NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 181. Verhandlungstag, 3.2.2015
Am 181. Verhandlungstag sagt der Zeuge Enrico R. aus Chemnitz zu Treffen mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und dem Mitangeklagten Ralf Wohlleben aus. Es geht um den Zugang der rechtsextremen Gruppe zu Waffen.
Der Zeuge erklärt, dass nachdem das NSU-Trio in den Untergrund gegangen sei, die rechtsextreme Szene in Chemnitz anfangs über den Aufenthaltsort der mutmaßlichen Terroristen Bescheid wusste. Dann wird ein weiterer ehemaliger Neonazi zu Enrico R. und dessen Beziehung zum NSU-Trio befragt. Beide Zeugen gehörten zur Jahrtausendwende in Chemnitz zu einer Gruppe rechtsradikaler Skinheads, genannt die "88er". Diese waren auch mit dem Neonazi-Netzwerk "Blood & Honour" verbunden.
Zeugen:
- Enrico R., Maschinenbaumechaniker
- Robin H., Angestellter im Hausmeisterservice
ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal
(Holger, Schmidt, SWR, Tim Aßmann, BR)
Zuschauertribüne ungefähr dreiviertel voll.
Beginn 9:57 Uhr
Auch aus der Familie des Mordopfers Kubasik ist jemand im Saal anwesend.
Es kommt der Zeuge Enrico R., 45 Jahre alt, Maschinenbaumechaniker.
Götzl: Geht es uns um Kontakte zu Zschäpe, Wohlleben, Bezügen zu Chemnitz, eventuell auch das Thema Waffen.
R: 1992, 93, 94 Böhnhardt, Zschäpe, Mundlos kennengelernt, ganz normal durch Partys. Rest der Angeklagten flüchtig kennengelernt, weiß nicht mehr wo. Das war's dann schon (lacht).
Kenne Frau Zschäpe am längsten, hatten freundschaftliches Verhältnis, Partys gefeiert, Freizeit verbracht, ohne große Hintergründe, wir waren ja noch jung. Zum Rest der Angeklagten keinen großen Kontakt.
G: Von wem sprechen Sie jetzt?
R: Von allen außer Frau Zschäpe.
G: Wie ist es mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos?
R: Mundlos kenne ich so lange, wie Frau Zschäpe, für den gilt eigentlich das gleiche. Zeit miteinander verbracht. Und Uwe Böhnhardt, der ist mir nur kurz im Bewusstsein, der ist mir nicht so aufgefallen, Ende der 1990er Jahre zweimal gesehen, kann sein, dass er auch mal in Chemnitz war, kann sein, kann ich nicht so genau sagen.
G: Wo wohnten Sie damals?
R: Chemnitz
G: Wohlleben auch dabei?
R: Kann sein, möglich. Aber dass wir engen Kontakt hatten, kann ich ausschließen.
G:Herr S. (der Angeklagte Carsten S.)? Kannten Sie den?
R: Wenn, dann ist es zu lange her. Will mich nicht festlegen.
G: Herr G. (der Angeklagte Holger G.)?
R: Wenn, dann nicht engerer Kreis, kann es nicht sicher sagen, ist auch eine Zeit her und wir haben uns alle ziemlich verändert.
G: André E., sagt ihnen Person / Name was?
R: Nee, nicht wirklich.
G: Freundschaftlicher Kontakt zu Zschäpe, Mundlos, wie lange dauerte er an?
R: Ein oder zwei Jahre bis 1994.
G: Danach? Kein Kontakt mehr?
R: Nein, erstmal nicht.
G: Gab nochmal Kontakt?
R: Ja, kurz.
G: Was heißt kurz?
R: 1-2 Mal.
G: Erzählen sie
R: In der Wohnung eines Freundes, so 1998, haben geredet, hatten uns ja lange nicht gesehen.
G: Worüber geredet?
R: Gab ja von meiner Seite aus nicht viel zu erzählen, war ja drei Jahre in Haft.
G: Wo (das Treffen war)?
R: Ich glaube, bei Herrn F.?
G: Welcher F. (gemeint sind die Zwillinge Armin F. und Gunter F. – Szenespitzname "die Geklonten")?
R: Sind Brüder!
G: Adresse?
R: Weiß nicht mehr, müssten Sie ja wissen.
G: Sie waren da und wissen es nicht, aber ich, der ich nie da war soll es wissen?
R: Aus Recherchen! Ich glaube Bruno-Granz-Straße (Zuschauer verstehen teilweise "Bruno-Ganz-Straße". Tatsächlich gibt es aber in Chemnitz eine Bruno-Granz-Straße)
R: War jetzt nicht der große, erregende Moment in meinem Leben Fr. Zschäpe und Hr. Mundlos nach Jahren wieder zu treffen. Man sagt sich „Hallo“, kann mich nicht mehr erinnern, was besprochen wurde.
G: War mal die Rede davon, dass sie abgetaucht wären?
R: Hab ich erst im Nachhinein mitbekommen.
G: Was?
R: Dass sie aus Jena weg mussten - wegen irgendeiner Attrappe. Das ist Hörensagen. Mir hat es von denen keiner erzählt.
G: Wann haben sie das gehört?
R: Ein paar Wochen später
G: Vom wem?
R: kann ich nicht mehr genau sagen.
R: Jeder hat irgendwas erzählt und was genau war, hat eigentlich keiner gewusst. Ich zumindest nicht.
G: War von Grund (für Abtauchen) die Rede?
R: Irgendwer hat was von einer Bombenattrappe erzählt.
G: Später nochmal was erfahren?
R: Irgendwann hieß es, die wären weg. Ausgewandert.
G: Mit F. mal darüber unterhalten?
R: Nee also nicht, dass ich jetzt wüsste. Das war nicht so, dass es permanentes Thema war. Naja dann waren sie halt weg. Ich sag es mal so. Man hat sich halt drüber unterhalten, aber… (beendet Satz nicht)
G: Informationen ob sich Personen aus Chemnitz um diese Drei gekümmert haben?
R: Weiß man aus der Presse. Habe ich alles im Nachhinein erfahren.
R: Herr St. (Thomas St.) hat soweit ich weiß die Sache angekurbelt, dass die abgeholt werden und so, der Herr F. war neu in der Szene und relativ leicht einzuspannen.
G: Vorhalt: haben sich nach dem Abtauchen relativ leicht in der Szene bewegt?
R: Ja. Das war so. Man hat sich im Nachhinein lustig darüber gemacht, dass sie ja relativ lange in Chemnitz waren, ohne dass es jemand mitbekommen hat. Vorher hat das ja keiner mitbekommen. Wenn das so war, dass sie sich so lange in Chemnitz bewegt haben, hat man geschmunzelt. Man hat es ja von der Presse brühwarm vor die Nase gesetzt bekommen. Wenn es denn so war.
G: Haben sie sich auch in der Szene bewegt?
R: Nicht mehr in dem Maße wie früher.
G: Also bitte.
R: Naja ne Szene ändert sich. Man wird älter. Ich weiß nicht wie sie sich das vorstellen. Das wir in der Szene nen ganzen Tag auf ner Parkbank sitzen? Sie fragen: Waren sie in der Szene? Selbstverständlich weil der Freundeskreis ist derselbe, aber natürlich nicht mehr so häufig wie Anfang der 90er. Szene klingt als wenn wir permanent miteinander rumhängen. So ist es aber nicht.
G: Was können sie zu St. sagen?
R: War nicht gerade mein Freund. Wir hatten unsere Differenzen - auch in der Haft. Waren zusammen in Haft. Kenne St. schon aus DDR-Zeiten. Hatte nach Haft nur noch sporadischen Kontakt mit dem Herrn St.. Wenn wir uns getroffen haben, war es eher Zufall.
G: Was war Grund?
R: St.s allgemeines Wesen. Sind halt nicht miteinander klar gekommen.
G: Jan W.?
R: Mit dem hab ich nicht wirklich viel zu tun gehabt. Der hat Geld gemacht mit seinen CDs. St. hätte seine Mutter verkauft für Geld. Das ist nicht so mein Menschenschlag, habe ihm das auch gesagt und damit war das Thema eigentlich durch.
G: Vorhalt: St. vermittelte bei Jungglatzen Schlafplätze für die Drei.
R: Das habe ich so gehört, aber erst sehr, sehr spät danach. Wo das Thema aufkam (gemeint ist nach dem Auffliegen).
G: Von wem gehört?
R: Weiß ich nicht mehr. Ist nicht so, dass irgendeiner zu mir kommt und sagt… So ist das nicht. Sie haben da ein völlig falsches Bild davon. Das Thema war die ganzen Jahre tabu. Mit welcher Begründung hätten wir auch drüber reden sollen. Die waren weg.
G: Vorhalt: Die waren die ganze Zeit in der Szene in Chemnitz unterwegs.
R: Ja
G: und dann erst kommt: im Nachhinein: Vorhalt: Dann habe ich erfahren, dass sie bei „White Power Mandy“ (Spitzname von Mandy St.)waren.
R: Ja
G: Kannten sie denn "White Power Mandy"?
R: Ja
G: Wie gut?
R: War nen paar Mal mit. Man kennt so viel Leute. Sie doch bestimmt auch. Man misst doch nicht jedem ne Riesenbedeutung bei. Hat keine große Rolle für mich gespielt.
G: Vielleicht klären wir mal, wer für sie ne große Rolle spielt.
R: Haben mit der Sache nichts zu tun.
G: Wer hat damals für sie große Rolle gespielt als sie in der Szene waren.
R: Damals der Herr Sch. (Torsten Sch.) und nach der Haftentlassung der Herr G., Rocco.
G: Vorhalt zu F.s: Ich denke, die hatten in ähnlicher Weise Kontakt wie ich. Würde sie zur Kategorie Jungglatzen zählen. Denke sie wurden angesprochen, aber worum es genau ging kann ich nicht sagen.
R: Ja. Kann ich so bestätigen.
G: Bei Gunter F. die drei Personen angetroffen?
R: Ja. Das muss aber nicht bedeuten, dass die mehr Kontakt hatten als ich.
G: Was können sie mir über die Situation von Frau Zschäpe damals (93,94) sagen?
R: Eher zurückhaltend in Erinnerung.
G: Mundlos?
R: Mundlos war auch nicht der Krawallmacher. Haben halt nen bisschen miteinander getrunken und gefeiert. Finde sowieso, dass alle beide nicht so Leute waren, die in den Vordergrund getreten sind.
G: Wie war Verhältnis Zschäpe und Mundlos untereinander?
R: Freundschaftlich. Dass sie ein Paar waren, hat man nicht so gesehen. Zumindest haben sie es nicht raushängen lassen.
G: Wo getroffen?
R: Unterschiedlich. Wohnungen. Auch mal bei mir. Vielleicht auch mal an nem See. Kann nicht mehr genau sagen, wo sie überall dabei waren. Dass sie mit bei mir waren, weiß ich, aber da sehe ich auch nichts Verwerfliches dran.
G: Warum diese Formulierung?
R: Weil das manchmal so rüberkommt. Ich sag was ich weiß und dabei bleibt es dann.
G: Wer war da so dabei bei den Besuchen in der Wohnung bei ihnen?
R: Jaaaa. Viele.
G: Wer genau?
R: Auch Auswärtige
G: Beim Treffen in Wohnung F. Noch weitere dabei?
R: Ich glaub nicht
G: Sagen Ihnen die "88er" was?
R: Ja. War mehr oder weniger so ein Spaßname für die Skinheadszene in Chemnitz.
G: Von welcher Zeit sprechen Sie da?
R: vor 94
G: Gehörten Sie auch dazu?
R: Ich denk schon.
G: Vorhalt: Wochenende mit Zschäpe und anderen an Badeweiher in Neukirchen.
R: Ja. War vor 94.
G: Weitere aus Jena dabei?
R: Ja. Könnte auch sein, dass Böhnhardt mit dabei war.
G: Wer noch?
R: Weiß nicht. Weiß dass ein großer Hund dabei war.
Pause bis 11:30 Uhr
(Tim Aßmann, BR, Ayca Tolun, WDR)
Weiter um 11:36 Uhr
Götzl: Zu Wohlleben. Spitznamen oder Ähnliches?
R: Wohlleben mir erst bekannt durch die Medien.
G: Vorhalt: Das ist einer von den Thüringern. Der wurde immer "Wolle" genannt.
R: Ja. Aber ich kannte ihn nicht persönlich.
G: H.?
R: Ja. War unser Fahrer. Glaube Robby hieß der. Aber seit 94 nicht mehr gesehen.
G: Geht uns auch noch um das Thema Waffen. Da belehre ich sie. Sobald Gefahr besteht dass Sie sich selber belasten könnten, haben Sie das Recht die Aussage zu verweigern. Mich interessiert die Zeit länger zurück liegend als fünf Jahre.
Heer bemängelt, die Belehrung sei nicht vollständig und bislang falsch gewesen.
Nun entsteht Disput zwischen Heer und Götzl und darüber wer wann wen anschaut.
Götzl belehrt nun erneut - auch dass Recht auf Aussageverweigerung besteht wenn Möglichkeit der Strafverfolgung bestehen könnte.
Götzl: Geht uns darum ob sie Kontakt zu Waffen hatten im Zusammenhang mit Herrn H.
R: Auch wenn es schon über 20 Jahre her ist: Ich persönlich habe keine gesetzwidrige scharfe Waffe besessen und ob der Herr H. eine hatte, kann ich ihnen nicht sagen.
G: Mal dabei als Waffe verwendet wurde?
R: Keine scharfe. Gas- oder Platzpatronen schon.
G: Situation schildern.
R: War ja nach der Wende auch mal interessant für uns. In der DDR kannten wir sowas ja nicht. Gaspistole gekauft und nen bisschen rumgeschossen, auf dem Balkon oder so. Ich persönlich hab Ding nicht mit rum geschleppt.
G: Wer hatte eine?
R: Etliche Leute. Ich hatte eine.
G: Vorhalt Aussage von Robby H. aus 2012: Wer hatte Waffen?: Antwort: Rico R. (der Zeuge) hatte eine.
R: Ja ich hatte eine. Hab ich doch gesagt. So ne kleine 6 mm. Platzpatronen.
G: Vorhalt: Haben Schießübungen gemacht. Daher kann ich sagen, dass sie auch scharf war.
R: Da hat er glatt die Unwahrheit gesagt. Ne Luftdruckpistole hatten wir noch. Vielleicht hat er die gemeint. Ich hab nie ne scharfe Waffe besessen.
G: Warum sollte Hampel Unwahrheit sagen?
R: Weiß ich nicht. Normalerweise gibt's keinen Grund.
R: Chemnitz war ne Stadt mit einer großen russischen Garnison und nur vierzig Kilometer von der tschechischen Grenze weg. Wer scharfe Waffe wollte, hätte sich ohne Probleme eine besorgen können. Das war allgemein bekannt.
G: Informationen darüber ob aus ihrem Bekanntenkreis jemand ne Waffe erworben hat?
R: Nein. Wir waren keine Waisenknaben, aber mit scharfen Waffen haben wir nichts zu tun gehabt.
G: Nochmal zu E. (André E.). Sie haben gesagt sie kennen ihn nicht.
R: Nur flüchtig.
G: Heute? Vor der Verhandlung?
R: Ja. Bin mit einem Bekannten hier und der kennt ihn.
G: Haben ihm doch die Hand gegeben?
R: Ja.
G: Holger G. auch gesehen?
R: Was soll ich machen, wenn ich komme und er steht da. Soll ich weggucken?
Rechtsanwalt Klemke (Verteidigung Wohlleben): Drei- oder viermal von Polizei vernommen.
R: Ja. Letztes Mal war im September letzten Jahres in Chemnitz.
K: Sprachen davon, die Drei seien weg. Konkretes Ziel genannt worden?
R: Südafrika
Rechtsanwältin Schneiders (Verteidigung Wohlleben) will nun genau wissen, was der Zeuge von Gunter F. über die Drei erfuhr. Der Zeuge gibt an, dass nix Besonderes erzählt worden sei und er sich nicht mehr genau erinnere.
Schneiders: Sie eiern hier rum. Sie reden viel, aber sie sagen wenig.
R: Ich sage Ihnen, was ich weiß.
Auch mit Thomas R. hat sich der Zeuge über die Sache unterhalten, auch über dessen Zeugenaussage in diesem Prozess.
R: Wir sind nicht näher drauf eingegangen. Ich sehe, dass Sie ungläubig schauen aber es ist so.
S: Ihr Verhältnis zu Michael P. (Chemnitz, damals Ehemann von Antje P. und Besitzer des Szeneladens in dem V-Mann "Piatto" arbeitete)?
R: Kurz und schmerzlos.
S: Verstehe ich nicht.
R: Haben uns nach meiner Haft geprügelt.
S: Was war der Grund?
R: Ein großer Mund.
S: Von wem?
R: Vom Herrn P.
Zschäpe hört seit einiger Zeit gespannt dem Zeugen zu. Sie hat ihren PC zugeklappt, sich zum Zeugen hin gedreht und schaut ihn auch durchgehend und teilweise durchdringend an.
S: In der Haft unterstützt worden?
R: Nicht in größerem Maße. Ab und zu mal nen Paket von ner Freundin bekommen, mit hundert Mark oder so.
S: Von der HNG (Hilfsgemeinschaft Nationale Gefangene) unterstützt?
R: Stand bei denen auf der Liste, habe aber nichts bekommen.
Klemke: Militante Aktionen damals?
R: Nein. Man hat sich mal mit Autonomen geprügelt, aber das hatte nix mit nem politischen Hintergrund zu tun. Das war halt so damals.
K: Wie oft?
R: Ein, zweimal im Jahr.
Mittagspause bis 13:30 Uhr
(Ayca Tolun, WDR)
Nach der Pause um 13:30 Uhr
Zeuge Enrico R. wird für heute entlassen aber erneut geladen.
Es geht weiter mit dem Zeugen Robby H. , 40 Jahre alt, Angestellter im Hausmeisterservice seiner Lebensgefährtin.
Zeuge wird befragt zum Thema Enrico R. und Waffenerwerb, Erkenntnisse zu Ralf Wohlleben.
G: Kennen sie Wohlleben?
RH: Nein
G: 90er Jahre was wissen sie?
RH: lange her, erinnere mich nicht mehr
G: 90er sind nicht so lange her
RH: an paar Partys, an die erinnere mich, aber an mehr auch nicht. Kannte damals Thomas St. - seit ich 12 war. Durch ihn bin ich in die Skinheadszene gekommen. 93 bin ich ausgestiegen.
G: St., welche Rolle spielte er in der Szene?
RH: war Hooligan, Skinhead, Fußballer mehr nicht.
G: waren die Skinheads damals in Chemnitz organisiert?
RH: weiß ich nicht mehr
G: sagt ihnen "88er" etwas?
RH : Ja, war damals Skinhead war viel unterwegs . Kannte Enrico R., Lars U., K., F., Thomas St., Andy B. Waren alles gute Freunde.
G: Was wussten sie zu "88ern"?
RH: Hab es gehört, wusste jeder 88= Heil Hitler (achter Buchstabe des Alphabets: H). Alles andere weiß ich nicht, war nach meinem Ausstieg.
G: "Blood& Honour"?
RH: hat wohl Thomas St. gegründet, hatte nichts damit zu tun.
Zschäpe hört wieder (an)gespannt zu und guckt auch zu
RH: "Blood & Honour" war nach meiner Zeit hab in der Zeitung davon gelesen
G: die Namen, die sie genannt haben, was können sie über die Leute sagen?
RH: privat in Discos getroffen
G: Antje B. (ehemals Antje P.)?
RH : War eine gute Freundin
G: Welche Rolle haben sie in der rechten Szene gespielt?
RH: Keine? Weiß ich nicht. Hab mir nix vorzuwerfen.
G: Vorhalt BKA Vernehmung , liest vor: "ca. 90 haben wir die rechte Szene angefangen zu vereinen"?
RH: Kann mich nicht daran erinnern. Hab damals gesoffen wie ein Loch, keine Ahnung.
G: Sie wurden vor drei Jahren vernommen (2012). Aussage damals: fest in der rechten Szene & auch aktiv, war an der Musik interessiert, viel auf Konzerten, bei Veranstaltungen auch von der NPD.
RH: war damals jung und dumm. Hatten so ein Fabrikgebäude, so ein Jugendzentrum. Linke hatten ja auch so was. Ich war der Erste, der dafür gesorgt hat, dass die Rechten alle zusammen und in der großen Gruppe zu den Konzerten fuhren, davor wurde einzeln gefahren.
G: Welche Rolle spielte R. (Enrico R., der Zeuge von vorhin)?
RH: War ein guter Freund von St. Sind gut miteinander ausgekommen. War aber bekannt als Schläger.
G: Hatte R. Waffe?
RH: wahrscheinlich ja.
G: haben sie mit R. zusammen geschossen?
RH: weiß nicht
RH: (erzählt Ladung für heute erst gestern bekommen, konnte sich nicht vorbereiten)
Götzl bietet an, dass er morgen weiter machen kann oder in einer Stunde.
G: Hatten sie selbst eine Waffe?
RH: ja, Walther PPK = Schreckschusswaffe.
G: woher ?
RH: aus dem Waffenladen in Chemnitz
G: wie lange Kontakt zu St.?
RH: bis 93, 94, bei der Verhandlung (vor Gericht)? Verurteilt (der Zeuge) wegen schwerem Landfriedensbruch, 1994 vier Monate in U-Haft, mit 3 Jahren Bewährung.
Götzl macht jetzt doch weiter mit Befragung.
RH: Hintergrund (für Verurteilung) war eine Bundeswehrveranstaltung, wir randalierten, wurden wegen Sachbeschädigung, Landfriedensbruch belangt. Habe gegen St. ausgesagt , gesagt er wäre Rädelsführer gewesen.
G: hatten sie eine Kalaschnikow und Granaten? Wann?
RH : ja , ca. 1992. Damals sind die Russen aus Chemnitz abgezogen. Hab mir damals für 100 DM eine Kalaschnikow und eine Kiste Handgranaten gekauft. Später alles im Steinbruch versenkt.
G: Hat St. Sie vor kurzem kontaktiert? Oder damals?
RH: Nein
G: Angst vor Rache von Starke wegen damaliger Belastung vor Gericht?
RH: Ja . Gab keine Anzeichen, aber es kamen Leute zu den Eltern und fragten.
G: Vorhalt aus dem Vernehmungsprotokoll; hatte vor St. keine Angst weil immer Waffe dabei.
RH: Stimmt, war eine scharfe Waffe.
G: woher?
RH: Weiß ich nicht mehr, aus Dänemark eventuell.
G: Wo in Dänemark?
RH : Glaube aus Dänemark. Da hat so ein Typ gewohnt, kannte ihn über Bekannten, der hat sie mir gekauft. Weiß nicht mehr wer, nur Vorname: Stefan. Hatte noch ne Schrotflinte, wurde 98 dafür verurteilt. Keine weitere Waffen.
G: Schrotflinte und 9 mm-Pistole?
RH: Ja
G: 9 mm Walther?
RH : eher eine andere, Schrotflinte wurde abgenommen.
G: wie sind sie an die Waffe gekommen?
RH: hatte Saufkumpane, sind nach Flensburg, sagte, „brauch ne Wumme“, sind dann nach Dänemark gefahren zu seinem Kumpel
G: kontakt zu den Kumpels und/oder Enrico R.?
RH: Kein Kontakt zu keinem einzigen der Leute seit Februar 94, nach Verurteilung .
G: Wen kannten sie noch?
RH: Sch. (Torsten Sch.) und R. (Enrico R.), nur Bekannte aber.
G: Sind in der Vernehmung Bilder gezeigt worden?
RH: ja , viele Bilder
G: Schießübungen damals?
RH: ja , aber Sch. nicht, der musste Hund betreuen.
G: wie gut waren sie im Schießen.
RH : damals nicht gut.
G: Worum ging es ihnen bei all den Waffen, wofür sollten die sein?
RH: Zum Schutz, weiß nicht, vor den Ausländern.
G: welche Ausländer?
RH: Alle. Wir waren ja damals alle ausländerfeindlich.
G: Welche Ausländer kannten Sie?
RH: Gar keine, deshalb war es ja ne Dummheit damals. Schrotflinte war zum Schutz vor Rechten wegen meiner Aussage, andere als Schutz vor Ausländern. War im Zeugenschutzprogramm wegen der Aussage zu den Rechten.
G: Beschreiben sie R.!
RH: Mit dem sollte man sich nicht anlegen. Man bekommt ne Kopfnuss. Konnte lieb sein, aber auch ein Arsch. Es hieß er kann gewalttätig werden.
G: hatte St. Waffen?
RH: Baseballschläger, sonst keine Ahnung
G: Kennen sie die Angeklagten?
RH: Nein. BKA zeigte Bilder bei der Vernehmung. Hab niemanden erkannt.
G: Jan W.?
RH: vielleicht wenn sie mir Bilder zeigen.
G: Sie stiegen 93 aus?
RH: Bin ausgestiegen, 4 Monate später nach der Festnahme wegen Landfriedensbruch.
G: Kannten sie Michael P.?
RH: Name sagt mir was ? Jetzt fällt es mir wieder ein - Freund von Antje Böhm, EX-Sänger von "Kreuzfeuer".
Pause bis 14.55 Uhr.
(Ayca Tolun, WDR)
Weiter ab 15.15 Uhr
Rechtsanwalt Scharmer (Nebenklage Kubasik) fragt den Zeugen, wer damals noch angeklagt war.
RH: weiß nicht mehr, waren aber elf Angeklagte.
Scharmer : die Kalaschnikow und Kiste/Badewanne voll Handgranaten war nur gegen Ausländer?
RH: ja , der Russki sagte, bekommst alles für 100 DM, hab also alles gekauft.
Rechtsanwalt Kuhn (Nebenklage Keupstr.): Haben sie ein Asylbewerberheim angegriffen?
RH : ja, haben uns versammelt, sind hingefahren aber Polizei kam schon, dann Straßenschlacht, dann war ich weg.
Kuhn: Wer war noch dabei?
Rechtsanwalt Stahl (Verteidigung Zschäpe) beanstandet Relevanz, Zeuge wird rausgeschickt. Richter beanstandet Relevanz ebenso.
Rechtsanwalt Reinecke (Nebenklage Keupstr.): Zeuge wurde von Verteidigung Wohlleben geladen, die eine strenge Trennung zwischen NPD & „Blood & Honour“ behauptet, deshalb Frage relevant. Gericht will Relevanz beraten.
Pause bis 15:25 Uhr
(Ayca Tolun, WDR)
Weiter um 15:45 Uhr.
Gericht entscheidet, dass die Frage relevant ist. Der Zeuge wird erneut aufgerufen.
Kuhn: Bei Angriff auf Asylbewerber - Starke dabei?
RH: Ja
Zschäpes Interesse lässt nach. Hat nun Laptop zugeklappt. Schaut viel herum auch länger zur Pressetribüne.
Rechtsanwalt Narin (Nebenklage Boulgarides): War Mundlos bei Angriff auf Asylbewerberheim dabei?
RH: Nein
Narin: Vorhalt: St. soll das behauptet haben.
RH: Erinnere mich nicht.
Nebenklage: Waren sie auf einer Geburtstagsfeier in Heilbronn?
RH : Ja, mit Freunden, 3, 4 oder 5 Autos. Wer dabei war? Keine Ahnung.
Zeuge wird kurz darauf entlassen. Schluss.
Hinweis
Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.