NSU-Prozess


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193. Verhandlungstag, 18.03.2015 Mit Tränen in den Augen

Im NSU-Prozess ist Carsten S. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Der rechtsextremen Szene hätte er sich auch wegen wegen seiner unterdrückten Homosexualität angeschlossen, sagte ein psychiatrischer Gutachter.

Stand: 18.03.2015 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

18 März

Mittwoch, 18. März 2015

Das Gutachten von Professor Norbert Leygraf soll dem Gericht bei der Beurteilung helfen, ob bei Carsten S. Jugendstrafrecht angewendet werden muss. Leygraf hatte den Angeklagten im Jahre 2012 an drei Tagen befragt. Nach seinen Angaben litt S. unter einem ordnungsliebenden Vater und der ängstliche Mutter. In der Realschule sei er als „Mädchen“ gemoppt worden, in einer anschließenden Konditorlehre zu langsam gewesen.

Unterdrückte Homosexualität

Carsten S. hätte schon früh homosexuelle Neigungen bei sich festgestellt, diese aber als Makel wahrgenommen und gehofft, dass sie wieder verschwinden, sagte Leygraf. Der Familie konnte er sich nicht offenbaren, vor allem wegen seines Vaters. S. behauptet, dass seine Hinwendung zur rechtsradikalen Szene in Jena aus Protest gegen seinen Eltern geschehen sei. Die nicht eingestandene Homosexualität könnte dabei aber auch eine Rolle gespielt haben, sagte Leygraf heute vor Gericht. Das „betonte Männlichkeitsideal“ der Rechtsradikalen habe Carsten S. womöglich angezogen. Als er über seine erste Begegnung mit dem mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt gesprochen habe, da seien S. „fast die Tränen in die Augen gekommen“. 

Coming Out mit 20 Jahren

Im Alter von 20 Jahren hätte Carsten S. seine Homosexualität akzeptiert und sich von der rechten Szene distanziert, so Leygraf. S. habe dann auch einen Freund gehabt, das Fachabitur gemacht und später studiert. Laut Anklageschrift hat er die Ceska-Pistole mitbesorgt, mit der die NSU-Terroristen neun  Menschen umgebracht haben sollen. Er steht deshalb wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht. Carsten S. ist als einziger Angeklagter voll geständig und könnte nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Ob der heute 35-jährige im Tatzeitraum noch unreif war, konnte der Gutachter allerdings nicht eindeutig feststellen. Eine solche Beurteilung sei nach 15 Jahren nicht mehr möglich, sagte Norbert Leygraf. Carsten S. könnte einerseits gereift, andererseits aber  noch erhebliches Entwicklungspotential gehabt haben.


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