NSU-Prozess


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220. Verhandlungstag, 21.07.2015 Zurück zur Normalität

Nach der Aufregung gestern um den abgelehnten Antrag der drei angestammten Zschäpe-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm, von ihrem Mandat entpflichtet zu werden, kehrt in den NSU-Prozess heute wieder erstaunlich schnell Routine ein - obwohl der nächste "Misstrauensantrag" bereits gestellt ist.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 21.07.2015 | Archiv

21 Juli

Dienstag, 21. Juli 2015

Der Vorsitzende des Münchner Staatsschutzsenates, Manfred Götzl, ist sichtlich bemüht, so schnell wie möglich mit der Aufkärung der angeklagten Straftaten fortzufahren. Der Verteidigergemeinschaft wider Willen scheint anderes wichtig. Und so tauschen die angestammten Anwälte erstmal nicht - wie von Beate Zschäpe gestern beantragt - die Plätze in der Anklagebank. Erst als Götzl sie daran erinnert, bildet sich die neue Sitzordung. Mathias Grasel, der neue Pflichtverteidiger, führt jetzt auch optisch die Verteidigerriege an: an seiner Seite die Hauptangeklagte, daneben die von ihr abgemeldeten Anwälte. Dabei wird so nebenbei bekannt: Zschäpe hat einen neuen Antrag gestellt: Diesmal will sie Wolfgang Heer als Pflichtverteidiger loswerden. In einer Prozesspause bestätigt Heer gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: §Einer der beisitzenden Richter hat mich vor der Hauptverhandlung darüber informiert. Ich habe den Antrag kurz durchgelesen, werde mich eingehend damit beschäftigen und eine Stellungnahme abgeben, mehr werde ich dazu nicht erklären." Bis morgen, 16.00 Uhr, hat er dazu Zeit.

Beweisaufnahme nach dem Stühlerücken

Richter Götzl sagt in der Verhandlung gar nichts dazu. Und so beschäftigt sich der Prozess wieder mit dem, was in dieser Phase der Verhandlung sein Kernauftrag ist: der Beweisaufnahme.

Die Kriminalkommissarin, die als erste Zeugin geladen ist, ist das pure Gegenteil des Klischeebildes, das man von diesem Beruf durch das Fernsehen hat. Und dennoch ist ihre Aussage ein wichtiges Puzzleteil bei der Aufklärung der angeklagten Verbrechen. An Tatorten ist die junge Beamtin nie gewesen, hat stattdessen Beweismittelberichte zusammengefasst, sich intensiv mit den verschiedenen Kopien des NSU-Bekennervideos und weiteren Datenträgern befasst. Sie berichtet von zwei Fingerabdrücken von Beate Zschäpe auf einem Briefumschlag, in dem einer der sogenannten "NSU-Briefe" verschickt wurde. So etwas belastet sie im Sinne der Anklage.

"Man war halt rechts"

Der zweite Zeuge des Tages, Henning H., dagegen entspricht jedem Klischee, das man von Angehörigen der rechten Szene hat. Eine bullige "Glatze", mit großem Tattoo an Hinterkopf und Hals. In den 1990er Jahren, so gibt der Mann an, war er ein rechter Mitläufer in Stadtroda, einem Ort nahe Jena. An einzelne Ereignisse oder Gesinnungsgenossen will er sich nicht erinnern, behauptet immer wieder, dass er stets betrunken gewesen sei. Vieles klingt wie stets bei solchen Zeugen bekannt unglaubwürdig. Schnell wird aber auch klar: Direkte Bezüge zu den angeklagten Straftaten hat der Mann wohl nicht - obwohl er auch mal eine Bombe gebaut hat, die, wie die in der Kölner Keupstraße, mit Nägeln und Schrauben gefüllt war. "Das sollte eine Silvesterbombe werden, bei deren Explosion niemand zu Schaden kommen sollte, versichert der 47-Jährige. Warum er sie dann mit Metallteilen gefüllt hat, vermag er nicht überzeugend zu beantworten. Genauso wenig, warum er eine Landkarte mit Hakenkreuzen und Davidsternen bekrizzelt hat. Oder Cartoons von zerstückelten Kindern gezeichnet hat. "Das haben wir aus Spaß gemacht, man war halt ein bisschen rechts."


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