NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 243. Verhandlungstag Befangenheitsantrag mit 37 Seiten

Der Tag am Oberlandesgericht München war ein kleiner Justizkrimi - und eine große Haarspalterei: Unmittelbar vor der für morgen angekündigten Erklärung von Beate Zschäpes neuem Anwalt kochten die Emotionen im sogenannten NSU-Prozess hoch.

Von: Holger Schmidt

Stand: 10.11.2015 | Archiv

Die Anwälte Wolfgang Stahl (M) und Wolfgang Heer (r) laufen am 10.11.2015, vom Prozessbeginn im Gerichtssaal in München (Bayern), an ihrem Kollegen Mathias Grasel (l) vorbei | Bild: picture-alliance/dpa/Peter Kneffel

Zunächst stritt der alte Verteidiger Zschäpes, Rechtsanwalt Wolfgang Heer, mit dem Vorsitzenden Richter Wolfgang Götzl über die Frage, wer als Erster zu Wort kommen darf. Dann verlangten die alten Anwälte ihre Entpflichtung, fühlten sich ausgebotet. Rechtsanwalt Wolfgang Heer: „Der Senat hat wiederholt, immer wieder gesagt, Frau Zschäpe werde durch Frau Sturm, Herrn Stahl und mich ordnungsgemäß verteidigt, dann aber geht es nicht an, wenn uns der Vorsitzende über so einen gravierenden Einschnitt in der Veteidigungsstrategie überhaupt nicht in Kenntnis setzt.“

Doch noch bevor das Gericht sich mit diesem Antrag befassen konnte, legte der Angeklagte Ralf Wohlleben nach. 37 Seiten lang war sein Befangenheitsantrag. Er enthielt wenig Neues, schon mehrfach wurde durch seine Verteidiger moniert, dass das Gericht offenbar voreingenommen sei, was man auch daran erkennen könne, wie die Richter mit Zschäpe umgingen.

Befangenheitsantrag hat Vorrang

Beate Zschäpe und Anwalt Mathias Grasel

Allerdings verlangt nun die Strafprozessordnung, dass zunächst dieser Antrag entschieden wird, bevor es im Verfahren weitergehen kann. Nebenklägeranwalt Stephan Kuhn war entsprechend frustriert: "Es ist jetzt das gefühlt dritte oder vierte Mal, dass die Verteidigung Wohlleben mit den gleichen Argumenten kommt, es geht allein darum, die morgige Aussage der Angeklagten Zschäpe zu verhindern.“ Tatsächlich könnte Ralf Wohlleben ein erhebliches Interesse haben, Zschäpes Erklärung zu verhindern – dann nämlich, wenn er tatsächlich ein Helfer der Terrorgruppe war – und wenn Zschäpe ihn belasten würde.

Eine Art von Katerstimmung

Unter dem Strich herrscht heute am Oberlandesgericht München eine Art Katerstimmung: die Nebenkläger hatten auf die morgige Aussage gehofft, einige sollen bereits auf dem Weg nach München gewesen sein. Viele Beteiligte sind über die prozessuale Verschleppungstaktik der Verteidigung frustriert – und die alten Anwälte Heer / Stahl und Sturm versuchen, das lästige Mandat loszuwerden. Der türkischstämmige Nebenklägeranwalt Mehmet Daimagüler kommentierte das aus seine Weise.

"Frau Zschäpe hat die Anwälte, die sie vom ersten Tag an aufopferungsvoll vertreten hat, zu Statisten degradiert, das ist eine ganz schwierige Situation für die Kollegen."

Nebenklägeranwalt Mehmet Daimagüler

Eintscheidung über Antrag bis Dienstag

Wie es weitergeht, wird sich am kommenden Dienstag zeigen. Bis dahin werden andere Richter des OLG München über den Antrag entscheiden. Ob und wann dann die Erklärung von Beate Zschäpe durch ihren Anwalt verlesen wird, ist unklar.


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