NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 216. Verhandlungstag, 07.07.2015

Der heutige Prozesstag endet vorzeitig, da Zschäpes neuem Pflichtverteidiger Mathias Grasel auf dessen Antrag hin eine Einarbeitungszeit von einer Woche zugesprochen wird. Er hatte drei Wochen gefordert.

Von: Christoph Arnowski, Tim Aßmann

Stand: 07.07.2015 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
9.10 Uhr, vor Verhandlungsbeginn.
Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Anja Sturm (Verteidigung Zschäpe) sind quasi die ersten im Verhandlungssaal. Kann mich nicht erinnern, das schon mal gesehen zu haben. Kurz nach ihnen kommt Mathias Grasel, der neue und damit vierte Pflichtverteidiger. Er spricht kurz mit Heer und Stahl, dann verlassen alle vier den Saal, kommen nach ein paar Minuten wieder und ein Justizwachtmeister bringt einen zusätzlichen Stuhl, der neben Sturm gestellt wird. Grasel sitzt nun von allen Pflichtverteidigern am weitesten entfernt vom Platz der Mandantin, die umrahmt wäre von Stahl und Heer wie auch schon in den vergangenen Wochen.

Auskunft der Gerichtssprecherin Andrea Titz vor dem Verhandlungsgebäude: Heute soll normal verhandelt werden. Eine Aussetzung des Prozesses, um Einarbeitung für Grasel zu ermöglichen, sei nicht geplant. Titz weist in diesem Zusammenhang auf die Anfang August beginnende vierwöchige Sommerpause hin.

Zuschauertribüne gut gefüllt, aber lange nicht voll.

9.46 Uhr.
Beate Zschäpe kommt und geht ohne zu zögern in die Sitzreihe hinein, Sturm und sie tauschen die Plätze. Zschäpe sitzt also direkt neben dem neuen Anwalt Grasel, mit dem sie sich auch sofort bespricht.

(Christoph Arnowski, BR)
Zschäpe redet lächelnd mit Grasel, den anderen drei Verteidigern zeigt sie dabei ihren Rücken, die sitzen vor ihren Laptops und arbeiten oder tun so.

9.47 Uhr
Richter Manfred Götzl erscheint mit Kammer, stellt Anwesenheit fest.
"… heute mit ihrem zusätzlichen Verteidiger Grasel", mehr sagt er nicht.
Zschäpe und Grasel flüstern während der Präsenzfeststellung, sie wirkt sehr gut gelaunt.

Götzl: Herr RA Grasel, Sie hatten mir per Fax einen Antrag zukommen lassen, soll der in der Hauptverhandlung gestellt werden?
Grasel: Ja, ich beantrage im Namen meiner Mandantin, drei Wochen zu unterbrechen, um mich einarbeiten zu können und auf Zeugenaussagen vorzubereiten, das ist neben der Hauptverhandlung nicht möglich.

Stellungnahmen:
Bundesanwalt Herbert Diemer: Ich halte das nicht für notwendig, sie hat drei Verteidiger, deshalb gibt es die Pflichtverteidigung.
Keine weiteren Stellungnahmen.
Götzl unterbricht bis 10.15 Uhr.

(Tim Aßmann, BR)
In der Pause: Zschäpe ist deutlich vor Ende der Pause zurück im Saal, unterhält sich ohne Unterlass mit Grasel, scheint förmlich zu plappern und wirkt auch gelöster als in den vergangenen Wochen, wechselt kein Wort mit Heer, Stahl, Sturm.

(Christoph Arnowski, BR)
10.10 Uhr.
Fast die ganze Pause redet Zschäpe mit Grasel, sie wirkt dabei sehr entspannt, nach den letzten Wochen nicht wiederzuerkennen, man könnte sagen gutgelaunt, in der Zeit, in der sie kurz draußen ist, sitzt Grasel einsam und unsicher wirkend in der Verteidigerbank, die anderen drei (Heer, Stahl, Sturm) sind draußen vor dem Gebäude in der Raucherpause. Jetzt ist Stahl als erster zurück, Zschäpe und er wechseln kein Wort, sie spricht ausschließlich mit Grasel und zeigt Stahl die kalte (?) Schulter.

10.17 Uhr.
Götzl: Beschluss: Dem Antrag wird nachgekommen mit der Maßgabe: 7. bis 14. Juli 2015 (betrifft außer dem heutigen noch zwei weitere Verhandlungstage) sowie 22. 7. und 30. 7. werden abgesetzt.
Eine Aussetzung ist nicht erforderlich.

(Tim Aßmann, BR)
Tenor der Begründung: Grasel hat nun Tage zur Einarbeitung Zeit, die er sich eigentlich für den Prozess frei gehalten hatte. Außerdem kommen noch die Sommerpause und die Unterbrechung Mitte September dazu. Die Unterbrechungen sind aus Sicht des Gerichts erforderlich aber auch ausreichend, um Einarbeitung zu ermöglichen.

Verhandlung wird unterbrochen bis zum 14. 7.

Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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