Erfolg für neuen Verteidiger Gericht unterbricht NSU-Prozess
Gefordert hat er drei Wochen, bekommen hat er eine: Das Oberlandesgericht München legt für den neuen Verteidiger von Beate Zschäpe eine Prozesspause ein. Die Hauptangeklagte wirkt an der Seite von Mathias Grasel ungewöhnlich gelöst.
"Mein Verhältnis zu meiner Mandantin ist gut und von Vertrauen geprägt. Ich habe keinen Grund mich zu beklagen." Das sagte Mathias Grasel, der neue Pflichtverteidiger Beate Zschäpes, nachdem er das erste Mal neben ihr auf der Anklagebank gesessen hatte. Zschäpe suchte offenkundig die Nähe ihres neuen Pflichtverteidigers. Anwältin Anja Sturm, der Zschäpe das Vertrauen entzogen hat, musste sich umsetzen, damit Beate Zschäpe neben Grasel sitzen konnte. Dann erlebten Zuschauer und Verfahrensbeteiligte im NSU-Prozess die Hauptangeklagte von einer neuen Seite, wie Opferanwältin Doris Dierbach erzählt:
"Frau Zschäpe war ganz offensichtlich außerordentlich zugewandt und sehr zufrieden mit dieser Entwicklung und hat sich in einer Art und Weise verhalten, wie wir das, glaube ich, in diesem Prozess alle noch nicht erlebt haben. Sie hat ja geradezu geflirtet mit dem Kollegen Grasel und hat ihn angestrahlt und hat alles gegeben, um ihn für sich einzunehmen."
Opferanwältin Doris Dierbach
Grasel fordert drei Wochen Prozessunterbrechung
Aus juristischer Sicht begann der Verhandlungstag mit einem Antrag des neuen Pflichtverteidigers. Mathias Grasel forderte drei Wochen Prozessunterbrechung. Er bekam eine Woche am Stück. Der Senat setzte außerdem zwei weitere Verhandlungstage im Juli ab, und Anfang August geht der Prozess sowieso in die vierwöchige Sommerpause. Damit hat Zschäpes zusätzlicher Pflichtverteidiger aus Sicht des Gerichts ausreichend Zeit sich einzuarbeiten. Bei den Prozessbeteiligten traf die Entscheidung des Gerichts nun erst einmal bis zum nächsten Dienstag zu pausieren überwiegend auf Zustimmung – auch bei Nebenklageanwalt Walter Martinek.
"Wenn man schon beiordnet, dann ist es wahrscheinlich auch konsequent, jemandem die Zeit zu einer Vorbereitung zu geben, und bei dem Verfahrensstoff ist das im Prinzip, auch wenn es mir persönlich gegen den Strich geht, wahrscheinlich vertretbar und wohl auch richtig."
Nebenklageanwalt Walter Martinek
Mathias Grasel, 30 Jahre alt, seit rund vier Jahren Rechtsanwalt in München und ohne Erfahrung in großen Strafprozessen, ist jetzt also in den seit rund zwei Jahren laufenden Mammutprozess mit bisher 216 Verhandlungstagen eingestiegen. Von einer großen Herausforderung spricht Grasel selbst, und Opferanwalt Thomas Bliwier sieht es ähnlich.
"Naja, muss man sich schon trauen. Das ist schon sehr sportlich und man wird mal sehen, was der Kollege daraus macht. Wobei, wenn das so sein sollte, dass seine Aufgabe auch darin besteht, eine Einlassung vorzubereiten mit der Angeklagten, dann kann man das natürlich als ne besondere Aufgabe sehen, die er dann auch zu einem richtigen Zeitpunkt möglicherweise wahrnimmt."
Opferanwalt Thomas Bliwier
Viele Prozessbeteiligte spekulieren darauf, dass die seit Prozessbeginn schweigende Beate Zschäpe mit dem von ihr beantragten zusätzlichen Anwalt ihre Strategie ändert und Angaben macht. Der neue Pflichtverteidiger selbst erteilt solchen Spekulationen aber derzeit eine klare Absage. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles andere außer Schweigen keine Option.“
Grasel hat Zschäpes Wohlwollen
Die Entscheidung des Gerichts, Mathias Grasel als vierten vom Staat bezahlten Pflichtverteidiger zuzulassen, ist juristisch äußerst ungewöhnlich und unter den Prozessbeteiligten auch nicht unumstritten. Die Bundesanwaltschaft sah im Vorfeld der Entscheidung keine Veranlassung für einen weiteren Pflichtverteidiger. Nun erklärt Bundesanwalt Herbert Diemer: „Der Vorsitzende hat den vierten Pflichtverteidiger bestellt zur Sicherung des Verfahrens und die Sicherung des Verfahrens ist für uns, zumal in diesem Stadium, natürlich auch von höchster Priorität.“
So sah es offenbar auch das Gericht, denn Zschäpes Gesundheitszustand war zuletzt stark angeschlagen und ein Gutachter sah dafür psychische Gründe. Das Verhältnis der Hauptangeklagten zu ihren bisherigen Verteidigern ist stark belastet. Nun müssen sich Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl mit dem Vierten im Bunde arrangieren. Mathias Grasel ist zuversichtlich, dass das klappen kann: "Mein Ziel ist nach wie vor, dass wir eine gemeinschaftliche Linie finden. Da werden wir jetzt die Zeit nutzen, um uns da zu besprechen, wie wir das konkret gestalten."
Anders als seine Kollegen hat Mathias Grasel erkennbar das Wohlwollen seiner Mandantin. Fraglich ist aber, ob sie ihm mehr über den NSU erzählt, als den anderen Pflichtverteidigern, die sich bei der Mandantin über deren mangelnde Kooperationsbereitschaft beschwert hatten.
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muss das sein?, Dienstag, 07.Juli 2015, 13:57 Uhr
1. rechtstaat
Ein Karrierist nützt diese hochpolitische Bühne, um sich zu profilieren.
Eine wohl nicht zu unrecht verdächtigte Kriminelle schachert um Zeit.
Der Steuerzahler blecht.
Das ist zwar normal, heißt aber in dieser Variante "Perversion".
Kotzt ähnlich an wie Grexit, das Thema Zschäpe.
Antwort von der Mann mit dem appm Arm, Dienstag, 07.Juli, 15:57 Uhr
Bis auf einen Punkt gebe ich ihnen recht.
Sie ist bis jetzt zu unrecht verdächtigt. Nichts aber auch Null konnte ihr bisher nachgewiesen werden.