434. Verhandlungstag, 20.6.2018 Urteil in Kürze? Zu früh gefreut
Heute kann man mal wieder vortrefflich spekulieren, wann dieser Mammutprozess endlich zu Ende geht. Bis gestern schien alles weitgehend klar. Aber weit gefehlt.
20. Juni
Mittwoch, 20. Juni 2018
Wie gesagt - bis gestern schien alles weitgehend klar: Heute oder spätestens morgen würde das letzte Plädoyer im NSU-Prozess vorbei sein, in der kommenden Woche dann die Beschlüsse zu den letzten Beweisanträgen verlesen, anschließend kämen die Schlussworte der Angeklagten dran. Und Anfang Juli, mit der Urteilsverkündung, wäre zur Erleichterung vieler Prozessbeteiligter alles vorbei.
In gepflegter Langsamkeit
Aber weit gefehlt: Erstens verliest Anja Sturm aus der Riege der drei Altverteidiger von Beate Zschäpe ihr Schlusswort in gepflegter Langsamkeit (was den Vorteil hat, dass die Reporter bequem mitschreiben können). Zweitens muss und will auch sie - wie alle, die vor ihr plädiert haben - nach 45 Minuten eine Pause einlegen. Drittens schafft Sturm pro Tag nur drei solcher Vortragsblöcke, weil sie sich nach eigenem Bekunden noch nicht wieder fit fühlt.
E. bekommt Migräne
Nun ja, und viertens: Der Mitangeklagte André E. lässt nach der Mittagspause über seinen Verteidiger Kaiser mitteilen, dass er an einer Migräne leide und der Verhandlung nicht länger folgen könne. Kaiser bringt einen angeblich bevorstehenden Wetterwechsel ins Spiel, der Auslöser für die Migräne sei. Jedenfalls lässt Richter Götzl die Verhandlung bis morgen unterbrechen. Mit dem Sturm-Plädoyer scheint die Migräne jedenfalls nichts zu tun zu haben.
Urteil im Juli oder doch erst im November?
Vor dem Gerichtssaal dann kurzer Informationsaustausch mit Prozessbeteiligten: Danach heißt es, dass Frau Sturm auch morgen nicht mit ihrem Plädoyer fertig wird. Mögliche juristische Scharmützel mit einkalkuliert, wird es jetzt vielleicht noch weitere vier Wochen (oder wie ein Vertreter der Nebenklage leicht genervt meinte: noch vier Monate) weiterverhandelt, bis das Urteil gesprochen wird.
Zu früh gefreut
So ist es eben: Das Unkalkulierbare ist seit Anfang an Teil des NSU-Verfahrens. Denn verlassen kann man sich hier auf nichts, meistens hat man sich zu früh gefreut. Und wer als Prozessbeobachter im Juni denkt, er müsse seinen Urlaub abbrechen und zurück nach München eilen, weil das Urteil ja unmittelbar bevorstehe, der sollte sich einfach eine kleine Portion Fatalismus aneignen: Es ist immer noch anders gekommen als gedacht.