
A: Ja.

(Eckhart Querner, BR)
Was haben Sie gemacht?
A: Ich hab im Internet gesurft.
G: Wie lange waren Sie dort, als Sie Geräusch hörten?
A: Stumpfes Geräusch, wie wenn jemand was auf den Boden fallen lässt. Türke hat mich angesehen, das wars schon.
G: War im vorderen Bereich jemand?
A: Da hab ich niemanden gesehen.
G: Sie haben gesagt, Sie hätten jemand mit einer Tüte gesehen?
A: Mit einer Plastiktüte, hab ich in Vernehmung schon gesagt.
G: Können Sie das etwas einordnen?
A: Nein. Wenn, dann war es am Anfang, nicht später.
G: Erinnerung an Größe, Aussehen der Person?
A: Tut mir leid. Ist schon ein bisschen her. Hab das die ganze Zeit verdrängt. Ich glaube, er saß auch bei mir in der Nähe.
G: Plastiktüte?
A: Aldi, Lidl, sowas.
G: Sie sagen, Vater des Getöteten sei zu Ihnen gekommen?

(Tim Aßmann, BR)
A: Als Vater kam hab ich gesagt: "Wie, der ist tot?" Bin dann hin und hab gedacht, der ist mit dem Kopf auf irgendwas gestoßen. Hab erstmal nix gesehen mit Blut oder so. Hab mich runter gekniet, ihn nach links geschoben, wollte den Kopf zur Seite schieben. Dann war meine Hand warm und voller Blut. Er lag hinter dem Schreibtisch. Seitlich.
G: War ein guter Freund von Ihnen. Können Sie ihn beschreiben?
A: War ein sehr freundlicher, sehr guter Mensch, hatte für alle ein offenes Ohr, manche sind auch zu ihm gegangen und haben ihm ihre Probleme geschildert. Ich war fast jeden Tag da.

(Eckhart Querner, BR)
G: Wie hat Internet-Café ausgesehen, wenn man reinging?
A: Vorne war die Kasse, hinten die Computerräume.
G: Gab's weitere Bereiche?
A: Ein weiterer Raum, ich glaub das war die Küche.
G: Telefonkabinen?
A: Ja, vorne am Eingang, bei der Kasse.
G: Bitte mal nach vorne komme, Skizze ansehen!
A: Ich war PC 7 (hinterer Teil des Raumes), Türke ganz hinten, diagonal gegenüber. Weitere Frau, mit Kinderwagen, hat telefoniert.

(Tim Aßmann, BR)
A: Ich hab Mann mit Tüte gesehen, aber ich weiß nicht, ob er bei mir mit am PC saß oder draußen war (gemeint ist vorderer Raum des Internetcafes)
Götzl hält vor: "Gegen 16.30 Uhr ins Cafe gegangen."
A: Ist alles lange her. Hab vorher einen geraucht sag ich mal... Was ich Ihnen gerade gesagt habe, ist jedenfalls die Wahrheit.

(Eckhart Querner, BR)
G: zitiert aus zweiter Vernehmung: "Türke saß schon da, als ich reinkam. Fünf Minuten, nachdem ich reinkam, kam ein Deutscher rein, groß, breit, weiß." Genauer beschreiben!
A: Sah halt aus wie ein Deutscher.

(Tim Aßmann, BR)
A (zu Mann mit Tüte): Weiß, groß, wie nen Deutscher halt.
Götzl hält vor: "ca. 35 Jahre alt, groß und breit, kurzgeschorene Haare, eher fett" - Kommt da ne Erinnerung?
A: Nein
G: Brille?
A: Weiß ich nicht
G hält vor: "Brille. Keine Sonnenbrille aber Lesebrille"
A: OK
G: Waren Sie durch das Rauchen (Kiffen) irgendwie beeinträchtigt?
A: War halt berauscht. Gell. Ich war breit halt. Hab einen Joint geraucht.
G: Ich war nicht dabei. (lacht)
Muss wissen, wie es Ihnen da ging.
A: Ich war breit.
Götzl hält vor zu Mann mit Tüte: "grüne Jacke, drunter hellgelbes Hemd"
A: Keine Ahnung
Götzl: Lidl-Tüte?
A: Ja. Aldi, Lidl-Tüte oder sowas
G: Haben Sie irgendwelche Ausbeulungen oder sowas wahr genommen, was auf den Inhalt hätte schließen können?
A: Ich kann mich nicht mehr erinnern.
G. hält vor: "Glaube, die war schon schwer, die hat nach unten gezogen."
A: Wenn ich das damals gesagt habe, dann ist es auf jeden Fall wahr.
G hält vor: "Mann mit Tüte auf PC-Platz 2"?
A: Weiß ich nicht mehr
G: Was hat der Mann gemacht?
A: Nichts
G. hält vor: "Der Mann hat nicht mal zwei Minuten da gesessen."
A: Wenn ich das so gesagt habe, dann auf jeden Fall
G. hält vor: "Der Typ ist aufgestanden und nach vorne gegangen. Habe mich noch gewundert, wieso der so schnell aufgestanden ist. Habe dann gespielt, dann etwas runter fallen gehört."

(Eckhart Querner, BR)
Zeuge zu seiner posttraumatischen Belastung:
Es war schlimm, ich war noch klein. Ich hatte noch nie einen Mord gesehen, Leichen vorher schon. Ich hab eine Zeit lang nichts gegessen, mein Vater hat mich für zwei bis drei Wochen in die Kinderpsychiatrie gebracht.Keine Medikamente. Nichts gemacht, bis ich wieder gegessen habe. Meinen Vater angebetet, dass er mich rausholt. Noch ein Jahr schlecht geträumt.
Gö: zitiert aus erster Vernehmung: "Der kleine Türke und ich haben danach weiter im Internet gesurft. Weitere 10 Minuten später kam ein Araber ins Café, er sagte: 'Wo ist Chef, will bezahlen'. Als Polizei und Krankenwagen da waren, hat mir der Araber erzählt, er sei ins Internet-Café gegangen, um zu telefonieren."

(Tim Aßmann, BR)
Rechtsanwältin Dierbach (Nebenklage Yozgat): Wie groß war der Platz zwischen Halit und Tresen?
A: Einen halber Meter vielleicht
Dierbach fragt nach Türgeräusch im Internetcafe. Zeuge erinnert sich an ein Geräusch, weiß aber nicht mehr an welches. Er weiß auch nicht mehr, wie oft sich die Tür geöffnet hat oder zuging als er dort war und er weiß auch nicht mehr, ob er das Geräusch hörte, kurz nachdem der Deutsche (Mann mit Tüte) den hinteren Raum verlassen hatte.

(Eckhart Querner, BR)
Nebenklage-Anwältin Dierbach: Wie groß war der Abstand zwischen Wand und Tresen?
A: Ein Meter.
D: Wie weit Abstand Tresen - Tür?
A: Sieben, acht Schritte.
D: Meinen Sie, Halit lag auf der Seite, oder unter dem Schreibtisch?
A: Unter dem Schreibtisch, leicht seitlich.
D: Haben Sie Halit bewegt?
A: Ja, hab versucht, ihn gerade zu machen. Ich denk, ich hab ihn auch ein bisschen bewegt.
D: Dieser Mann mit der Tüte: Sie erinnern sich heute nicht mehr genau an ihn: Versuchen Sie, sich ihn in Erinnerung zu rufen. Warum stand er auf?
A: Weiß ich nicht.
D: Hat Deutscher auf die Uhr geschaut, hat Telefon geklingelt?
A: Erinner mich an gar nichts.
D: Hat Mann in vorderem Raum irgendetwas gerufen?
A: Weiß ich nicht.
D: Hat Tür vom Laden eine Glocke gehabt?
A: Ich erinner mich, glaub ich, dass da irgendwelche Geräusche waren.
D: Konkreter?
A: Ich weiß es nicht. Man hat in jedem Fall gemerkt, wenn einer reinkam. Ich schwanke zwischen Glocke und anderem Türgeräusch.
D: Wie oft ging Tür auf oder zu, als Sie da saßen?
A: Weiß ich nicht.
D: Wie oft, als Deutscher hinteren Teil des Raumes verließ?
A: Da achtet man nicht drauf.

(Tim Aßmann, BR)
Rechtsanwältin Pinar (Nebenklage Tasköprü): Waren Sie nochmal mit Polizei zu Rekonstruktion in Cafe?
A: Ja
Pinar: Können Sie sich erinnern, welche Personen Sie damals welchen Plätzen zugeordnet haben?
A: Nein
Pinar hält vor, wo Mann mit Tüte gewesen ist
A: Was ich damals gesagt: Das war so!
Pinar: Sie haben damals gesagt Ihr Wahrnehmungsvermögen sei breit besser als nüchtern.

(Eckhart Querner, BR)
A: Kann sein. Erinner mich auch an Frau mit Kinderwagen.
P: Zeugin mit Kinderwagen berichtet von drei Geräuschen: tacktacktack. Sie erinnern sich nur an ein Geräusch?
A: Ja.

Zeuge wenig später unvereidigt entlassen.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.27 Uhr mit dem Zeugen Albert Gm., ehemals Kripo Heilbronn, jetzt in Rente.

(Eckhart Querner, BR)
Gm: Erster Kriminalhauptkommissar, Heilbronn, 61 Jahre alt
2007: Koordinierung von Polizeieinsätzen der Bereitschaftspolizei, Suche von Zeugen aus Umgebung

(Tim Aßmann, BR)
Gm: Erste Zeugen der Bereitschaftspolizei vor Ort festgestellt und erste Befragungen dieser Zeugen vor Ort in erster Phase. Nur informell.
G: Wie kam es zum Einsatz Kiesewetter und Martin A.?
Gm: Ging um Bekämpfung von Straßenkriminalität. Konzept "Sichere City". Deshalb Bereitschaftspolizei angefordert. War kein fester Einsatz an dem Tag. Wie Einteilung gemacht wurde, ob die einzelnen Streifen völlig frei gestalten konnten, kann ich im Moment nicht mehr sagen. Außer der Streife A./Kiesewetter hat keine andere Streife die Theresienwiese angefahren. Die Streife scheint die Theresienwiese direkt angefahren zu haben, ohne Anweisung dorthin zu fahren.
Rechtsanwältin Wolf (Nebenklage Kiesewetter): Kam Auftrag, wer wohin fährt, von H. und E.? (den Truppführern von Kiesewetters Polizeieinheit)
Gm: An dem Tag gab es wohl eher keine feste Einteilung. Das ist eine Vermutung von mir. Was die Einheit da im Detail gemacht hat, kann ich so nicht sagen.

(Eckhart Querner, BR)
Was waren Ihre Informationsquellen?
Gm: Die Kollegen der Schutzpolizei, vom Revier. Zu späterer Stunde habe ich mit Kollegen der Bereitschaftspolizei gesprochen (Truppführer). Habe veranlasst, dass die formell vernommen wurden. Keine andere Streife hat die Theresienwiese angefahren, nur Kiesewetter/A.
G: Einsatzbeginn?
Gm: 9:30 Uhr, dann unterwegs gewesen, dann zur Besprechung zurück ins Revier (12:30 Uhr), Ende 13:30 Uhr: Streife wieder rausgefahren, ohne festen Auftrag. Streife K./A. hat direkt die Theresienwiese angefahren, ohne angewiesen worden zu sein. Von den anderen war dort niemand.
Ende Befragung 13:38 Uhr

Pause


(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.51 Uhr mit dem Zeugen Wolfgang H., 67 Jahre alt, "momentan" pensioniert.
H: Nach 13 Uhr Stellwerk verlassen, sind am Gleis entlang am Tatort vorbei gelaufen, ungefähr 50 Meter weg, haben am Kabelverteiler am Ende der Brücke gearbeitet. Am Fahrradweg waren zwei Radfahrer, junge Männer. Volle Fahrradmontur, sogar Helm auf, haben sich angeregt unterhalten. Mehr weiß ich eigentlich nicht. Sind später zurück gelaufen und auf Höhe des Tatorts hats nen lauten Schlag gelassen. Waren Schüsse, zwei bestimmt. Dachten aber zunächst an geplatzte Reifen. Sind ins Stellwerk, später raus und haben dann gesehen, dass die Theresienwiese abgesperrt war.
H: Radfahrer um halb zwei gesehen und Schüsse waren so ne halbe Stunde später um zwei.
G: Örtlichkeit beschreiben.
H: Von dem Punkt kann man den Tatort gut einsehen. Man sieht, ob jemand kommt, geht oder jemand da ist. 50 Meter von dem Punkt ist ein großer Parkplatz, wo man ohne Probleme ein Wohnmobil abstellen und dann schnell abhauen könnte.
G: Radfahrer beschreiben
H: Ich könnt nicht sagen, dass die Personen das waren. Polizei hat mir Fahndungsbilder gezeigt, aber darauf hab ich eigentlich nix….Haben ja auch Helm aufgehabt, gell.
G: Größe der Radfahrer?
H: So 1 Meter 80 werden sie schon gewesen sein. Waren schlank.
H: Von den Fahndungsbildern her könnten sie es gewesen sein, aber 100 Prozent könnt ich des nicht sagen.
H: Ist so gewesen wie ein einziger Knall (zu Schüssen)
H: Wir sind ja fast auf der Unterführung gewesen, wo die Autos durchfahren und rechts ist der Tatort gewesen, also die Richtung hat schon so ungefähr gestimmt, gell.
G. zeigt ihm jetzt Lichtbilder von den Gleisen und dem Kabelverteiler und fragt, ob es mal Begehung mit Polizei gab.
H: Nein
H: Radfahrer unterhielten sich so, als wenn sie Streit miteinander hätten.
G: hält vor: "Blauer und gelber Dress"
H: Kann sein, nicht so genau angeschaut
G. hält vor: "Sicher 180 cm"
H: Ja, das war so
G. hält vor: "Personen, die immer im Fernsehen gezeigt werden, erkenn ich nicht."
H: Ja, das ist auch so
G: Wen meinen Sie?
H: Aus dem Fernsehen. Wie heißt er? Mundhaupt oder so?
Wolf: Radfahrer angeregt unterhalten. Konnten Sie Dialekt feststellen?
H: Nein, waren gut 25 Meter weg
Wolf: Hatten die was dabei?
H (ächzt): Könnten vielleicht auf dem Rücken einen Rucksack gehabt haben. Kann ich beim besten Willen nicht sagen. Auch keine Satteltasche gesehen.
Wolf: Im Stellwerk oder am Stellwerk gearbeitet?
H: Sind zur Arbeit raus gelaufen, nach der Arbeit wieder rein. Zum Tatort Luftlinie 50 Meter.
Wolf: Wer dort noch gearbeitet.
H: Vier Fahrleiter sind immer oben im Stellwerk
Wolf: Fenster dort groß oder klein?
H: Ganze Front aus Glas. Hätten es sehen können, wenn sie rausgeschaut hätten. Den ganzen Tatort kann man da einsehen.
Rechtsanwalt Kolloge: Den Plan bitte mal dem Zeugen vorlegen
H. soll nun auf dem Plan zeigen, wo Radfahrer standen und wo er war.
H: Ich kann darauf nicht erkennen, wo das Stellwerk war
Kolloge: Wo Ihr Finger ist
Er zeigt jetzt die Stellen. Der Punkt mit den Radlern war demnach auf der anderen Neckarseite - am Rande der Brücke mit freier Sicht über den Fluss hinweg auf den Tatort.
Rechtsanwältin Sturm (Verteidigung Zschäpe): Haben Sie ein Wohnmobil beobachtet?
H: Nein, hab ich nicht
Sturm: Wie war der Parkplatz gefüllt?
H: Den kann man von unserem Arbeitsplatz nicht einsehen.
Zeuge unvereidigt entlassen

14.22 Uhr
Nun kommt der Zeuge Davinder S. Der braucht aber einen indischen Dolmetscher, der Panjab kann.
Götzl: Gut. Schauen wir mal
20 Minuten Pause

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 14:51 Uhr
Befragung Zeuge Peter S., 49 Jahre, Industriemechaniker, Böckingen (Erstmelder der Tat)
Gö: Was haben Sie bei Tat Kiesewetter in Erinnerung?
S: War mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Bahnhof, hab ein Polizei-Fahrzeug mit offenen Türen gesehen. Sah so aus, als würde sich einer der beiden sonnen. Zurück gefahren, dann hab ich leblosen Körper gesehen, alles voller Blut. Bin zum Bahnhof, habe über Taxler Polizei benachrichtigen lassen. Zunächst Unglaube, habe mit nicht ganz ruhiger Stimme dem Polizisten erklärt, was los ist. Fahrzeug war 25/30 Meter von mir entfernt. Ich wollte das nicht von Nahem sehen, hab auf der Brücke gestanden. Es sah so aus, als wenn sie heraushängen würde, konnte nur Fahrerseite des Autos sehen.
Haben Sie Personen wahrgenommen?
S: Als ich vorbeifuhr, war viel los. Als ich zurückkam, war es wie ausgestorben.

(Tim Aßmann, BR)
S: Auf dem Radweg war damals unwahrscheinlich viel los. Als ich zurück bin war kein Mensch mehr da. Es sind Radfahrer genügend unterwegs gewesen, aber ich hab halt niemanden wahrgenommen.
Pause bis 15.30 Uhr

(Eckhart Querner, BR)
15:36 Uhr Fortsetzung
Dolmetscher ist jetzt anwesend. Befragung Davinder S., 16.3.79 geboren, Pizzabäcker.
Götzl: Beobachtungen auf Theresienwiese, Heilbronn, 2007:
S: Mittagspause, circa 14 Uhr, ging mit Kollege an Kanal entlang. Sahen Polizeiwagen, der dort stand. Wir hatten den Eindruck, dass jemand nach unten schaut. Er hatte den Kopf gebeugt. Kamen näher, um zu schauen, was los ist. Da kam ein Taxi und die Polizei kam auch.
Schüsse gehört?
S: Nein
Personen aufgefallen?
S: Nein
Wann haben Sie Pause gemacht?
S: Circa um 14 Uhr. Es kann sein, dass wir zehn Minuten unterwegs waren, bis wir dort ankamen.
Wie weit war die Pizzeria weg?
S: Zu Fuß 10 bis 15 Minuten.
Gö: Sie sind auch von der Polizei vernommen worden (am 26. April 2007, am Tag nach Tat). Es geht um die zeitliche Einordnung. Gö: zitiert: "um 13:30 Uhr Pause gemacht, wurde von meinem Freund Pargat S. in der Arbeit abgeholt."
S: Kann sein, aber normalerweise haben wir um 14:00 Uhr Pause gemacht.
Wie nah sind Sie an Fahrzeug herangetreten?
S: Höchstens wie von hier bis zur Wand (???)
Gö. zitiert wieder: "Wir haben gesehen, dass neben einem viereckigen Gebäude ein Polizeiauto stand. Auf dem Fahrersitz ein Polizeimädchen, den Kopf nach unten gebeugt. Mein Freund hat gesagt: vielleicht ist dem Mädchen schlecht. Darauf hin sind wir dorthin. Waren vier bis fünf Meter vom Kfz weg, als wir sahen, dass auf dem Boden vor dem Auto Blut war. Es war circa 14:10 oder 14:15 Uhr."
S: Zeit stimmt.
Gö: Haben Sie auf der Theresienwiese öfter Polizeiautos stehen sehen?
S: Nein
Zitiert aus Vernehmung: "Manchmal standen da auch zwei Polizeiautos."
S: Normal, dass immer wieder Polizeiautos dort standen.
Gö: Ist Ihnen an diesem Tag ein Wohnmobil aufgefallen?
S: Ich kann mich nicht erinnern
Ende Befragung: 15:51 Uhr

(Tim Aßmann, BR)
Nun Zeuge Pargat Si., 36 Jahre, weiter mit Dolmetscher
Er schildert, wie sie auf den Polizeiwagen zukamen. Kiesewetter habe sich überhaupt nicht mehr bewegt. Hatten sofort den Eindruck, dass etwas nicht stimmt. Dachten zuerst sie machen Pause, weil dort immer ein Polizeiwagen stehe.

Si: Waren erst 35 oder 40 Meter weg. Dann standen wir vor dem Wagen. Mann lag. Haben versucht anzurufen. Zuerst kam Taxi, hat zwei Runden gedreht. Dann Polizei, Hubschrauber, Krankenwagen.
G: Schüsse gehört?
S: Nein
G: Wann war es?
S: Um zwei Uhr Pizzeria geschlossen.
G. hält vor: "Kurz bevor ich sah, dass Taxifahrer anrief, wollte ich anrufen und habe Handy rausgeholt und dann Uhrzeit gesehen."
Rechtsanwalt Scharmer (Nebenklage Kubasik): Was hat Ihr Freund dazu gesagt, dass dort regelmäßig Polizeiautos stehen?
S: Ich habe ihm nur gesagt, wenn Auto dort steht, dann muss es Problem geben. Dann hat er gesagt, er komme um die Zeit öfter her und dann stehe immer ein Wagen da.
Schluss für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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