437. Verhandlungstag, 3.7.2018 Wie glaubwürdig war Beate Zschäpe heute?
Das war die Frage, die dem Gerichtsreporter an diesem Tag, an dem die Angeklagten im NSU-Prozess ihre Schlussworte gesprochen haben, wohl am häufigsten gestellt worden ist.
03. Juli
Dienstag, 03. Juli 2018
Wie soll man Glaubwürdigkeit beurteilen? Nach der Stimme? Beate Zschäpe hat eine angenehme Stimme. Nicht zu hoch, nicht zu tief, kräftig, mit einer leichten Dialektfärbung, die ihre Herkunft aus Thüringen durchscheinen lässt. Eine Stimme, der man das Gesagte gerne abnimmt, die sich durchaus selbstbewusst und authentisch anhört.
Zschäpe als höriges Heimchen
Aber das ist genau das Problem: Diese Stimme, die so angenehm und souverän klingt, passt nicht zu dem, was Beate Zschäpe sagt, zu dem, wie sie sich selbst beschreibt: Als höriges Heimchen am Herd einer Neonazi-WG, das kaum etwas mitbekommen haben will von den Verbrechen ihrer Mitbewohner, mit denen sie über 13 Jahre lang zusammenlebte. Und das, als es irgendwann von den schrecklichen Taten erfuhr, sich angeblich nur aus Liebe nicht von den Mördern trennen konnte, das aber inzwischen Abschied genommen haben will von der braunen Ideologie, die den Morden und Anschlägen zugrunde liegt. Zschäpe präsentiert sich als mitfühlende Frau, die versichert, sich in die Angehörigen der NSU-Opfer hineinversetzen zu können, die Verständnis äußert für deren Wut und Trauer und die den Hinterbliebenen ausdrücklich ihr Mitgefühl ausdrückt.
Zschäpe distanziert sich von eigenem Verhalten
All das passt nicht zu ihrer Stimme. Da hilft es auch nichts, dass sich Beate Zschäpe in ihren Schlussworten von sich selbst und dem eigenen Verhalten distanziert, dass sie erklärt, sie sei gar nicht so emotionslos wie sie immer wirke und sie sei auch gar nicht so selbstbewusst, wie sie sich anhöre, vielmehr sei es ihr immer schwer gefallen, vor vielen Leuten zu sprechen und überhaupt leide sie durch die lange Untersuchungshaft unter Konzentrationsschwierigkeiten.
Mit Verlaub, aber diesen Eindruck vermittelte Beate Zschäpe heute beileibe nicht. Die inzwischen 43-Jährige weiß zu formulieren – ausdrücklich betont sie, dass sie ihre Schlussworte selbst verfasst hat. Und sie spricht mit einer Stimme, der man zutraut, dass sie sich durchaus Gehör verschaffen kann, auch in einer Neonazi-Wohngemeinschaft.
Und dann gibt es da auch noch einige Details ihrer Aussage, die stutzig machen. Erst im Laufe des Prozesses will Zschäpe "Stück für Stück das ganze Ausmaß der schrecklichen Taten“ des NSU erfasst haben – wie bitte passt das dazu, dass der NSU in seiner Wohnung ein ganzes Zeitungsarchiv mit Berichten über all die grausamen Anschläge und Morde unterhielt und dass auf einem dieser Artikel über einen der beiden Münchner Morde auch Zschäpes Fingerabdruck gefunden wurde? Wie passt das dazu, dass der NSU auf Grundlage dieses Archivs eine widerwärtige Bekenner-DVD fertigte, die Beate Zschäpe persönlich nach der Selbstenttarnung der Terrorzelle an Adressaten in ganz Deutschland verschickte?
Distanzierung von rechter Szene nicht glaubwürdig
Auch ihre angebliche Distanzierung von der rechten Szene, ist – wenn man genauer hinschaut – bestenfalls halbgar, wenn nicht gar vorgeschoben. Sie habe "die Entscheidung getroffen“, dass rechtes Gedankengut "keine Bedeutung“ mehr für sie habe, sagt Zschäpe – was immer das konkret bedeuten mag und wie auch immer eine derartige Entscheidungsfindung ausgesehen haben mag. Und dann betont sie im gleichen Atemzug: Sie "akzeptiere die Meinung und Gesinnung der Mitangeklagten.“ Zur Erinnerung: Einer davon, André E., hat erst vor wenigen Tagen seinen Anwalt verkünden lassen, er sei "Nationalsozialist mit Haut und Haar“. Ein anderer, Ralf Wohlleben, bringt schon durch die Wahl seiner Neonazi-Anwälte zum Ausdruck, dass er weiterhin jener menschenverachtenden Ideologie anhängt, auf deren Grundlage der NSU zehn Morde und drei Anschläge verübte. Zschäpe "akzeptiert“ das, sagt sie, sprich: Sie hält eine braune Gesinnung weiterhin für akzeptabel. Das soll eine Distanzierung sein?
Je länger man über Zschäpes Erklärung nachdenkt und dabei auch noch einmal fünf Jahre NSU-Prozess Revue passieren lässt: All die Indizien und Zeugenaussagen, die dafür sprechen, dass Beate Zschäpe im NSU eine wichtige Rolle gespielt hat. Ihr jahrelanges Schweigen, dann das eiskalte Abservieren ihrer Altverteidiger und ihre überraschend Aussage im Prozess, die sie aber nur schriftlich abgeben wollte, und bei der sie sich ausdrücklich weigerte, auch nur eine einzige Frage der NSU-Opfer und ihrer Angehörigen zu beantworten. Je länger man über all das nachdenkt, umso leichter fällt die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Nein, Beate Zschäpe war schon bisher nicht glaubwürdig. Und sie war es auch heute nicht.