NSU-Prozess


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216. Verhandlungstag, 07.07.2015 Der Neue an Zschäpes Seite

Am 216. Verhandlungstag ist Beate Zschäpe nicht wiederzuerkennen. Der Grund für ihre gute Laune ist ihr neuer Pflichtverteidiger Mathias Grasel. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess wollte ihn unbedingt haben, gestern hatte das Münchner OLG diesem Wunsch nachgegeben. Grasel dämpft aber erstmal die Hoffnung vieler Prozessbeobachter, Zschäpe könnte ihr Schweigen nun brechen.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 07.07.2015 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk / Gerry Schläger

07 Juli

Dienstag, 07. Juli 2015

Schweigsam, angespannt, müde - In den letzten Wochen wirkte Beate Zschäpe schwer angeschlagen. Der Grund für ihre schlechte Verfassung: das Zerwürfnis mit ihren Pflichtverteidigern Wolfgang Herr, Wolfgang Stahl und Anja Sturm.

"Sie hat ja geradezu geflirtet"

Heute wirkt sie wie verwandelt. Gut gelaunt betritt sie den Gerichtssaal, plaudert fortwährend lächelnd mit ihrem neuen Pflichtverteidiger Mathias Grasel. Ihr gelöstes Verhalten führt zu Vergleichen, die man so in einem Strafverfahren eigentlich nie hört: "Sie hat ja geradezu geflirtet mit dem Kollegen", beschreibt Opferanwältin Doris Dierbach ihre Beobachtungen dem Bayerischen Rundfunk.

Gefrustetes Anwaltstrio als Statisten

Das Verteidigertrio Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer, Anja Sturm (v.l.n.r.)

Ihren bisherigen Verteidigern zeigt Zschäpe auch heute ihre - man kommt nicht umhin zu sagen - kalte Schulter. Kein Kommentar dazu und zum neuen Kollegen vom Anwaltstrio. Wie gefrustet und sauer sie sind, ist Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl aber auch so anzusehen. Seit über zwei Jahren haben sie ihr berufliches Tun ganz auf diesen Prozess konzentriert. Dabei des Öfteren auch mal nicht so gut ausgesehen, weil - wie man inzwischen gesichert weiß - Beate Zschäpe sie nicht über ihr Leben mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund informiert hat. Ab sofort finden sich die drei Juristen in einer besonders undankbaren Rolle wieder: Sie sind Statisten, die keine große Einflussmöglichkeit mehr haben, auf die man aber auch nicht verzichten kann. Denn ohne sie als eingearbeitete Pflichtverteidiger würde der Prozess platzen. Deshalb hat sie der Vorsitzende Richter Manfred Götzl nicht von ihren Aufgaben entbunden.

Zugleich hat Götzl aber mit der gestrigen Beiordnung von Mathias Grasel deutlich gemacht, dass eines für das Gericht genauso wichtig ist: Die Hauptangeklagte muss einen Pflichtverteidiger haben, zu dem sie Vertrauen hat. Nur so ist eine - wie es im Juristendeutsch heißt - effektive Verteidigung gesichert. Die aber ist Voraussetzung dafür, dass das Verfahren geordnet und nicht angreifbar zu Ende gebracht werden kann.

Die Hoffnung, dass Zschäpe ihr Schweigen bricht ...

Zschäpes vierter Pflichtverteidiger Mathias Grasel

So sehen das auch die Bundesanwaltschaft, die meisten Verteidiger der anderen Angeklagten und viele Anwälte der Nebenklage. Natürlich bezweifeln einige, dass sich der 30 Jahre alte, wenig erfahrene Münchner Anwalt schnell den Stoff eines seit über zwei Jahren laufenden Verfahrens aneignen kann. "Ich würde mich das nicht trauen", sagt ein Nebenklage-Vertreter, der im bisherigen Prozessverlauf nicht durch Zurückhaltung aufgefallen ist. Manche seiner Kollegen hoffen, dass Zschäpe jetzt vielleicht doch ihr Schweigen bricht und zur Sache aussagt.

... dämpft der neue Verteidiger

Das ist allerdings nicht zu erwarten, wie Mathias Grasel nach Prozessende erstaunlich selbstbewusst im Gespräch mit Journalisten deutlich macht: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles andere außer Schweigen keine Option." Sein Verhältnis zu Zschäpe sei "von Vertrauen geprägt, ich habe keinen Grund mich zu beklagen". Dass er eine Riesenaufgabe vor sich hat, weiß Grasel. Gestern hat ihm das Gericht Aktenmaterial mit einem Datenumfang von 50 Gigabyte übermittelt. Wie viele Seiten das sind, weiß er nicht: "Sehr viele." Er will sich vor allem auf das konzentrieren, was noch in der Hauptverhandlung kommt.

Viel mehr sagt er nicht, dann beendet er ohne Zögern die Minipressekonferenz - und eilt zurück ins Gericht. Der Staatsschutzsenat hat den Prozess nur für eine, und nicht - wie von Grasel gefordert - drei Wochen unterbrochen. Fürs Einarbeiten hat er also wenig Zeit. Zumal er auch noch aushandeln muss, ob und wie er mit den drei bisherigen Pflichtverteidigern seiner Mandantin zusammenarbeiten wird.


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