175. Verhandlungstag, 20.01.2015 "Wie ein zweiter Anschlag"
Heute sagten erstmals Betroffene des Kölner Nagelbombenattentats vom Juni 2004 aus. Die Ermittlungen der Polizei hätten sich aber nicht gegen rechte Terroristen, sondern gegen sie selbst und ihr Umfeld gerichtet, schilderten die Zeugen. Einige Opfer hatten das Verhalten der Behörden schon früher als zweiten Anschlag bezeichnet.
20. Januar
Dienstag, 20. Januar 2015
Sandro D. und Melih K. waren gemeinsam in der Kölner Keupstraße unterwegs, als die Nagelbombe in unmittelbarer Nähe explodierte. Die Haare von K. fingen durch die Stichflamme Feuer, Glassplitter durchbohrten sein Gesicht, insgesamt neun Nägel steckten in seinem Körper. Auch D. erlitt durch die Explosion schwerste Verletzungen.
Nach dem Anschlag war ihm der Kontakt zu seinem Bekannten Sandro aber untersagt, meint Melih K. vor Gericht: "Ich wusste nicht, was mit ihm ist, weil wir beide Verdächtige waren."
Opfern wurde nicht geglaubt
Am Abend, der heutige Prozesstag ist längst beendet, marschieren mehrere hundert Menschen vom Münchner Oberlandesgericht in die Innenstadt. Die Initiative "Keupstraße ist überall" hatte zur Solidarität mit den Opfern des Nagelbombenattentats von Köln aufgerufen. Unter den Demonstranten auch einige der 22 Betroffenen, die beim schwersten den NSU-Terroristen zugerechneten Sprengstoffschlag verletzt worden waren. Arit Sardic schildert was er am 9. Juni 2004 erlebte:
NSU-Protokolle
"In dem Moment wo die Bombe explodierte bin ich zu Boden gerissen worden. Ich habe sofort gewusst, das können nur Neonazis gewesen sein, das habe ich immer wiederholt."
Arit Sardic
Geglaubt hat es ihm niemand.
Erst 2011 wurden aus Tätern langsam Opfer
"Ich war 7,5 Jahre Täter", sagt uns auch Abdullah Ö. "Erst 2011 wurde ich als Opfer anerkannt". Erst ab 2011gingen die Behörden davon aus, dass hinter dem Nagelbombenattentat rechte Terroristen stecken. Abdullah Ö. wird zwar erst morgen aussagen, hat aber schon den gesamten heutigen Verhandlungstag verfolgt. Er und viele andere hoffen, dass die Täter eine gerechte Strafe bekommen. Wichtig ist den Opfern aber auch, dass die Ermittlungspannen und die Verdächtigungen zur Sprache kommen, mit denen sie jahrelang leben mussten.