287. Verhandlungstag, 7.6.2016 Deckname "Otto"
Tino Brandt war in den 1990er Jahren einer der aktivsten Neonazis in Thüringen, Landesvizevorsitzender der NPD sowie Mitinitiator des "Thüringer Heimatschutzes", aus dem der NSU hervorging. Was die rechte Szene bis 2001 nicht wusste: Unter dem Tarnnamen "Otto" arbeitete Brandt auch als V-Mann für den Verfassungsschutz. Heute war er erneut Zeuge im NSU-Prozess.
07. Juni
Dienstag, 07. Juni 2016
Deckname "Otto": Unter diesem Titel erschien vor einigen Jahren ein Buch über den venezolanischen Revolutionär und Bankräuber Oswaldo Barreto Miliani, dessen Gestalt von Jugend an Gerüchte und Legenden umgaben. Es kann nur Zufall sein, dass Tino Brandt vom thüringischen Verfassungsschutz den gleichen Tarnnamen verpasst bekam, denn die Geschichte des 41-jährigen Brandt ist kein Stoff für einen Helden-Roman. Brandt soll schon als Schüler in seiner Heimatstadt Rudolstadt "national befreite Zonen" ausgerufen haben. Rund 200.000 D-Mark hat der Neonazi angeblich bis zu seiner Enttarnung im Jahre 2001 von den Verfassungsschützern kassiert - Geld, dass er nach eigener Aussage vor allem in den Aufbau der Neonazi-Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" steckte.
Wer zahlte für die Mordwaffe?
Bereits zwei mal musste Brandt als Zeuge im NSU-Prozess aussagen. Heute nun ging es um die Finanzierung der Pistole "Ceska", mit der laut Anklage neun der insgesamt zehn Opfer des NSU getötet wurden. Der wegen Beihilfe angeklagte Carsten S. hatte gestanden, die Pistole bei dem Betreiber eines Szeneladens in Jena gekauft zu haben. Das Geld dafür soll ihm der ebenfalls angeklagte Ralf Wohlleben gegeben haben. Wohlleben bestreitet das aber. Seine Verteidiger behaupten, dass nicht Wohlleben, sondern Brandt das Geld für die Waffe aufgebracht habe. Der sei ja dank seiner V-Mann-Tätigkeit immer gut bei Kasse gewesen.
Wohlleben nicht entlastet
Es sei richtig, dass damals viel Geld geflossen sei, sagte Brandt heute. Meist habe er "Kameraden" für Aktionen oder die Organisation von "Jugendarbeit" Geld zugesteckt. Seine Kontaktleute beim Geheimdienst hätten ihm Bargeld zur Verfügung gestellt, das er auch bar weitergereicht habe. An eine konkrete Geldübergabe an Carsten S. konnte sich Brandt allerdings nicht erinnern. Waffen seien zudem nie ein Thema gewesen, sagte er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. Über den Kauf von Waffen habe er mit niemand, auch nicht mit Carsten S., geredet. Wohlleben, der nach wie vor in Untersuchungshaft sitzt, wurde also nicht entlastet.
Brandt inhaftiert
Übrigens: Oswaldo Barreto Miliani, der Revolutionär mit dem gleichen Decknamen wie Brandt, tauchte nach seinem Bankraub in Europa unter, um nicht inhaftiert zu werden. Ganz anders Brandt: Er wurde heute von Justizbeamten nach München gebracht. Der Mann sitzt nämlich normalerweise in der Strafanstalt Tonna in Thüringen im Gefängnis - nicht etwa wegen seiner jahrelangen rechtsradikalen Umtriebe, sondern wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, sowie der Beihilfe zu sexuellem Missbrauch und der Förderung von Prostitution in 66 Fällen.