NSU-Prozess: 208. Verhandlungstag Raubüberfälle und Zschäpes Gesundheitszustand
Es geht um zwei bewaffnete Überfälle in Chemnitz Anfang der 2000er Jahre - doch das spannendste Detail erwähnt der Richter erst zum Schluss. Es betrifft den Zustand der Hauptangeklagten Beate Zschäpe.
"Es war kurz vor der Mittagspause, da gab es plötzlich einen lauten Knall und zwei Maskierte sprangen über den Tresen und die Plexiglasscheibe."
Zeugin: Angestellte einer Chemnitzer Postfiliale, die am 30.3.2000 überfallen worden ist
Ende November 2000 gab es einen Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz, die beiden mutmaßlichen Täter: Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Knapp 40.000 D-Mark haben die Räuber damals erbeutet.
"Es waren Männer aber ansonsten konnte ich nichts erkennen"
Zeugin: Angestellte einer Chemnitzer Postfiliale, die am 30.3.2000 überfallen worden ist
Die Täter gingen äußerst gezielt vor und bedrohten die Angestellten mit einer Pistole. Ob es sich dabei um die Ceska und vermeintliche Mordwaffe des NSU handelt, konnten die beiden Frauen, die zum Tatzeitpunkt in der Filiale gearbeitet haben, nicht mehr sagen.
Mehrere Ziele im Blick und der Fluchtweg genau geplant
Vor Gericht wurden heute Stadtpläne von Chemnitz und Umgebung gezeigt, die man beim NSU Trio gefunden hatte. Ein Chemnitzer Kriminalbeamter erläuterte, was zu sehen war: mehrere Markierungen mit Textmarker und einem schwarzen Filzstift.
"Bei vielen dieser Punkte ist nichts relevantes, also keine Bank oder ähnliches dabei. Da kann ich mir nicht erklären, warum diese Markierungen gemacht wurden"
Zeuge: ein Chemnitzer Kriminalbeamter
Sind die Punkte mögliche Ziele, die ausgespäht wurden? Die tatsächlich überfallene Sparkasse sei ebenso markiert, wie eine weitere Sparkasse, die später überfallen wurde, so der Zeuge. Allerdings seien auch Kreuze in reinen Wohngebieten gemacht worden - außerdem eine Markierung, die den Fluchtweg der Täter zeige.
Wie geht es Beate Zschäpe?
Film- und Fotoaufnahmen vor Prozessbeginn waren heute gestattet - das Gericht hatte aus Rücksicht vor der Angeklagten das Filmen auf zwei Verhandlungstage im Monat beschränkt. Beate Zschäpe sind diese Frontalaufnahmen offenbar sehr unangenehm.
Der Vorsitzende Richter Götzl wollte die Sitzung für heute eigentlich schon beenden, dann verkündete er aber noch, dass es im Juni weiterhin nur zwei Verhandlungstage pro Woche geben werde. Auch dies ein Entgegenkommen an Zschäpes schlechten gesundheitlichen Zustand. "Es steht ja noch ein Gutachten aus", begründete Götzl die Entscheidung. Dieses Gutachten wird von Prozessbeteiligten und Beobachtern mit großer Spannung erwartet. Denn es geht um die Frage: Hält Zschäpe drei oder nur zwei Prozesstage pro Woche aus? Und wie sehr nimmt sie das Verfahren gesundheitlich mit? Ein Gerichtspsychiater kam zuletzt zu dem Schluss, dass sie ihr Schweigen als belastend empfinde. Bisher verweigert sie jegliche Aussage im Prozess. Das Ergebnis des noch ausstehenden Gutachtens könnte maßgeblich für den weiteren Verlauf der Verhandlung sein. Denn mit nur zwei Verhandlungstagen in der Woche würde sich der Mammut-Prozess noch länger hinziehen als ohnehin schon. Ob Zschäpe ihre Taktik des Schweigens dann vielleicht nicht mehr aushält und schließlich doch aussagen wird ist zwar rein spekulativ, aber nicht völlig unwahrscheinlich.