NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 162. Verhandlungstag, 20.11.2014

Ein BKA-Beamter ist der erste Zeuge am heutigen Prozesstag. Er schildert die Vernehmung des Angeklagten Carsten S. zur Tatwaffe 2012. S. konnte die Ceska damals eindeutig identifizieren.

Von: Eckhart Querner, Holger Schmidt, Tim Aßmann

Stand: 20.11.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Dann schildert eine Zeugin die Entwicklung der rechten Organisation "Blood & Honour", deren Mitbegründerin sie in Chemnitz war. Sie verharmlost die Gruppierung, bestreitet Unterstützungshandlungen für das Trio, verstrickt sich in ihrer Vernehmung aber in Widersprüche.

Zeugen:

  • Timo K., Bundeskriminalamt (Vorlage von Vergleichswaffen bei Carsten S.)
  • Antje B. (ehemals Antje P.) (zu "Blood & Honour", Sektion Sachsen)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
Beginn 9.47 Uhr
Zuschauertribüne fast komplett voll. Viele Schüler / Studenten.

Es kommt der Zeuge Timo K., 33 Jahre alt und Kriminaloberkommissar beim Bundeskriminalamt in Meckenheim.
Götzl: Geht um Vorlage Vergleichswaffen im Zuge der Vernehmung Carsten S. am 6.2.2012.
K: Er hatte in anderer Vernehmung angegeben, Waffe an Mundlos und Böhnhardt übergeben zu haben, konnte sich aber genau erinnern, was für eine es war. Vergleichswaffen wurden dann nummeriert von 1 bis 11 auf Tisch gelegt.

(Eckhart Querner, BR)
K: Wir haben S. gebeten, sich die Waffen anzusehen. Drei waren mit Schalldämpfer, darunter eine Heckler & Koch P8, eine Nuova Mulgora Modell 84 und die Ceska 83 (Nr. 3). Er hat sich für die Ceska entschieden, weil die Nuova Mulgora prägnante Kanten am Schlitten gehabt habe. Schalldämpfer bei der Ceska war außerdem länger. Ceska hat verlängerten Lauf. An den hat er sich erinnert.

(Tim Aßmann, BR)
K: Auch mit abgenommenem Schalldämpfer erkannte er das Gewinde außen am verlängerten Lauf und sagte die Ceska 83 müsste es sein.
G: Warum wurden andere Waffen, die in Frühlingsstr. gefunden wurden, nicht genommen?
K: Wir wollten Waffen vorlegen, die möglichst noch so aussahen, wie damals, als er die Waffe übergeben hat. (Waffen in Frühlingsstr. waren durch Brand oder Löschen verändert)

Nun werden Lichtbilder mit den drei Schalldämpfer-Waffen vorgelegt.
K: S. hat sich nur für die drei mit Schalldämpfer interessiert. Die anderen Bilder spielen deshalb eigentlich keine Rolle.
G: Schauen sie uns vielleicht trotzdem an.
K. zeigt und benennt nun die einzelnen Pistolen - dabei ist auch Ceska 82 und eine Pistole, die so ähnlich aussieht wie die Bruni-Pistole (die bei einem Teil der Morde neben der Ceska auch verwendet wurde).

(Holger Schmidt, SWR)
Rechtsanwalt Klemke (Verteidigung Wohlleben): Warum keine anderen Waffen mit verlängertem Lauf?
K: Müsste man die Kriminaltechnik fragen. Es ist keine Sammlung, die sich einem sammlerischen Interesse widmet, sondern es sind Waffen aus Straftaten.

(Tim Aßmann, BR)
Klemke: Hat sich S. zu Größe und Form des Abzugshahns geäußert?
K: Nein.
K: S. hat die Länge der Schalldämpfer verglichen, von der Ceska 83 und der Nuova Mulgora, und sich für die Ceska entschieden.

(Eckhart Querner, BR)
Klemke: Sie sagten, dass dem Herrn S. Lichtbilder von Waffen bereits vor dieser Vorlage gezeigt worden sind. Welche Waffen waren da abgebildet?
K: Lichtbildmappe von Waffen, die Wohlleben bereits vorgelegt worden waren.
Klemke: Welche Waffen abgebildet?
K: Nicht dabei waren Heckler & Koch sowie die Nuova Mulgora
Klemke: S. hat erst H&K ausgeschlossen, weil Waffe zu groß gewesen ist und Waffe mit unaussprechlichem Namen (er meint die Nuova Mulgora) u.a. wegen Kanten und Schalldämpfer-Größe ausgeschlossen.
K: Richtig.
Klemke: Protokoll wörtlich?
K: Es ist das wiedergegeben, was er gesagt hat. Zwischenbemerkungen wie "Kann man mal den Schalldämpfer abnehmen?" sind nicht drin.

(Holger Schmidt, SWR)
Rechtsanwältin Schneiders (Verteidigung Wohlleben): Hat Herr S. nur geschaut oder die Waffen auch angefasst?
K: Wir haben gesagt, er darf anfassen und das hat er auch gemacht.
Schneiders: Welche Waffen?
K: Auf jeden Fall die Ceska
Schneiders: Nur Waffe oder auch Schalldämpfer?
K: Weiß ich nicht mehr.

(Tim Aßmann, BR)
Rechtsanwalt Stahl (Verteidigung Zschäpe): Wer hat die Waffenvorlage koordiniert?
K: Die Kriminaltechnik. Wir haben vorgeben, es sollen alle Waffen von den Typen sein, die in Zwickau gefunden wurden und es müssen Vergleichswaffen dabei sein zur Ceska und zur Bruni.
Stahl: Wann wurde Ihnen die Waffe zum ersten Mal von S. beschrieben?
K: Soweit ich mich erinnern kann, im Zuge dieser Vorlage.
Stahl: Wann hat er von den Kanten und Formen erzählt?
K: Im Zuge der Vorlage am 6.2.12
Stahl: Nicht sinnvoll sich die Waffe erst einmal beschreiben zu lassen? Herr Oberstaatsanwalt Weingarten: Ich finde nicht, dass man da den Kopf schütteln muss. Das ist eine legitime Frage.
K: Waffen haben keine Gesichter. Wiedererkennen von Waffe lässt sich nicht mit Wiedererkennen von Gesichtern vergleichen. Hatte nicht die Erwartung, dass er sich so gut würde erinnern können Dass er uns die Waffe aus dem Gedächtnis so gut beschreiben könnte, dass uns das weiterhelfen würde. Jede Vorlage kann natürlich Fehler beinhalten. Das ist deshalb auch kein abschließendes Ergebnis: Es muss diese Waffe sein. Hatten ein konkretes Ergebnis. Das ist mehr als ich erwartet habe.

(Holger Schmidt, SWR)
Stahl: Stichwort: Ausschluss: Haben Sie über Fehlerquellen nachgedacht?
K: Natürlich denkt man darüber nach. Aber das Ergebnis ist ja auch nicht 100%ig. Konnte man nicht erwartet. Ich habe ein Ergebnis, das ist mehr, als ich erwartet habe und dass das Potential für Fehler hat, ist klar.

(Tim Aßmann, BR)
Stahl: Hat er Äußerungen gemacht, die darauf hätten schließen lassen können, dass er evtl. Maschinenpistole übergeben hat?
K: Nein. Er hat direkt Pistole gesagt.
S: Warum dann MP vorgelegt?
K: Weil das auch Waffe mit Schalldämpfer war und wir MP ausschließen wollten.

K: Hatten bei Vergleich noch Ceska 82 und Ceska 70 dabei
S: Warum nicht Ceska 75?
K: War nicht dabei.
S: Bekannt, dass diese Waffen sich sehr ähnlich sehen.
K: Die Ceska 82 und 70 sehen der Ceska 83 ebenfalls sehr ähnlich.

(Holger Schmidt, SWR)
Klemke: Dokumentiert, ob S. Schalldämpfer angefasst hat?
K: Nein
Klemke: Warum nicht?
K: Man hat es nicht für notwendig erachtet.
Klemke: Wer hat es nicht für notwendig erachtet?
K: Ich
Klemke: Aha. Dann sagen Sie das doch

(Tim Aßmann, BR)
Götzl: Geht nun um Vernehmung von Carsten S. am 1.2.2012 beim Ermittlungsrichter. Bilder der Waffen, die damals vorgelegt wurden, werden gezeigt. Zeuge erklärt nun, welche Waffen es sind. Auch hier ist wieder eine Ceska 83 zu sehen. S. erkennt auch dabei die Ceska 83 und erinnert sich, dass bei Übergabe Schalldämpfer und Munition dabei waren.
Zeuge K. wird wenig später entlassen. Wohlleben-Verteidiger Klemke behält sich Erklärung zu der Vernehmung vor.

Erklärung Stahl zur Vernehmung des Zeugen Timo K. vom Bundeskriminalamt: Frage, welche Waffe S. seinerzeit übergeben haben will, ist für Verfahren von gewisser Bedeutung. Es war naheliegend zum Zeitpunkt der Vernehmung Carsten S., dass es sich um Ceska mit Schalldämpfer gehandelt haben kann. Methodisches Vorgehen, die anderen Waffen auszuschließen, so dass eine übrig bleibt, scheint mir falsch. Niemand, der sich nicht mit Waffen sehr gut auskennt, wird in der Lage sein, so viele Jahre später eine Waffe wieder zu erkennen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass eine solche Erinnerung gar nicht erst abgefragt wurde. Ablauf der Vorlage war dilettantisch. Katastrophaler Fehler, dass vorher keine Beschreibung der Waffen vom Zeugen abgefragt wurde. Beweiswert dieser Waffenvorlage ist im Ergebnis für die Galerie nämlich gleich Null.

(Holger Schmidt, SWR)
Pause 10 min.
In der Pause zetert Gisela Friedrichsen ("Der Spiegel"), weil sie keinen Platz in der ersten Reihe der Zuschauertribüne und nicht mal auf der rechten Seite (dem Pressebereich), bekommen hat. Eine Besucherin kontert: "Fragen Sie doch einfach höflich, statt sich zu beschweren."

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.05 Uhr
Nun werden nochmal die schwarz-weiß Bilder diverser Pistolen gezeigt, wie sie Carsten S. bei der Vernehmung am 1.2.12 vorgehalten wurden. Die Aufnahmen sind gut, die Waffen klar erkennbar.

(Eckhart Querner, BR)
Zeugin Antje B., geschiedene P., 40 Jahre alt, Erzieherin aus Aue.
Götzl: Es geht uns um Bezüge, Kenntnis in Bezug auf Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe und "Blood & Honour". Mir geht es darum, dass Sie uns berichten, inwiefern Sie Kontakt zu Genannten und evtl. zu weiteren Angeklagten hatten. Ich möchte, dass Sie erstmal von sich aus erzählen.
B: Ich kannte weder die Beate Zschäpe, noch den Uwe Böhnhardt noch den Uwe Mundlos. Keinerlei Kontakte dahin.
G: Zeitlich geht's mir um die Zeit ab Mitte der 90er Jahre. Wenn Sie uns vielleicht auch berichten, inwiefern Sie politisch tätig waren? Bezüge zu "Blood & Honour"?

(Tim Aßmann, BR)
B: Irgendwann Mitte der 90er Jahre bin ich "Blood & Honour" beigetreten, für mich war Ian Stuart (Sänger der englischen Neonazi-Band "Screwdriver") das Vorbild, das musikalische, und das war der Hintergedanke, warum ich in Sachsen beigetreten bin, um sein Erbe fortzuführen, war ne reine Musik-Organisation, als es dann nur noch ums Geldverdienen ging, hab ich der Sache den Rücken gekehrt.
Götzl: Erzählen Sie weiter. Um welche Personen ging es?
B. (stöhnt): Jan W. war unheimlich aktiv. Thomas St. hat ne Rolle gespielt. W. würd ich als den aktivsten mit Bezug auf die Bands sehen.
G: B&H. Wer traf sich mit wem? Wie kam es zum Entstehen von B&H?
B: Wir saßen irgendwann mal in ner Kneipe und waren der Meinung: Wär schon schön, wenn wir nen paar musikalische Veranstaltungen hier hätten. Ian Stuart ist jetzt tot und dann führen wir das halt hier in Sachsen weiter. Der Jan (W.) hatte viele Kontakte.
G: Wer war "wir"? Wann war "irgendwann"? Welche Kneipe gemeint?
B: Lange her. Waren vielleicht zu viert oder zu fünft, war 94 oder 95. War entweder in Chemnitz oder irgendwo im Erzgebirge. Kann es nicht mehr genau sagen.

(Eckhart Querner, BR)
G: Worum ging es? Sie wollten Tradition fortsetzen.
B: Wir waren eine lose Verbindung. Stammtisch-Feeling, unregelmäßig getroffen. Überlegt, welche Bands wir einladen konnten. Jan hatte gute Kontakte, hat viel organisiert. Wir haben uns getroffen und viel Musik gehört.
G: "Wir", "man" - wer verbirgt sich dahinter?
B: Jan W., Jörg A., ich, Thomas St. (aber das war erst später, vielleicht 96, 97).
G: "Stammtisch-Feeling"?
B: Man hat sich getroffen, nen Bierchen zusammen getrunken. Wen laden wir ein? Wo machen wir es?
G: Weitere Personen?
B: Andreas G., aber das war auch später, 96 oder 97. Es ging um die Bands. Um Konzerte zu veranstalten. Das war ja das Einzige.
G: An welche Bands hatte Sie da gedacht?
B: Das waren relativ viele Konzerte zum damaligen Zeitpunkt. "English Rose", (unverständlich), (unverständlich), "Avalon". Es ging über Deutschlands Grenzen hinaus. Im Schnitt ein- bis zweimal im Monat.
G: Wo fanden die Konzerte statt?
B: In Konzertsälen, in Kneipen. Die hat man dann angemietet und sich dort getroffen. Dann hat man mit Wirten über Catering gesprochen.
G: Was war mit Konzertveranstaltungen bezweckt?
B: Es ging drum, sich am Freitag oder Samstag Abend zu treffen, Musik zu hören, sich zu sehen.
G: Gab es da Gemeinsamkeiten, welche Kriterien?
B: Der Stil: zwischen Rock'n Roll und Heavy Metal, oder Rock-Musik.
G: Wie viele Leute?
B: Abhängig von den Bands. Räume für 70 bis 100 Leute, manchmal auch für 400.
G: Wer hat die Konzerte besucht?
B: Es ist eingeladen worden.
Götzl unterbricht die Zeugin, will wissen wen sie genau meint.
B: Die Mehrheit in der Sache hat der Jan gemacht. Der hat die Kontakte gemacht. Damals gab es wohl schon Handys: SMS wurden verschickt. Ich hab dann auch Leuten Bescheid gesagt.
G: Zu wem hatte Jan Kontakte?
B: Wir hatten ja teilweise den gleichen kleinen Freundeskreis. Er hatte viele Kontakte außerhalb von Deutschland, in Europa.
G: Sind die dann vom Ausland zu den Konzerten angereist?
B: Ja, genau.
G: Als es ums Geld verdienen ging, seien Sie ausgetreten?
B: Da bin ich bei B&H ausgetreten.
G: Welche Entwicklung meinen Sie? Wem ging es ums Geldverdienen?
B: Mein Glauben daran war, was wir musikalisch auf den Weg gebracht haben, fortzuführen. Thomas St. hat das so auf den Weg gebracht, dass es da um große Summen ging. Vielleicht 97, das war mal nach nem Konzert. Da kam von ihm, unterstellt, es würden 20.000 Mark fehlen. Da hab ich mir gedacht, wo kommt denn so viel Geld her? Da ging es um viel Geld. Es gab eine Abendkasse, und die hätte am nächsten Tag gefehlt. Wer ist das gewesen, hat er gefragt.
G: Wem stand das Geld zu?
B: Bands haben Sprit davon bezahlt bekommen, Unkosten. Normalerweise hätte nie Gewinn in der Kasse sein dürfen. Für mich ist nahe liegender Grund, dass sich Leute privat bereichert haben.
G: Bands haben nur Auslagen bekommen? Wurde Eintritt verlangt. Warum durfte nichts in der Kasse sein?
B: Wenn die Sache idealistisch war, dann hätte nichts übrig bleiben dürfen.
G: Was wurde denn pro Person verlangt?
B: Meistens so 20 Mark.
G: Für wen war denn das Geld bestimmt?
B: Ich hab mich ja nie drum gekümmert. Ich hab angenommen, das ist ein Null-Geschäft. Aber in dem Moment, wo der Herr St. unterstellt hat, Leute müssten sich bereichert haben, war mir klar, dass sich jemand bedient hätte.
G: Geld ist ja reingekommen. Die Bands haben nichts bekommen außer ihrer Auslagen. Was ist mit dem Geld vorgesehen gewesen?
B: Ich hab angenommen, dass nichts verdient wurde.
G: Wann war denn das mit den 20.000 Mark?
B: Ich würde denken, das war 97/98. Es wurde davor nie über Einnahmen geredet. Ich denke, er hat das in seiner eigenen Tasche vermisst.
G: Und können Sie mir das erläutern, wie Sie dazu kommen?
B: Weil ich nie gedacht habe, dass da Geld übrig bleibt. Und plötzlich wurde diese hohe Summe genannt und mir wurde klar, dass er schon länger in die eigene Tasche gewirtschaftet hat.
G: Wie war die Situation bei B&H 97/98? Können Sie mir Hintergrund und Zusammenhang erläutern?
B: Der Jan hat, wie gesagt, die Kontakte der Bands geknüpft, er war da der Hauptansprechpartner. St., war evtl. auch der Älteste von uns, hat, als er zu uns stieß, die Vater-Rolle suggeriert. Er hat festgelegt, wo wir uns treffen. Wirkte väterlich.
G: Wie war Ihre Rolle?
B: Ich war da!
G: Weitere Personen?
B: Der Jörg W., Jörg A…..Lange her.
G: Fallen Ihnen keine weitere Namen ein, außer den Genannten?
B: Ich hab in der ganzen Zeit vier Kinder bekommen, ich war gar nicht so präsent. Von 94 bis 2000.
G: Ihre persönliche Situation?
B: Ich war ja verheiratet. Mein Ex-Mann ist der Vater von allen Kindern.
G. Was hat Ihr Mann gemacht? Sie, wovon haben Sie gelebt?
B: Er war ewig selbständig, seit 96, er hatte seine CD- und Musikgeschäfte. Und in dem einen Laden hab ich ne Weile mal mitgeholfen.

G: Was hat er noch gemacht?
B: Er hat noch CDs produziert - und die Läden. Zwei.
G: Wenn Sie sagen, Sie haben geholfen, wann war das?
B: Von 98 bis Mitte 2000.
G: Sie sind geschieden? Wie lange zusammen, wann auseinander?
B: 12 Jahre. Geheiratet 94, getrennt hab ich mich 2007.
G: Zu Ian Stuart: Was sollte denn von Ihrer Seite von B&H fortgeführt werden?
B: Dieses Ehrenvolle, was er verkörpert hat, diese hohen Werte, dass wir uns ein Stück weit rückbesinnen. Auch was Demut ist. Das waren zumindest meine persönlichen Ideale!

(Tim Aßmann, BR)

G: Worum ging es inhaltlich bei "Blood & Honour"?
B: Wirklich da drum sich zu treffen an den Wochenenden. Weiß ich nicht wie Sie das meinen mit dem inhaltlich?
G: Ich frag ganz offen. Ich denke meine Fragen sind klar. Und Sie sagen mir das, was der Wahrheit entspricht. Hoff ich zumindest.
B: Inhaltlich. Also es ging eigentlich nur um Musik. Inhalt war sich treffen und trinken und Musik hören.
G: Und es ging noch ums Ehrenhafte hatten Sie gesagt. Was haben Sie sich denn erwartet?
B: Ich hätte mir gewünscht, dass man befreundet ist und vor allem auch viele Familie haben. Ich war mit die Einzige, die Kinder hatte, und wo man eben auch gemeinsam mit den Kindern Unternehmungen macht. Das hätte ich mir so… Aber das hat sich ja dann völlig anders entwickelt. Es ging dann nur noch ums Geldverdienen.
G: Politische Ziele gabs nicht?
B: Für mich nicht.
G: Für andere?
B: Weiß ich nicht. Könnt ich mir schon vorstellen.
G: Was meinen Sie damit?
B: Vielleicht ne weiße Welt, also Menschen mit weißer Hautfarbe, könnt ich mir vorstellen, dass das vielleicht bei manchen ne Rolle gespielt hat.
G: Bei wem jetzt? Muss ich denn nach jedem Satz nachfragen?


(Eckhart Querner, BR)
G: Erzählen Sie, wen Sie meinen!
B: Der Jan z.B. hat das "White Promicy" gemacht, so ein Heftchen, dort hat das ne Rolle gespielt. Schlagwörter wie „White Power“.
G. Können Sie mir das näher erläutern?
B: Das ist ein Begriff, bedeutet "Weiße Kraft", dass die weiße Hautfarbe erhalten bleibt.
G: "White Promicy" hat er alleine gemacht?
B: Weiß ich nicht, ob er da einen Schreiber oder Zu-Texter (!) hatte.
G: Inwiefern hat das in den Diskussionen, Gesprächen eine Rolle gespielt?
B: Wir haben uns getroffen, belangloses Zeug erzählt. Über die nächsten Konzerte gesprochen.
G: Was heißt "belangloses Zeug"?
B: Wie es auf der Arbeit war, über Beziehungen
G: Bezug Andreas G. zu B&H?
B: Er kam dann manchmal mit zu unseren Stammtischen. War 98 vielleicht.
G: "Manchmal" bedeutet?
B: Vielleicht alle zwei Monate
Mittagspause bis 13.05 Uhr

(Eckhart Querner, BR)
13:11 Uhr
G: Sind Sie dem Verschwinden des Geldes mal nachgegangen?
B: Ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich möchte mit solchen Leuten nichts zu tun haben, die so was machen.
G: Wer war für die Kasse zuständig?
B: Ich geh davon aus, an dem Abend St. selber
G: Wer hat da mit Geld zu tun gehabt? Sie selber?
B: Ne. Der St. und der Jan, nehm ich an.
G: Wie kommen Sie auf St.?
B: Das war in dem Moment mein Gedanke.
G: Wie hat Jan W. reagiert?
B: "Du spinnst wohl, niemand hat das Geld geklaut."
G: Das wäre ja ein Dementi gewesen.
B: Bis heute ein Rätsel, wo das Geld gelandet ist.
G: Hat St. danach auf das reagiert, was Jan W. gesagt hat?
B: Er hat gesagt, das Geld muss doch irgendwo sein. Der Jan hat dann gesagt: Halt doch die Fresse, oder das Maul.
G: Gründung von B&H? Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
B: Wir haben uns Mitte der 90er Jahre in der Kneipe getroffen und überlegt, nachdem Ian Stuart tot war, die Musik in Deutschland voranzubringen, dass Veranstaltungen stattfinden, das war das Ausschlaggebende. Ich persönlich fand das ne gute Idee und hab gesagt: klar, können wir machen. Dann haben wir uns regelmäßig getroffen.
G: Wer hatte die Idee zur Gründung?
B: Das ist eine gute Frage. - Eigentlich wir alle!
G: Das klingt, als wären Sie alle drauf aus gewesen, B&H zu gründen.
B: Der Jörg A.war dabei, der Jan, ich.
G: Gab es denn solche Strukturen woanders, an denen Sie sich orientiert haben?
B: Nö.
G: Klingt wie eine Idylle: Musik, Familie, Kinder, Krabbelgruppe? Hat das keine politische Zielsetzung gehabt?
B: Für mich ging es um die Musik. Ganz klar.
G: Und den anderen Mitgründern?
B: Ich kann das jetzt plakativ sagen: Es ging den anderen vielleicht ein Stück weit um rechtes Gedankengut.
G: Rechtes Gedankengut. Ein Stück weit?
B: Das sind plakative Äußerungen oder, wie sagt man, weiße Rasse, so in dem Sinne.
G: Was meinen Sie denn damit? So' und in dem Sinne'? Sie werfen mir hier Schlagwörter hin. Sie müssen mir das erklären, damit ich das verstehe.
B: Das sind Floskeln, das ist plakativ. Ich weiß gar nicht, ob es einen ernsten Sinn dahinter gegeben hat. Das war ja kurz nach der Wende, was man mit heute gar nicht mehr vergleichen kann.
G: Dann versuchen Sie mir das zu erklären!
B: Damals war das viel landläufiger, zu sagen: "Deutschland den Deutschen" oder solche Floskeln. Man hat Dinge gesagt, wo man den Sinn dahinter gar nicht verstanden, gewusst hat.
G: Beispiel dafür? Sie meinen sich? Oder ist das falsch?
B: "White Power". Meinetwegen Bierglas genommen, angestoßen und gesagt: "White Power". Das ist einfach so lange her. Man kann das mit heute nicht vergleichen.
G: Was steckte denn dahinter?
B: Grundaussage war, dass man seine Hautfarbe erhält.
G: Inwiefern waren Sie da persönlich betroffen? Warum haben Sie da ein Problem gesehen?
B: Ich hab da überhaupt keine Erlebnisse gehabt.
G: Warum hat "White Power" dann diese Bedeutung für Sie gehabt?
B: Ich bin ja ein komplettes DDR-Kind. Das war eine ganz andere Zeit. Das Thema wurde in Liedtexten schon verarbeitet. Ich kann es wieder so floskelhaft nennen: rechtes Gedankengut.
G: Ging es denn auch um einen Zusammenschluss von Bands? Bestimmte Bands?
B: Das Angebot an Bands auf dem Musikmarkt war sehr reichhaltig. Von überall aus Europa.
G: Bands aus der rechten Szene?
B: Jo.
G: Ausschließlich?
B: Jo.
G: Ich hatte Sie zu Ihrer politischen Einstellung gefragt. Sie haben zunächst nichts erzählt. Gabs da einen Grund?
B: Wenn der Begriff rechts fällt, und man wird damit in Verbindung gebracht, hat das immer eine negative Bedeutung. Aber der Mensch hinter dem Begriff wird nicht gesehen.
G: Ist das der Grund, warum Sie da nicht drauf eingegangen sind?
B: Ich sitz jetzt hier und werde in eine Situation gedrückt, die sehr unangenehm ist.
G: Ich will, dass Sie mir das so schildern, wie es sich damals zugetragen hat. Sonst muss intensiver nachgefragt werden, wenn Sie bestimmte Fragen nicht beantworten. Können Sie denn zu Jan W.s politischen Einstellungen was sagen?
B: Er war rechts.
G: Und Thomas St.?
B: Auch rechts.
G: Struktur von B&H, wie würden Sie die beschreiben?
B: Es gab Leute, die Interesse hatten, die sind dann zum Stammtisch mitgekommen.
G: Gabs da bestimmte Bedingungen, die man erfüllen musste?
B: Ne.
G: Sagen Ihnen die Namen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos heute was?
B: Aus der Presse.
G: Frau Zschäpe?
B: Jetzt im Zuge des Prozesses, als sie gefasst wurde.
G: Haben Sie denn in den 90er Jahren die Namen gehört?
B. (antwortet schneller als sonst): Nein.
G: Ist irgendwann jemand an Sie herangetreten, der Unterstützung suchte für Flucht, Untertauchen? Wegen Ihres Reisepasses?
B: BKA ist vor zwei Jahren an mich herangetreten. Weil der Herr St. wohl sowas behauptet hat
G: Was sagen Sie?
B: Ne.
G: Haben Sie einen Reisepass gehabt in den 90er Jahren?
B: Klar, wir waren ja auch im Urlaub. Ich hatte nur einen.
G: Gabs mal ne Zeit, wo Sie einen zusätzlichen Pass hatten?
B: BKA hat mich das auch gefragt. Das geht ja auch gar nicht.
G: Vorhalt aus Ermittlungsvermerk BKA: "Reisepass Nr. . ausgestellt am 10.11.94 durch die Stadt Chemnitz, gültig bis 99. Nr. ., ausgestellt Juli 98, gültig bis 03, eingezogen Frau P. (heute B.) besaß zwischen 98 und 99 zwei Reisepässe." Was sagen Sie denn dazu?
B: Das geht doch gar nicht. Ich nehm an, das hängt mit der Neubeantragung durch die Ehe zusammen.
G: Zurück zu St.: Gabs denn mal einen Vorfall, bei dem Herr St. verletzt wurde, als Sie zugegen waren?
B: Wir waren auf einer Feier. Haben ihn Abends aufgesucht, angetrunken. Ich hab geklingelt und er kam dann die Treppe runter, dann hat er ihm ne Ohrfeige gegeben.

G: Wer hat wem eine Ohrfeige gegeben?

B: Jean-René B. dem St.
G: Grund?
B: Es ging um Aussage St.s gegenüber der Polizei. Dann sind wir dahin.
G: Weswegen?
B: Wegen der Aussage. Weil er jemanden belastet hat.
G: Warum war Jean-René B. betroffen?
B: Das hing mit dem Landser-Prozess zusammen.
G: War B. auch Beschuldigter des Verfahrens?
B: In dem gesamten Verfahren stand er vor Gericht. Ist ja alles schon lange her.
G: War denn im Rahmen von B&H mal die Rede davon, Anschläge durchzuführen?
B: Anschläge? Niemals.
G: Können Sie etwas sagen zu Jan W. und Waffen? Haben Sie bei Jan W. mal Waffen gesehen?
B: Ne.
G: War das mal ein Thema?
B: Niemals, kein einziges Mal!
G: Kennen Sie Carsten Sz. (V-Mann „Piatto“)?
B: Ja. Der saß damals in Haft. Über Briefkontakt ist der Kontakt entstanden. Wenn er Arbeit hätte, würde er Berufsförder-Gelder bekommen und könnte früher aus Haft entlassen werden. Ich besorgte die Papiere beim Arbeitsamt, er wurde Freigänger und bei meinem Ex-Mann angestellt, dadurch entstand intensiver Kontakt.
G: Wann?
B: Briefkontakt so 97, vielleicht 99, dass ich da so auf dem Arbeitsamt das beantragt habe. Das ging sehr schnell, da hab ich mich sehr gewundert damals.
G: Gab es mit ihm mal ein Gespräch darüber, ob Sie jemanden Ihren Reisepass zur Verfügung stellen?
B: Ne. Mit ihm hab ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis gehabt. Über die Geschäfte meines Mannes haben wir nicht gesprochen.

G: In Bericht (BKA?) geht es um Erkenntnismitteilungen vom Bundesverfassungsschutz. Da heißt es: "Jan W.und Antje P. (heute B., also die Zeugin) sollen Kontakt zu untergetauchtem Trio unterhalten haben."
B: Weder hab ich die drei gekannt, noch hab ich mit dem Jan jemals darüber gesprochen. Ich weiß nicht, wer so was gesagt hat. Da kommt eigentlich nur Sz. in Frage.
G: Was ist jetzt die zwangsläufige Linie Sz.-Werner?
B: Weil damals rauskam, dass er V-Mann war.
G: Wann haben Sie das erfahren?
B: Im Spiegel, 2000.
G: Haben Sie nochmal Kontakt mit ihm gehabt?
B: Ich hab ihn am selben Abend angerufen und er hat gesagt: "Das stimmt alles nicht, das ist alles Lüge." Dann hat er das Handy ausgemacht und ich hab nie wieder von ihm gehört.
G: Waren Waffenbeschaffungen bei B&H mal in Gesprächen ein Thema?
B: Ne.

(Eckhart Querner, BR)
G: hält vor: "Jan W. soll Auftrag haben, für gesuchtes Trio Waffen zu beschaffen." Sagt Ihnen das etwas?
B: Waffen haben nie eine Rolle gespielt.

G: Ist mit Jan W. oder sonstigen Personen über Personen aus Thüringen gesprochen worden, die gesucht würden?
B: Ne.
G: "Gelder sollen die beiden für die sächsische Sektion B&H bereitgestellt haben."
B: Neuerdings das erste, was ich darüber höre.
G: Haben Sie davon gehört, dass das Trio Deutschland verlassen wollte?
B: Ne.

(Tim Aßmann, BR)
G: Vorhalt: "Mit Waffen soll Raubüberfall verübt und sich mit dem Geld nach Südafrika abgesetzt werden."
Zeugin B. gibt an, davon nichts zu wissen.

(Eckhart Querner, BR)
G: Wie eng war der Kontakt zu Sz.?
B: Ich hab engen Kontakt zu ihm gehabt. Hab ihn auch in der Haft besucht. Und auch, als er Freigänger war.
G: Wie oft haben Sie sich gesehen?
B: Erst mit dem Arbeitsvertrag wurde er Freigänger. Jedes Freigänger-Wochenende war er bei uns.
G: Jetzt kommen Sie in diesem Hinweis ins Spiel: "Nach Entgegennahme der Waffe sollte das Trio einen Überfall planen. Antje P. (die Zeugin) wollte der weiblichen Person ihren Pass zur Verfügung stellen."
B: Ich weiß nicht, was ich da sagen soll, außer dass es nicht stimmt.
G: "P. und W. sollen ohne das Wissen des Anderen für die Drei tätig gewesen sein."
B: Das ist einfach nicht wahr.
G: Vorhalt aus demselben Bericht, eine Seite vorher: "16.11.2011. wird mitgeteilt, dass Trio 98 ausreisen wollte und dass Antje P. ihren Pass zur Verfügung stellen wollte."
G: "Bei einem Treffen der B&H-Sektion regte P. an, mit Anschlägen in den Untergrund zu gehen."

(Tim Aßmann, BR)
B: Weiß, dass der St. das gesagt hat. Ich müsste doch bescheuert gewesen sein, sowas zu äußern. Mein zweitgeborenes Kind war damals gerade ein Jahr alt. Das ist ne ganz bösartige Unterstellung.

(Eckhart Querner, BR)
G: "Das sei von Teilen abgelehnt worden!" Andere Stellen: "Das B&H-Mitglied Antje P. habe Kontakte nach Berlin, Brandenburg, und Kroatien gehabt."
B: Berlin und Brandenburg stimmt, in Kroatien war ich im vergangenen Jahr zum ersten Mal.
G: Gabs von Ihrer Seite mal Unterstützungshandlungen?
B: Ne, ich habs ja noch nicht einmal gewusst.

(Tim Aßmann, BR)
G: War ihr Ehemann bei "Blood & Honour"?
B: Nein
G. Vorhalt: "Am Rande eines Konzertes am 26.9 in Munzig wird bekannt, dass Jan W. mit seinen Versuchen das Trio mit Waffen zu versorgen bisher erfolglos war und die Versuche fortgesetzt werden." Waren Sie bei dem Konzert?
B: Weiß ich nicht, schließe es aus, weil da ja mein Zweitgeborenes noch ganz klein war.
G: Kennen Sie Maik und André E.?
B: Nein. Sagt mir nichts. Sind das Brüder?


(Eckhart Querner, BR)
G: Sie hatten eingangs das Erzgebirge erwähnt. Welchen Bezug hatten Sie dorthin?
B: ? ? (Name unverständlich) war Mitarbeiter im Laden. Durch ihn hab ich mich viel im Erzgebirge aufgehalten.
G: Hatten Sie Bezug zu dort lebenden Personen?
B: Zum Bruder vom Jörg A.. Sonst nicht. Man hat sich in Kneipe gesehen
G: Kennen Sie den Herrn in der ersten Reihe, dritter von Links (gemeint ist der Angeklagte André E.)?
B: Ne.
G: Wie oft sind Sie vernommen worden?
B: Zweimal.
G: Vorhalt aus erster Vernehmung 29.2.12: "Zurück kommend auf Ihren politischen Werdegang: Können Sie mehr dazu sagen?" - Ihre Antwort: Ich hatte logischerweise Kontakt zu B&H.
B: Ich hab dann gemerkt, das ist nicht meins. Das hat sich in Richtung entwickelt, die mir nicht nahe war. Es ging nur ums Geldverdienen.
G: "Wir sind dann zusammen auf Musikveranstaltungen gefahren. Mehr hatte ich damit nicht zu tun." Heute sagen Sie, dass sie an der Gründung von B&H beteiligt waren.
B: Ist das alles in der ersten Vernehmung, was dazu steht?
G: "Skizzieren Sie politischen Werdegang" Von B&H steht hier nichts. Von Gründungsmitglied les ich hier nichts. Deswegen ist man gezwungen, da nachzufragen. Es war immer sehr beschwerlich (er meint die Befragung der Zeugin), ich musste immer nachfragen.
B: Meinen Sie, dass das böswillig war von mir?
G: Warum haben Sie in erster Vernehmung von Ihnen als Gründungsmitglied von B&H nichts gesagt? Gabs da einen Grund?
B: Was ich mir jetzt vorstellen kann: Ich war ja völlig überfordert von der Situation. Dass das BKA mich vorgeladen hat. Da haben ja auch Ängste ne Rolle gespielt. Dass man im weiteren Sinne bestraft werden könnte, obwohl man nichts getan hat.
G: Wofür bestraft?
B: B&H ist ja mittlerweile verboten. Ich hatte Angst, in Konfrontation zu geraten mit verbotener Organisation.
G: Können Sie sich erinnern, dass Ihnen bei der Vernehmung Lichtbilder gezeigt wurden?
B: So ne Art Passfotos. Ein Foto war auf ner Party und da steht die Frau Zschäpe im Hintergrund, eine weibliche Person ist von der Seite zu sehen. BKA sagte, das sei ich.
G: Und waren Sie es?
B: Das war nicht zu erkennen.

(Tim Aßmann, BR)
Gezeigt wird nun Foto von Neonazi-Party. Zu sehen ist auch die Zeugin.
Götzl: Wer sind die anderen?
B: Also der eine könnte Steffen H. sein.
G: Sonstige Personen?
B: Nö.
Nun weiteres Bild vom gleichen Fest, auf dem im Hintergrund sie zu sehen ist und davor stehend und grinsend Uwe Mundlos (scheint der zu sein, den sie auf dem ersten Bild als Steffen erkannte) und vor dem steht wiederum eine Frau, die eine Kamera vor dem Gesicht hält und in die Richtung des Fotografen fotografiert. Die Zeugin erkennt sich selbst aber sonst niemanden.
G: Vorhalt aus Vernehmung der Zeugin durch das BKA: "Ich erkenne auf dem Foto mich und dazu noch die Aline" (es geht jetzt wieder um das erste Bild)
B: Ja, das kann sein. Aus Zwickau.
G: Wer ist Aline?
B: Aus Zwickau ist die. Die habe ich Jahre nicht gesehen. Vielleicht 96 das letzte Mal. Die Zeugin sagt nun, dass der Mann auf dem ersten Bild, den sie als Steffen erkannte und der auf dem zweiten (Mundlos) nicht identisch seien. Es sieht auf den Fotos aber sehr danach aus.

(Eckhart Querner, BR)
G: Können Sie die Bilder zeitlich einordnen?
B: Ich könnte mir vorstellen, dass das in Zwickau gewesen ist.
G: Erkennen Sie andere Person auf Foto? Sie haben vorhin einen Namen genannt!
B: Wen?
G: Den Steffen
B: Den Steffen?
G: Zu der Aline, was gäbs da noch zu sagen, von Ihrer Seite?
B: Nichts besonderes. Wir waren nicht befreundet, kannten uns gut, sind aber öfters zusammen ausgegangen

(Tim Aßmann, BR)
G: Vorhalt aus alter Vernehmung Böhm: Frage damals: "Kennen sie die E.s?" Antwort: "Kennen ist zu viel gesagt. Sind Zwillinge aus dem Erzgebirge. Kenne sie nur als die E.s."(Vorhin sagte sie, sie kenne André und Maik E. nicht)
G: Was sagen Sie dazu?
B: Da kann ich jetzt nichts zu sagen.
Wenn es so da drin steht.
G: Aber wie kann das sein? Jetzt schauen Sie mich ganz ungläubig an. Die Vernehmung liegt nicht lang zurück, war 2012. Wie kann das sein?
B: Das frag ich mich auch gerade.
G. Vorhalt: "Die zwei wollten mit meinem Ex-Mann einen Laden eröffnen. Es gab da Absprachen. Der Laden ist aber nie eröffnet worden. Beide waren auch eine Weile in Chemnitz. Ich weiß nicht mehr wie ich sie kennen gelernt habe." - Was sagen Sie dazu?
B: Scheiße
G: Wie soll ich das verstehen?
B: Ja, was soll ich sagen. Da steht natürlich meine Glaubwürdigkeit in Frage.

(Gelächter auf der Zuschauertribüne)
G: Gabs mal Pläne nen Laden in Aue zu eröffnen?
B: Den gabs. Jörg A. hat dort verkauft
G: André E.? Maik E.? Sagen Ihnen die Namen was?
B: Ich glaube, es ist egal, was ich jetzt sage.
G: Sie müssen wahrheitsgemäß berichten
B: Problem ist, dass ich total unglaubwürdig bin.

G: Mir geht's nicht darum, wie Sie Ihre Aussage interpretieren. Mir geht's um die E.s. Was sagen Sie dazu?
B: Da war was, aber das würden Sie mir nicht glauben.
G: Mich interessiert, ob Sie die beiden kennen.
B: Kennen tu ich die nicht, aber das mit dem Laden, das stimmt. Stimmt, dass sie den (ihren Ex-Mann) angesprochen haben.

(Eckhart Querner, BR)
G: Was stimmt?
B: Dass mein Ex-Mann mal gesagt hat, dass jemand nen Laden eröffnen will.
G: Erinnern Sie sich jetzt daran?
B: Mir ist das eingefallen, aber ich weiß, dass das unglaubwürdig ist.
G: Das ist nicht das Thema, was ich Ihnen abkaufe.
B: Das Problem bleibt ja trotzdem.
G: Was meinen Sie jetzt damit?
B: Dass egal ist, was ich jetzt sage. Dass ich total unglaubwürdig bin. Mir glaubt niemand.

(Tim Aßmann, BR)
G: Anderer Punkt. Können Sie zu Jörg W. noch was sagen?
B: Is aus Dresden und war auch bei "Blood & Honour". Haben uns bei Stammtischen getroffen und sind zusammen auf Veranstaltungen gewesen.

(Eckhart Querner, BR)
G: Hatte Herr W. Zugang zu Sprengstoff?
B: Nein.
G: Kennen Sie eigentlich Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S.?
B: Nein, nein, nein
Pause bis 15:00 Uhr

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 15.09 Uhr
Götzl: Mitbekommen, dass im Rahmen von "Blood & Honour" Spendensammlungen für andere stattfanden?
B: Nicht, dass ich wüsste.

Rechtsanwalt Kaiser (Verteidigung André E.): Habe den Eindruck, dass die Zeugin ziemlich verunsichert und sich der Tragweite ihrer Aussage nicht bewusst ist. Ich würde es für angemessen halten, wenn sie Zeugenbeistand bekäme.
Zeugin muss nun raus

Götzl zu Kaiser: Bitte begründen
Kaiser: Als sie vor der Pause sinnierte, ob sie denn überhaupt was Glaubwürdiges sagen könnte…Sie kann das aus meiner Sicht nicht richtig einschätzen, worum es hier geht. Könnte sein, dass ein Zeugenbeistand helfen würde und die Aussage dadurch flüssiger wird.
Bundesanwalt Diemer: Finde, dass wir keinen Zeugenbeistand brauchen, aber vielleicht sollten wir ihr nochmal klar machen, dass das, was sie heute sagt, stimmen muss.
Rechtsanwalt Stahl (Verteidigung Zschäpe): Problem für die Zeugin könnte darin bestehen, dass sie sich möglicherweise in Gefahr bringt, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könnte, weil sie in vorherigen Vernehmungen anderes sagte. Unter dem Aspekt würde ich sagen ja (zum Zeugenbeistand)
Rechtsanwalt Martinek (Nebenklage Martin A.): Wenn dem so wäre, gäbe es hier keinen einzigen Zeugen, der keinen Zeugenbeistand braucht.
Kurze Pause

Weiter um 15.32 Uhr
(Zwischeninfo: Als Götzl Zeugin fragte, ob sie André E. kenne, schaute sie zu E. und der schüttelte den Kopf. Zuvor hatten sich beide auch in der Mittagspause miteinander unterhalten)

Götzl: Zeugenbeistand setzt vorliegen besonderer Umstände voraus. Dass der Zeuge ruhiger ist, wenn jemand neben ihm sitzt, ist damit sicher nicht gemeint, Rechtsanwalt Kaiser. Dass ansonsten die Zeugin ihre Befugnisse nicht selber wahrnehmen könnte, seh ich jetzt nicht so.
Anderer Punkt: Zeugin ist schon sehr lange unterwegs. Ist wahrscheinlich sinnvoll für heute Schluss zu machen und sie für den 10.12. nochmal zu laden.
Rechtsanwalt Heer (Verteidigung Zschäpe): Möchte einen Satz der Zeugin in Erinnerung rufen: "Ich komme da nicht mehr raus."
Das macht es plastisch. Wäre für Wahrheitsfindung förderlich, wenn sie einen Zeugenbeistand bekommt.
Zeugin Antje B. kommt wieder rein

Götzl: Werden Einvernahme unterbrechen, müssen am 10.12. um 9.30 Uhr nochmal kommen.

Wenig später ist Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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