NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 129. Verhandlungstag, 22.07.2014
Der Antrag Zschäpes auf Wechsel ihrer Verteidiger wird von Richter Götzl zu Beginn dieses Prozesstages abgelehnt. Die Begründung Zschäpes sei nicht ausreichend.
So wird der Prozess unverändert fortgesetzt und zwei Zeuginnen befragt, die das Trio bei mehreren Campingausflügen auf Fehmarn näher kennengelernt haben.
Zeugen:
- Juliane S. (Urlaubsbekanntschaften)
- Katharina M. (Urlaubsbekanntschaften)
ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal
(Holger Schmidt, SWR)
11.50 Uhr
Zuschauerbereich schon gut gefüllt. Beteiligte noch nicht anwesend.
12.30 Uhr
Erste Verfahrensbeteiligte kommen an:
Heer und Sturm legen Computer und Roben ab, gehen wieder raus in den Aufenthaltsbereich. Nicht in Richtung Gewahrsam.
12.45 Uhr
Zuschauerbereich komplett voll. Noch freie Presseplätze (ca. 20) werden nun freigegeben. Draußen offenbar großer Andrang sagen die Kollegen, die als letzte reingekommen sind. Keine Angeklagten außer Andre E. im Saal.
13.00 Uhr
Inzwischen alle Verteidiger anwesend. Anja Sturm hat ihre Robe schon an. Ungewöhnlich, sie nutzt sie sonst zur Abschirmung von Zschäpe.
Sie stecken stehend die Köpfe zusammen.
13.10 Uhr
Zschäpe in den Saal, Heer und Sturm schirmen sie ab. Senat kommt rein, Fotos werden auch vom Senat gemacht (passiert nur selten). Bei Zschäpe ist kein weiterer Anwalt, außer den üblichen Drei.
Es geht los.
(Eckhart Querner, BR)
Richter kommen rein.
Beginn Verhandlung: Feststellung Präsenz, unveränderte Besetzung bei Verteidigung, ebenso bei der Bundesanwaltschaft.
(Holger Schmidt, SWR)
13.20 Uhr
Götzl: Ich gebe bekannt: Mit Verfügung vom 21. Juli habe ich beschlossen, dass der Antrag vom 16. Juli 2014, die Bestellung ihrer Pflichtverteidiger aufzuheben, abgelehnt wird. Zu den Gründen: Keine konkreten und hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass für den Vorsitzenden erkennbar die Ausübung des Mandats nachhaltig gestört ist und Fortsetzung des Mandats nicht möglich ist. Sie sind ja anwaltlich beraten gewesen. Wir beginnen heute später, um Ihnen oder Ihren Vertretern heute Vormittag Gelegenheit zu geben, sich zu besprechen, auch mit dem neuen Anwalt. Wollen Sie etwas dazu sagen?
Zschäpe schüttelt den Kopf. Auch sonst sagt keiner was. Von keiner Seite.
Vernehmung der Zeugin Juliane S. beginnt. Kaum drei Minuten nach Beginn der Hauptverhandlung.
(Eckhart Querner, BR)
Zeugin S. ist total nervös, weint.
Götzl (fürsorglich): Brauchen Sie eine Pause?
S: Nein, wir können beginnen.
Gö. lässt Wasser für die Zeugin hereinbringen.
Gö. fragt nochmal: Brauchen Sie eine Pause?
S: Nein, wir können fortsetzen (tränenerstickte Stimme)
Gö: Dann nehmen Sie doch bitte einen Schluck!
Zeugin: Juliane S., 21, Studentin aus Peine.
Gö: Es geht um Campingplatzbekanntschaft in Fehmarn. Bitte berichten Sie von sich aus. Wen Sie kennengelernt haben, wie sich das entwickelt hat.
Kurze Pause, in der S. versucht, ihre Fassung zurückzugewinnen.
S.: Vor vielen Jahren haben wir die drei kennen gelernt auf Fehmarn. Ich fahr da mit meinen Eltern und meiner Schwester hin. Eines Tages kamen sie in den Wohnwagen meiner Eltern und haben gefragt, ob sie Doppelkopf spielen. Von diesem Tag an haben wir immer mehr miteinander gemacht. Von morgens bis abends jede Minute miteinander verbracht. Fast schon zum Frühstücken getroffen. Gespielt, Musik gehört. Zusammen Radausflüge gemacht, surfen, Boot fahren. Ins Kino gegangen. Abends meist zusammen gegrillt oder im Restaurant. Abends noch was getrunken und gequatscht. Drei Wochen lang. So war jeder Tag im Urlaub.
Gö: Von welchem Jahr an?
S: 2007 bis 2011, oder 2005 bis 2011. Beate Zschäpe kenne ich unter Lieschen oder Liese. Die beiden Männer unter Max und Gerry. (Max war Mundlos, Gerry war Böhnhardt). Zeugin S. weint wieder, Gö wartet geduldig, fragt vorsichtig nach.
Gö: Wenn Sie einzelne Personen anschauen - mit wem hatten Sie denn welchen Kontakt?
S: Mit allen dreien gleich viel. Persönlich am meisten ausgetauscht mit
Lieschen.
Gö: Von ihren Familien, wer war dabei?
S: Meine Eltern und meine Schwester waren immer dabei, meine Großeltern kamen immer für zwei Tage zum Geburtstag meiner Mutter. Campingplatz "Wulfener Hals"
Gö: Können Sie etwas in Ihrem Verhalten differenzieren zwischen den dreien?
S: Die drei waren sehr enge Freunde. Alle drei sehr lieb, sehr offen, lustig, zuvorkommend, kinderlieb, haben mit den kleinen Kindern gespielt. Haben mit meiner Schwester und mir Spaß gehabt, ausgetauscht. Aber auch mit meinen Eltern. Die beiden Jungs haben immer Witze gemacht, viele Geschichten erzählt.
Gö: Woran machen Sie enge Freundschaft der drei fest?
S: Haben alle drei im selben Wohnwagen gewohnt, Einkäufe, Liese hat immer bezahlt. Ausflüge zusammen gemacht. Alle Geschichten, da kamen alle drei vor. Wussten alles von einander.
(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
S: Haben sich ständig besucht.
G: Ständig besucht?
S: Was sie erzählt haben, so Sätze: "Als ich bei Liese zu Hause war." Ich habe daraus schließen müssen, dass sie in getrennten Wohnungen wohnten. Es gab auch Geschichten, was die drei zusammen erlebt haben. Geschichten: Gerry hat mal eine Nacktschnecke in Lieses Wohnung gefunden, in eine Wasserflasche getan und die Liese hat die dann Nachts versehentlich getrunken. Ganz normale Alltagsgeschichten.
G: Etwas von der Schule erzählt?
S: Nur dass sie da russisch gelernt haben.
(Eckhart Querner, BR)
Gö: Wie haben die drei sich untereinander verhalten?
S: Sehr liebevolle, innige Freunde. Immer in den Arm genommen.
Gö: Haben Sie näheres Verhältnis erlebt?
S: Gerry und Liese haben sich Ehebett geteilt, Max war im Kinderzimmer. In einem Jahr ist uns aufgefallen, dass Gerry und Liese inniger waren und auch mal zu zweit, von der Gruppe getrennt, etwas unternommen haben.
Gö: Was haben Sie gemeinsam unternommen?
S: Unsere Wohnwagen stehen nebeneinander. Nach dem Frühstück kamen sie zu uns: Ausflugsplanungen für den Tag: surfen, Boot fahren, mit dem Rad die Insel umfahren.
Gö: Zu Liese und Bezahlung?
S: Liese hatte großes Portemonnaie, mit viel Geld, sogar 500 Euro-Scheine. Hat für alle Drei gezahlt, bei Einkäufen, im Restaurant, beim Eis essen. Max hat auch ernste Gespräche geführt, mit meinem Vater. Gerry war eher der Ruhige, der nicht so viel geredet hat, aber auch sehr freundlich. Liese war wie eine Freundin, mit der man über Persönliches reden konnte: Schule, Eltern. Waren alle drei so fürsorglich.
Gö: Wenn Sie Problem mit Liese besprochen haben, wie ist sie darauf eingegangen?
S: Wenn es um Pubertätsprobleme ging, hat sie mit mir geredet, dann auch mit meiner Mutter. Ich wusste von den dreien, dass sie in Zwickau wohnten. Gerry war Kurierfahrer, der durch Deutschland fuhr, um Dinge zu liefern. Max irgendwas mit Computern und Informatik. Bei Liese wusste ich gar nichts. Wir haben nie darüber gesprochen.
Gö: Nie gesprochen?
S: Komischerweise nichts.
Gö: Haben Sie mal nach Adresse gefragt?
S: Nein.
Gö: Haben Sie über Familien der drei Personen etwas erfahren?
S: Ganz wenig. Bei Max wusste ich, dass Vater Professor war und er einen behinderten Bruder hat. Bei Gerry, dass sein Onkel eine Autovermietung hat. Das wars auch schon.
Gö: Und bei Liese?
S: Dass sie Kontakt mit der Oma hat. Ich weiß es nicht mehr, ob ich es von ihr weiß oder aus den Medien.
Gö: Mit welchem Fahrzeug waren die drei auf dem Campingplatz?
S: Zuerst mit Touran, dann mit Wohnmobil, am Schluss VW-Bus. Aufschrift war ne Webseite, irgendwas mit Autovermietung Zwickau.
Gö: Zu Kontakt:
S: Unsere Familie hatte Handy-Nr. von Lieschen. Auf unserer Festnetznummer wurden wir öfter von allen dreien angerufen. Meine Schwester schrieb sich SMS mit Liese.
Gö: Auch persönliche Treffen?
S: Zu meinem Geburtstag sind sie gekommen, haben bei uns übernachtet und sonst kam es noch zu weiteren persönlichen Treffen, als sie mindestens zweimal zu Hause bei uns geklingelt haben. Mit dem Auto waren sie gerade auf dem Weg zu Freunden. Haben bei uns gestoppt, ein paar Geschenke übergeben, sind dann weitergefahren. Vor unserem Urlaub sind sie mal bei uns vorbeigekommen, um Gegenstände zu transportieren, die für bestimmte Autos zu groß waren (Grill z.B.).
Gö: Gab es Besuche, bei denen Sie nicht angetroffen wurden? Irgendwelche Spontanbesuche?
S: Einmal haben sie Geschenke an die Tür gehängt. Wir hatten uns immer abgesprochen. Es ging um meinen 17. Geburtstag.
Gö: Hat sich bei Ihnen mal die Frage gestellt, ob Ihre Familie die drei mal besucht?
S: Nein, nur im Sinne von: wir kommen euch auch mal besuchen
Gö: Wie viele Treffen außerhalb der Ferien gab es?
S: Einmal mein Geburtstag, und dann noch bei Durchreisen.
Gö: „Auf dem Weg zu Freunden“? Wer war da gemeint?
S: Sie haben vor uns noch eine Woche Ferien mit diesen anderen Freunden gemacht, auch an der Ostsse.
Gö: Mal ein Name gefallen?
S: Nein.
Gö: Mit welchem Fahrzeug, welchem Typus waren die drei gekommen?
S: In den letzten Jahren war das ein VW-Multivan. Bei Besuchen bei uns zu Hause war es einmal eine Limousine, Passat oder Audi, Familienauto, ein Neuwagen. Bei anderer Gelegenheit war es ein weißer Corsa, ganz alt.
Gö: Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt?
S: Beim letzten Fehmarn-Urlaub. Im gleichen Jahren, als das aufgeflogen ist, waren wir im Sommer in Fehmarn.
(Holger Schmidt, SWR)
G: Freunde?
S: Lieschen hat was von einer Freundin erzählt, die viel tätowiert ist. Mit der hat sie mal aus einer Telefonzelle telefoniert.
(Eckhart Querner, BR)
Gö: War von Partnern / Beziehungen die Rede?
S: Gerry und Max haben in verschiedenen Sommern mal erwähnt, dass sie ne Freundin zu Hause haben. Gerry hatte sein Handy nicht dabei, weil er seine Freundin nicht erreichen wollte, den ganzen Sommer. Liese hatte einziges Handy, was die drei benutzt haben. Sie hatten ein Laptop dabei und einen Monitor, den sie an den Laptop angeschlossen haben – für Computerspiele.
Gö: Gab es Gespräche über politische Themen?
S: Mit mir nicht.
Gö: Welche Geschenke haben Sie auf Durchreise dagelassen?
S: Schokolade, Senf aus der DDR. Computerteile für meinen Vater. Und Würstchen.
Gö: Ist mal von Waffen und Bomben die Rede gewesen?
(Holger Schmidt, SWR)
Heer (Verteidigung Zschäpe) beanstandet die Frage des Vorsitzenden zu Waffen und Sprengstoff als suggestiv.
Götzl: Nein, ist sie nicht
Heer: Nun ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Götzl: Nein.
Heer: Doch, es liegt schon drin.
(Eckhart Querner, BR)
S: Zu Waffen hab ich nichts erfahren. Zu Bomben schon. Die Männer haben über Bomben erzählt, so, als wenn jeder schon mal eine Bombe gebaut hätte. Sie haben mir erklärt, wie man ne Bombe baut.
Gö: Erzählen Sie!
S: Ich meine es war Gerry: du nimmst drei Zutaten, Salpetersäure und das und das, Mörser, zerkleinern, lässt das stehen, dann kannst du daraus was bauen. Ob es wirklich Gerry war, kann ich heute nicht mehr sagen. Kann mich nur schwer erinnern, wer was erzählt hat. Es war einer der Grillabende, wo mir einer der beiden das erzählt hat.
Gö: Wie kam das Thema auf?
S: Wahrscheinlich aus irgendwelchen Späßen
Gö: Haben Sie sich auch an anderen Campingplätzen getroffen?
S: Nein.
Gö: Diese Ausflüge, wo haben die hingeführt?
S: Wir sind einmal nach Grömitz gefahren. Dann in die Hauptstadt von Fehmarn zum Bummeln. Dann in Freizeitpark, in Eselspark.
Gö: Wissen Sie was über Ausflüge der drei?
S: Die waren vorher schon mal in Grömitz gewesen. Von Fehmarn aus sind sie mal einen Tag alleine weggefahren
Gö: Wer hat mit wem telefoniert?
Sch: Meine Mutter hat auf Lieses Handy angerufen. Da ging auch manchmal einer der beiden anderen dran. Es ging um Urlaubsbuchungen.
Gö: Wurden Ihnen von der Polizei Lichtbilder vorgelegt. Haben Sie jemanden erkannt?
S: Ja, klar: Liese, Max und Gerry.
kurze Pause
Weiter um 14:41 Uhr
Lichtbildvorlagen, Zeugin kommt nach vorne.
Gö: Schauen Sie sich die Bilder an (Frauen).
Bei Lichtbild 6 erkennt Zeugin S. Liese (Zschäpe). Es folgen weitere Lichtbilder, diesmal Männer:
S: (bei Nr. 2) Das ist Max
bei Lichtbild Nr. 7 erkennt sie Gerry.
Zschäpe guckt die ganze Zeit in ihren Laptop.
S: Von Schulzeit haben sie viel erzählt. Ich weiß, dass sie Freund haben bei Hannover. Ortsnamen kenn ich eigentlich auch, hab ich gerade vergessen. Und dass sie den öfter besuchen.
Gö: Thema Portemonnaie: "Lisa hätte große wie kleine Sachen für alle gezahlt." Was meinen Sie damit?
S: Klein ist, wenn Max sich ein Eis am Stand gekauft und Liese es bezahlt hat. Groß, wenn sie im Supermarkt eingekauft haben.
Gö: Wie häufig kam das vor?
S: Wenn wir Ausflug gemacht und an Buden gehalten haben, dann hat sie immer alles gezahlt. Wenn meine Mutter vom Einkaufen was mitgebracht, hat Liese das abgerechnet. Im Restaurant hat Liese auch gezahlt. Das war täglich. 500-Euro-Schein. Ich hatte den noch nie in der Hand gehabt.
Gö: Wurde auch mal nicht in bar bezahlt?
S: Nein, nie.
Gö: Waren Sie mal zugegen, als mit 500-Euro-Schein gezahlt wurde?
S: Nein.
Gö: Sie waren zu Beginn (der Vernehmung) emotional betroffen. Was war der Grund?
S: Über Jahre hat sich enge Freundschaft aufgebaut. Hab mich immer gefreut, wenn wir nach Fehmarn gefahren sind. Seitdem fahren wir auch nicht mehr dort. Eine besondere Zeit, weil wir viel Zeit verbracht haben. Fast wie Eltern. Als ich die Nachrichten gesehen habe (fängt an zu weinen), ist für mich ne Welt zusammengebrochen. Mich hat das anfangs ziemlich belastet, so dass ich auch in Therapie betreut werden musste und nicht mehr zur Schule gehen konnte.
(Zschäpe zurückgelehnt, schaut vor sich hin, S. ringt um Fassung).
Gö: Wie lange konnten Sie nicht zur Schule gehen?
S: Immer mal wieder ein Tag, wo ich nicht in der Lage war, zur Schule zu gehen. Oder im Unterricht wie abwesend war. Der engste Kontakt bestand zu Liese.
Gö: Und Ihre Schwester?
S: Auch zu Liese. Die waren eng aneinander gebunden. Liese und meine Schwester sind zusammen duschen gegangen.
Gö: Wie hat Ihre Schwester reagiert?
S: Die redet nicht darüber. Ziemlich niedergeschlagen. Sie hat sich mit mir darüber nicht so viel ausgetauscht.
Greger (Bundesanwaltschaft): Wenn jemand Auto gefahren ist, wer war das?
S: Immer Gerry
Stahl (Verteidigung Zschäpe): Sie haben vorhin gesagt, die drei haben sich ständig in ihren Wohnungen besucht und wussten alles über den/die anderen.
S: Ja. Gab es da differenzierte Schilderungen, wo der eine oder der andere wohnte. Begebenheiten wurden Wohnungen zugeordnet.
Stahl: Konkrete Erinnerungen?
S: „Als wir bei Max in der Wohnung saßen, haben wir über Fehmarn gesprochen“. (sie zitiert hier jetzt die Drei)
Stahl: "Sie wussten alles übereinander", haben Sie erzählt.
S: Sie konnten jede Geschichte miterzählen. Die konnten einander Dinge erzählen, von der Jugend bis zu dem Zeitpunkt.
Stahl: Situation mit dem Bezahlen: Eis bezahlen - wo war das?
S: Ja, in Grömitz, am Strand, da sind Essensbuden. Meine Mutter hat das Eis für mich bezahlt, Liese für Max. Hab mich gewundert. Meine Mutter hat gesagt, Liese hat bestimmt zwei Fächer im Portemonnaie, darunter eine Urlaubskasse, in die zu Beginn des Urlaubs die beiden Männer eingezahlt hätten.
Stahl: Was hatten sie an Bekleidung dabei gehabt, wenn sie in Urlaub fuhren?
S: Liese mochte gerne rot, braun, auch bunt. Max hatte vier Jahre dieselbe Jacke dabei.
Stahl: Hat Max das Surfen intensiv gemacht?
S: Am Anfang hat er es gelernt, dann wurde er immer besser.
Stahl: Was hat Liese gemacht, während Männer unterwegs waren?
S: Wir haben Spiele gespielt, Essen vorbereitet, zusammen duschen, shoppen.
Stahl: Haben Sie mitgekriegt, dass Max sich Surfmaterial gekauft hat?
S: Ja, von Campingplatz-Bewohnern. Aber auch in Profi-Geschäft.
Stahl: Ist Liese da mitgegangen?
Herbert Diemer (Bundesanwaltschaft) verdreht die Augen
Stahl: Ist mal erörtert worden, dass sich Gerry Schlauchboot gekauft hat?
S: Ja, das wurde mal gesagt.
Stahl: Hat irgendjemand gefragt, ob das Liese bezahlt hat?
S: Nein.
Stahl: Haben Sie noch an Gespräch über Bomben eine Erinnerung?
S: Ja.
Stahl: Und auch an die Vernehmung zu diesem Thema?
S: Ja.
Stahl: Schwarzpulver und Bombe für Sie das gleiche?
S: Ja.
Stahl: Zu Geschenkpaketen der Drei. Da war von einer DVD die Rede.
S: Liese hatte kleine Handkamera dabei, mehrere Jahre nacheinander haben sie Urlaubsszenen gedreht: Federballspiel. Grillen, Reiten etc. Nach dem Urlaub haben Sie Filme zusammengeschnitten und Texte auf die Bilder gesetzt.
Stahl: Wurde darüber gesprochen, wer die DVD gemacht hat?
S: Nein. Die Kamera haben alle drei bedient, vor allem die Jungs.
(Bei emotionalen Momenten in der Aussage von S. nimmt Zschäpe häufiger einen Finger an den Mund. Kommunikation zwischen ihr und ihren Pflichtverteidigern gibt es keine.)
Stahl: Hat immer Ihre Mutter bei Liese angerufen?
S: Wenn einer aus unserer Familie angerufen hat, dann war das immer meine Mutter.
Stahl: Wer war dann am anderen Ende am Apparat?
S: Meine Mutter hat von einem Telefon mit Lautsprecher angerufen. Dann hat sie die Handy-Nr. gewählt und Gerry ist rangegangen.
Stahl: Wie oft war das so?
S: Selber erlebt hab ich das nur zweimal.
kurze Pause, in der Verteidiger beraten, und auch Zschäpe mitredet.
Stahl: Wie oft waren Sie im Restaurant essen?
S: Einmal die Woche, oder einmal in zwei Wochen. warum?
Stahl: Nicht schlimm. Ich wollt es nur wissen.
Gö: Hinweis: Frau Zschäpe, Sie können selbst Fragen stellen.
Zschäpe reagiert nicht.
Daimagüler: Wurde mal über Türken geredet?
S: Ich stand mal ne Zeit auf Türkenjungen. Ich hatte mal Freundin auf Fehmarn mit. Die sagte mal: Du immer mit deinen Türken.
Daimagüler: Wie haben Liese und Gerry reagiert?
S: Gar nicht.
D: Wie haben Sie reagiert auf Nachricht im November 2011
S: Ich kann das bis heute nicht verstehen. Ich hab ihnen zu 100 Prozent vertraut. Dann hab ich gemerkt, dass sie mich die ganze Zeit belogen haben, die
ganze Zeit verarscht (schluchzt wieder)
D: Brauchen Sie heute auch psychologische Hilfe?
S: Nein.
Kurz darauf ist die Befragung der Zeugin S. beendet.
Pause bis 16.05 Uhr
(Eckhart Querner, BR)
Befragung Zeugin M., Katharina, 21 Jahre alt. Schülerin aus Hameln
(selbstbewusst, völlig anderer Stimmklang als zuvor bei der Zeugin S.).
M: Haben 2007 die drei kennengelernt und dann bis 2011 mit ihnen Urlaub gemacht. Ich meine mit denen: Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt. Wir waren eine eingeschworene Urlaubsgemeinschaft: wir, die M.s, die S.s und die sogenannten Ossis. Wir haben viel Zeit mit einander verbracht. Segeln, surfen, essen, grillen, im Hansa-Park gewesen - was man so macht im Urlaub.
Gö: Was haben Sie über die drei erfahren?
M: Es war vertraut. Keiner von uns hätte je gedacht, dass das so ausgeht. Der Vater von Mundlos war Professor, er (Mundlos) hatte was mit PCs zu tun. Uwe Böhnhardt hatte was mit Transport zu tun, war der Fahrer. Bei Frau Zschäpe weiß ich nicht mehr.
Gö: Wie sind die drei miteinander umgegangen?
M: Wie eine kleine Familie. Eingeschworen. Sehr freundschaftlich. Es gab ein paar Neckereien, aber nie dicke Luft.
Gö: Wer stand wem näher?
M: Wir Kinder haben oft gemunkelt. Es war schwer vorstellbar, dass drei Menschen, Männlein und Weiblein, einfach nur befreundet waren. Einer der drei (Max = Uwe Mundlos) hätte mal eine Freundin gehabt, aber das war dann doch nicht so.
Gö: Woher kamen alle drei?
M: Aus Zwickau glaube ich.
Gö: Wie wohnten sie dort?
M: Zschäpe hatte drei Katzen.
Gö: War von der Wohnsituation, von den Wohnungen die Rede?
M: Mit Sicherheit, aber ich erinner mich nicht.
Gö: Privatleben Zschäpe?
M: Kann sein, dass sie mal was von Blumenverkaufen gesagt hat, aber ich bin mir nicht sicher.
Gö: Haben Sie denn auch außerhalb des Urlaubs Kontakt mit Z. und M. gehabt?
M: Wir haben zu Weihnachten Geschenke bekommen. Und Thüringer Bratwürste. Manchmal Emails und Anrufe.
Gö: Welche Kontaktmöglichkeiten hatten Sie und Ihre Familie?
M: Meine Eltern hatten eine Telefonnummer. Emailkontakt bestand glaub ich. Von Telefonaten weiß ich. Es ging um Urlaub, man musste was klären.
Gö: Kam es auch zu Besuchen privat bei Ihrer Familie?
M: Nein, bei unserer Familie nicht.
Gö: Zu Namen, unter denen Sie sie kennengelernt haben.
M: Liesel (Zschäpe), Max (Mundlos) und Gerry (Böhnhardt). Bei Gerry kannten wir den Nachnamen: Holger G.
Gö: Themen, über die man sprach?
M: Man hat sich über seine Interessen ausgetauscht. Zschäpe und ich mochten viele ähnliche Dinge. Das war immer ein freundschaftlicher Kontakt zu den dreien. Der, der am meisten aufgeblüht ist, und den Kontakt gesucht hat, war Uwe Mundlos: Der war wortgewandt, das blühende Leben.
Gö: Ist über politische Themen gesprochen worden?
M: Nicht, dass ich mich erinnern kann.
Gö: Vorhalt aus Polizeivernehmung: Habe mehrfach mit Liese über meine politische Einstellung gesprochen.
M: Mehrfach? Wir haben uns nie aktiv darüber unterhalten. Es wurde zugestimmt, relativ neutral.
Gö: Haben Sie aus Erzählungen der drei Personen entnehmen können, wie sie sich kennengelernt haben.
M: Alle irgendwie aus Jugendzeiten. Genaueres weiß ich nicht.
Gö: Haben Sie mal Handy-Nr. von einer der drei Personen bekommen?
M: Könnte sein, im Hansa-Park. Um sich besser zu verständigen.
Gö: Vorhalt: In Burg auf Fehmarn hat Z. der Zeugin Handy-Nr. 0162 7000587 gegeben.
M: Ja, ich hab mir dort mal Tattoo stechen lassen
Gö: Thema Geld: Haben Sie da Beobachtungen gemacht?
M: Das einzige was mir auffiel, war, dass in Lieses Portemonnaie viele Scheine drin waren. Ich hab mir das mit Urlaubssituation erklärt.
Gö: Waren Sie bei Einkäufen zugegen?
M: Wir waren mal im Sky Markt. Wer da wie bezahlt hat, daran kann ich mich nicht erinnern.
Gö: Vorhalt aus Vernehmung M.: Liese hatte jede Menge Bargeld dabei.
M: Meine Eltern und ich haben uns unterhalten, dass das komisch ist: viel Bargeld.
Gö: Wissen Sie, wie Sie und Ihre Familien Z., B. und M. kennengelernt haben?
M: Nur durch Erzählungen. Ich war damals nachtaktiv, tagsüber hab ich geschlafen. Sie sprachen schon von mir als der Phantomtochter. Nach einer Runde Doppelkopf haben wir uns unterhalten, fanden uns ziemlich schnell sympathisch.
Gö: legt Lichtbilder vor.
M. erkennt in Nr. 7 Gerry (Böhnhardt)
M. erkennt bei weiteren Lichtbildern (Nr. 2) Max alias Mundlos. und bei weiteren Bildern (Nr. 6) Liese alias Zschäpe.
Gö: War mal das Thema Waffen ein Thema?
M: Als Gerry uns Mädchen erklärte, wie man ne Rohrbombe bastelt. Wir waren interessiert, wie man so einen Jugendquatsch macht. Was es damit wirklich auf sich hatte, konnten wir nicht ahnen.
Gö: Können Sie sich erinnern wie es zu diesem Thema kam.
M: Es ging um Jugend, um die Unterschiede zwischen Bundesrepublik und DDR.
Gö: Was ist damit gemeint, es habe Spaß gemacht, etwas in die Luft zu sprengen.
M: das kleine bisschen Rebellion in der Jugend.
Gö: Wer war bei Gespräch zugegen?
M: Wir Mädchen (Juliane und Katharina S. und sie) und Gerry.
Gö: zu Rohrbombenbau und Bestandteilen.
M: Gespräch fand wahrscheinlich 2010 statt. Das kommt hin.
Gö: War mal Gesprächsthema Bezüge in andere Städte?
M: Sie haben mal was von einem Bekannten in Hannover gesprochen. Keine Namen.
Stahl: Zu Rohrbombe: Ist Ihnen etwas erinnerlich? Behältnis? Zubehörteile?
M: Keine Erinnerung an Einzelheiten.
Stahl: Ist das Wort Bombe gefallen?
M: Ja. Es ging um Sprengsatz, mit dem man was in die Luft jagt.
Stahl: “Ärzte“ haben Sie gehört?
M: Ich hatte ein paar Jahre meine Akustikgitarre und Akkorde in Büchlein dabei. Zschäpe und ich haben mitgesungen.
kurz darauf ist Befragung zu Ende und wiederum wenig später die Verhandlung beendet.
Hinweis
Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.