81. Verhandlungstag, 30.1.2014 Die vielen Rätsel im Mordfall Kiesewetter
Ein vergleichsweise ruhiger Prozesstag ohne spektakuläre Enthüllungen. Auch heftige Auseinandersetzungen zwischen Nebenklage und Bundesanwaltschaft oder Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Gericht wie am Vortag blieben aus.
30. Januar
Donnerstag, 30. Januar 2014
Dennoch gab es wichtige Erkenntnisse und durchaus erschreckende Einblicke in die Arbeit der Ermittlungsbehörden. Wenn ein Polizist oder eine Polizistin getötet wird, dann - so kennt man es jedenfalls aus amerikanischen Filmen - läuft der ganze Sicherheitsapparat auf Hochtouren, bleibt nichts unversucht, wird jeder verfügbare Beamte eingebunden. Nicht so im Fall Kiesewetter. Zwar wurde schnell eine Sonderkommission "Parkplatz" eingerichtet, die verblieb aber an der örtlichen Polizeidirektion Heilbronn.
Polizeidirektion sei überfordert gewesen
Erst nach zweieinhalb Jahren übernahm das Landeskriminalamt die Ermittlungen. Ein LKA-Beamter sagte dazu am 81. Verhandlungstag, das sei schon "sehr spät" gewesen. Die Heilbronner Polizeidirektion sei mit so einer Ermittlung vermutlich "überfordert" gewesen. Mehr wollte er sich über die Kollegen nicht auslassen. Es klang aber durch, dass der Beamte von der Arbeit der Heilbronner SoKo wenig begeistert war.
Keine E-Mail-Auswertung
Nicht einmal den privaten E-Mail-Account von Michelle Kiesewetter werteten die Beamten aus. Der Server dazu lag in den USA. Ein Antrag wurde einfach nicht gestellt. Warum? Keine Ahnung. Auch die Frage, warum die Staatsanwaltschaft ausdrücklich untersagte, mehrere Phantombilder, die von Zeugen gefertigt wurden, zu veröffentlicht, bleibt ungeklärt. Er habe dagegen nicht protestiert, sagte der LKA-Beamte heute.
Kein schlüssiges Motiv
Der Mord an der jungen Polizistin Michéle Kiesewetter passt nicht in das übliche Schema der NSU-Mordserie, die ja ansonsten nur Migranten töteten. Es gibt auch kein wirklich schlüssiges Motiv. So vieles liegt in diesem Fall noch im Dunkeln und der heutige Prozesstag hat eher noch neue Fragen aufgeworfen - das aber muss nicht unbedingt negativ sein. Umso mehr ungeklärte Fragen auf den Tisch des Münchner Oberlandesgerichts kommen, umso besser. Das mag nicht im Sinne der gern bemühten "Prozessökonomie" sein, aber es ist durchaus im Sinne der Opferfamilien und der Öffentlichkeit.