Bundesanwaltschaft macht den Anfang Erste Plädoyers im NSU-Prozess
Die Endphase des NSU-Prozesses gegen die Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralph Wohlleben ist eingeläutet - nach über vier Jahren und mehr als 370 Verhandlungstagen. Das Münchner Oberlandesgericht hat die Beweisaufnahme offiziell geschlossen, heute Vormittag beginnen die Plädoyers.
Die Bundesanwaltschaft stand schon länger in den Startlöchern, feilte an ihrem Schlussvortrag.
Denn das Ende der Beweisaufnahme war seit geraumer Zeit absehbar. Und so kann Bundesanwalt Herbert Diemer mit seinem Team sofort loslegen. Rund 22 Stunden wird das Plädoyer der Bundesanwaltschaft dauern. Die Anklage ist komplex, erläutert Bundesanwalt Herbert Diemer:
"Es ist ja ein reiner Indizienprozess, wir haben keinen einzigen Tatzeugen und da müssen eben die ganzen Indizien, die einzelnen Beweise müssen gewürdigt werden, müssen in miteinander in Beziehung gesetzt werden, zusammengesetzt werden wie ein Puzzle."
Herbert Diemer
Einige Nebenkläger hatten noch versucht, den Senat dazu zu bringen, die Schlussvorträge auf nächste Woche zu vertagen – um ihren Mandanten die Teilnahme zu ermöglichen, doch darauf wollte sich der Vorsitzende Richter Manfred Götzl nicht einlassen. Als erstes wird die Bundesanwaltschaft plädieren. Sie hat bereits angekündigt, dass sie dafür rund 22 Stunden benötigen wird – also mindestens drei Verhandlungstage.
Vier Jahre Beweisaufnahme
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft ist die über vierjährige Beweisaufnahme gut gelaufen. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk sagte Bundesanwalt Diemer vor wenigen Tagen, dass er die Ermittlungsergebnisse der Bundesanwaltschaft im Wesentlichen bestätigt sieht. Ins Detail ging er aber nicht. Die Anklage geht davon aus, dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied im Terror-Trio NSU gewesen ist.
10 Morde, mehr als 30 Verletzte
Richter Manfred Götzl (2.v.r.) neben seinen Beisitzern Michaela Odersky (l), Peter Lang (2.v.l.) und Konstantin Kuchenbauer.
Dem rechtsextremen NSU werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge mit über 30 Verletzten zugerechnet. Die Morde und Attentate wurden von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt. Doch die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, den Rückzugsraum für Mundlos und Böhnhardt organisiert und die Taten auch gewollt zu haben. Somit gilt sie als Mittäterin. Zschäpe bestreitet dies. Sie will immer erst im Nachhinein von den Morden und Bombenanschlägen erfahren haben. Doch vielen Prozessbeteiligten erscheint diese Version wenig nachvollziehbar.
Wie glaubwürdig ist Zschäpe?
Bis zuletzt wurde im NSU-Prozess um die Frage von Zschäpes Glaubwürdigkeit gerungen, schließlich stellte aber auch die Verteidigung keine Beweisanträge mehr. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte in den letzten Tagen und Wochen Druck gemacht.
"Es ist sicher richtig, dass ein Gericht darauf achten muss, dass mit zunehmender Dauer des Verfahrens der Beschleunigungsgrundsatz eingehalten wird und dass das Verfahren auch nach rechtstaatlichen Prinzipien zu Ende geführt wird und so ist es sicher ein wichtiger und notwendiger Schritt, dass das Verfahren jetzt in die nächste Phase kommt."
Gerichtssprecher Florian Gliwitzky
Auch die Vorträge der Nebenkläger werden Tage, wenn nicht gar Wochen in Anspruch nehmen, schließlich vertreten sie insgesamt über 80 Opfer der Terrorgruppe NSU beziehungsweise Angehörige der Opfer. Als letztes werden die Verteidiger der fünf Angeklagten plädieren, doch Richter Götzl hat heute bereits durchblicken lassen, dass damit erst nach der Sommerpause zu rechnen ist – also erst Ende August bzw. Anfang September. Danach wird das Oberlandesgericht sein Urteil verkünden. Die Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben müssen dem Prozessverlauf nach mit langjährigen Haftstrafen rechnen, weitgehend unklar ist, welches Strafmaß die drei anderen Angeklagten Carsten S., Holger G. und André E. zu erwarten haben.
Kurzfristige Anreise zu den Plädoyers
Seda Basay-Yildiz, Anwältin der Familie Simsek, bei einer NSU-Opfer-Gedenkveranstaltung in Nürnberg.
Obwohl schon lange erwartet, kam das Ende der Beweisaufnahme gestern für viele Prozessbeteiligte dann doch überraschend schnell. Im NSU-Prozess sind über 90 Opfer und Angehörige von Opfern als Nebenkläger zugelassen. Sie sind aber selten persönlich anwesend, sondern werden von über 60 Anwälten vertreten. Die Opfer-Familien müssen nun sehr kurzfristig anreisen, erklärt Seda Basay. Sie vertritt die Familie des ersten Mordopfers des NSU, des Blumenhändlers Enver Simsek.
"Unsere Mandanten sind ja berufstätig und können nicht sofort Urlaub nehmen und den Plädoyers beiwohnen. Das ist jetzt ein bisschen unglücklich, andererseits verstehe ich auch das Gericht, dass hier ein bisschen Druck gemacht wird, um endlich zum Ende zu kommen und mit den Plädoyers zu beginnen."
Seda Basay
Ein Ende wird absehbar
Adile Simsek, die Witwe des ermordeten Enver Simsek wird heute persönlich kommen, um den Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft zu hören. Doch es ist klar, die Nebenkläger stehen der Rolle der Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren kritisch gegenüber. Wichtige Fragen bleiben für die Opferfamilien offen, erklärt Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer.
"Die Bundesanwaltschaft geht, das ist aus den bisherigen Stellungnahmen klar hervorgegangen, davon aus, dass der NSU eine sehr kleine abgegrenzte Gruppe mit sehr wenigen Helfern und Unterstützern war, also der NSU ist aus unserer Sicht eine viel größere Terrororganisation gewesen, als es der Generalbundesanwalt ja recht bequem auch mit seiner These behauptet."
Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer
Doch noch hat die Bundesanwaltschaft nicht gesprochen. Insgesamt vier Tage wird sie für ihr Plädoyer vermutlich brauchen. Es geht dabei nicht nur um Beate Zchäpe. Neben ihr sind vier mutmaßliche Unterstützer des NSU angeklagt. Allen voran Ralf Wohlleben und Carsten S.. Sie sollen die Haupt-Mordwaffe des NSU besorgt haben. Wohlleben, ein ehemaliger Spitzenfunktionär der NPD in Thüringen, bestreitet den Vorwurf. Carsten S. der sich bereits vor Jahren von der rechtsextremen Szene gelöst hat, legte ein umfangreiches Geständnis ab. Er befindet sich im Zeugenschutz. Sein Anwalt Jacob Hösl sagt, auch sein Mandant sei froh, dass mit dem Beginn der Plädoyers nun ein Ende im NSU-Prozess absehbar ist.
Dossier Politik, 19.7.2017, 21:05 Uhr, Bayern 2
Thema: Ende in Sicht? Im NSU-Prozess haben die Plädoyers begonnen
Studiogäste: Tim Aßmann, NSU-Prozessbeobachter für den BR von Anfang an, und Sebastian Scharmer, Rechtsanwalt, vertritt als Nebenkläger vor Gericht Gamze Kubasik, Tochter von Mordopfer Mehmet Kubasik
Moderation: Jörg Paas
Redaktion: Julio Segador
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PeterZä, Mittwoch, 19.Juli 2017, 10:25 Uhr
7. Schuldig, aber in wie weit? Und Rolle des VS!
Auch wenn Truderinger mir gerne die Nazikeule auf den Kopf haut...
Frau Zschäpe ist eindeutiges Mitglied gewesen!
In wie weit, darüber lässt sich streiten.
Wenn sie , wie behauptet, immer erst im Nachhinein von den Taten erfahren hat, ist es etwas anderes als wenn sie bereits zuvor davon wusste.
Viele Menschen haben Partner die Verbrechen begehen und zeigen sie nicht an.
Das zu ermitteln, zu beweisen und zu bewerten sind Aufgabe der Polizei, Staatsanwaltschaft und des Gerichtes.
Was mir aber bitter aufstösst ist die undurchsichtige Rolle das VS und viele andere Ungereimtheiten.
Max Uthoff und Claus von Wagner haben dazu ein tolles Satirevideo (NSU Camper/ die Anstalt) gemacht welches so manch fragwürdigen Umstand publizieren.
Da könnte man schon das Vertrauen in die Polizeiarbeit verlieren.
Stümperhafte Spurensicherung (Peggy DNA) wirr rekonstruierte unlogische Tatabläufe usw...
Besonders Mundlos der sich erst den Kopf wegballert und dann noch nachlädt...
Schlimm
klaus, Mittwoch, 19.Juli 2017, 10:05 Uhr
6. Die Wahrheit
Ab nach der Urteilsverkündung alle Hintergründe dieses undurchsichtigen Geschehens aufgeklärt sein werden, darf bezweifelt werden. Die Tatbeteilgung von Frau Zschäpe bleibt unklar und vor allem unbewiesen. Eine Aussage des Gerichtes wie: Wir gehen davon aus, dass die Angeklagte die Taten gewollt hat, ist schon zu hinterfragen. Vielleicht ist sie nur ein Bauernopfer.
Ekkehard , Mittwoch, 19.Juli 2017, 09:53 Uhr
5. Beate Zschäpe ist eine total gescheiterte Person.
Nach einer längeren Haftstrafe wird sie nur von Sozialhilfe und danach von Grundsicherung leben. Warum spricht sie überhaupt mit irgendwelchen Rechtanwältern und Richtern in diesen Schauprozess? Sie ist schon so total gescheitert, dass es gar keinen Sinn mehr hat sich zu verteidigen. Sie kann schon alles und alle ignorieren. Sie wird ein kleines Zimmer mit regelmäßigem Essen bekommen. Nach der Entlassung wird sie sich auch kein größeres Zimmer leisten können, es sei denn sie schreibt im Knast einen Krimibestseller und wird reich.
Antwort von Wolf, Mittwoch, 19.Juli, 19:29 Uhr
Es wird keine Entlassung geben!
Antwort von Frau Schneider, Donnerstag, 20.Juli, 08:36 Uhr
@Wolf
Woher wissen Sie das?
Holger, Mittwoch, 19.Juli 2017, 09:41 Uhr
4. Beate Zschäpe hat mit 370 Vehandlungstagen sagenhafte Kosten verursacht.
Wenn sich die 2 NSU-Mörder das Leben genommen haben, dann kann sich die Justiz an Beate Zschäpe austoben, das erwarten die Angehörigen von den Mordopfern. Beate Zschäpe ist eine totale Versagerin, die dem Steuerzahler nur riesige Kosten verursacht hat. Beate Zschäpe selbst hat keine und wird keine Steuern und keine Sozialabgaben abführen. Mit solchen Menschen wie Beate Zschäpe würde der Staat pleitegehen. Mit solchen Menschen wie Beate Zschäpe könnte man den Asylsuchenden kein Geld, kein Essen und keine Wohnung anbieten. Es würden dann auch keine kommen.
Antwort von Sonja R.S., Mittwoch, 19.Juli, 10:21 Uhr
Holger, ihre seltsamen Gedankengänge kann ich nicht nachvollziehen.
Benötigt man dazu eine bestimmte Grundstruktur ?
Im übrigen tobt sich die Justiz nicht an Beate Zschäpe aus,
die machen nur ganz schlicht und einfach ihre Arbeit.
sophi, Mittwoch, 19.Juli 2017, 09:40 Uhr
3. Beate Zschäpe
Indizienprozess? Mittäterschaft von Beate Zschäpe ist doch deutlich zu sehen bei der Beweislage. Allein schon ihre Aussage "Sie möge immer erst im Nachhinein erfahren haben". Mit über 10 Morden folgt einem Nachhinein doch ein geplantes Vorausgehendes. Ende offen. Eine einfache Rechenaufgabe. Wird schon gewusst und geduldet haben.
Antwort von Blechmann13, Donnerstag, 20.Juli, 07:22 Uhr
Klar, das "kleine Licht" Zschäpe hätte bestimmt alles verhindern können, wenn sie nur nachdrücklich NEIN gesagt hätte...die echten (toten) Drahtzieher wären ganz sicher sofort bekehrt worden und hätten zu "Gott" gefunden...
Manche Leute haben wirklich realitätsfremde Vorstellungen...
mfg