NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 282. Verhandlungstag, 11.5.2016

Heute wird unter anderem der Antrag auf Vernehmung des Ex-V-Mannes Ralf Marschner, der Uwe Mundlos während dessen Leben im Untergrund beschäftigt haben soll, abgelehnt.

Von: Eckhart Querner, Oliver Bendixen

Stand: 11.05.2016 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Heute werden zunächst Durchsuchungsbefehle der Justiz in der Schweiz verlesen, betreffend der Herkunft der Ceska-Pistole. Dann wird ein Überweisungsbeleg für die Campingplatzmiete des Wohnmobils vorgelegt. Anschließend werden Urlaubsfotos des Trios an der Ostsee gezeigt, insgesamt 130 Bilder. Danach soll die Aussage der in der Schweiz lebenden Zeugin Brigitte G. vorgelesen werden. Olaf Klemke, Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben, beantragt eine Unterbrechung der Verhandlung um die Abschrift der Zeugenvernehmung erstellen zu lassen. Der Antrag auf Vernehmung des Ex-V-Mannes Ralf Marschner wird abgelehnt.

Zeugen:

  • keine

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Oliver Bendixen, BR)
10.00 Uhr.
282. Verhandlungstag. Es geht los. Beate Zschäpe heute mit kariertem Hemd. Etwa zehn Zuschauer und ebenso viele Journalisten. Das Gericht verliest in wechselnder Besetzung verschiedene Anwaltsbestellungen, unter anderem als Rechtsbeistände für verschiedene Zeugen.

Jetzt sollen Urlaubsfotos angeschaut werden: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Liegestuhl, Zschäpe beim Bettenmachen im Wohnmobil, Zschäpe in der Schlafkoje, das Trio im Motorboot auf der Ostsee, insgesamt 130 Bilder.

(Eckhart Querner, BR)
Zu sehen sind unter anderem Zschäpe schlafend, Mundlos und Böhnhardt im Wohnmobil, Strandfotos, Dünen, Landschaften, Campingplatz - wenig Bilder, auf denen Personen sind. Zschäpe auf Liege, lesend (John Grisham), Zschäpe stehend, mit gepunktetem Kopftuch, kleines Motorboot, Fußgängerzone, Zschäpe und ein Uwe im Irrgarten.

(Oliver Bendixen, BR)
RA Eberhard Reinicke (Nebenklage-Anwalt der Opfer des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße) behält sich dazu eine Erklärung vor.
RA Wolfgang Stahl (Zschäpe-Verteidigung): Diese Bilder zeigen Menschen, die lediglich unter falscher Identität gelebt haben.
Richter Manfred Götzl fragt Zschäpe direkt: Wer hat die Bilder aufgenommen?
RA Mathias Grasel (Zschäpe-Verteidigung) antwortet: Die Bilder wurden wechselweise aufgenommen oder - wenn alle drei zu sehen - mit Selbstauslöser oder von Passanten, die man angesprochen hat.
Zschäpe nickt.

Pause bis 11.05 Uhr.

(Oliver Bendixen, BR)
11.15 Uhr.
Es geht weiter mit der Verlesung der Aussage der Zeugin Brigitte G., die sich weigert, aus der Schweiz nach München zum Prozess zu kommen.
RA Olaf Klemke (Wohlleben-Verteidigung) beantragt Abschrift und eine Stunde Mittagspause bis 12.15 Uhr.

(Eckhart Querner, BR)
Fortsetzung 12.25 Uhr.
Inzwischen sind nur noch sechs Besucher und 13 Journalisten auf der Empore.

(Oliver Bendixen, BR)
Klemke widerspricht der Verlesung der Vernehmung der Zeugin Brigitte G. in der Schweiz und beantragt die Einvernahme des Schweizer Staatsanwalts, der diese Vernehmung durchgeführt hat.

Götzl: Antrag auf Vernehmung des Zeugen Ralf Marschner zur Bekanntschaft mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sowie mit Eminger und zur Beschäftigung des Mundlos in seiner Baufirma wird abgelehnt, da dies zur Erforschung der Wahrheit nach Ermessen des Gerichts nicht nötig ist.

Dann werden vier weitere Anträge auf Zeugeneinvernahmen und Aktenbeiziehung abgelehnt, da diese nach Ansicht des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit ebenfalls nicht notwendig sind. (Marschners Einvernahme wurde durch die Nebenklage beantragt, nachdem bekannt geworden war, dass der Zwickauer Neonazi Marschner den untergetauchten Uwe Mundlos in seiner Baufirma beschäftigt haben soll. Ralf Marschner war zu der Zeit auch V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz unter dem Decknamen "Primus".)

(Oliver Bendixen, BR)
Sämtliche benannten Zeugen und Akten sind nach Götzls Darstellung für die Entscheidung des Gerichts ohne Bedeutung. Verteidigung von Wohlleben beantragt die Vernehmung eines Kriminalbeamtem vom Bundeskriminalamt Meckenheim zur Frage der finanziellen Einkünfte Wohllebens in den Jahren 2000 und 2001. (in der Zeit also, in der Wohlleben den Kauf der Ceska-Pistole finanziert haben soll.)

Schluss für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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