23. Verhandlungstag Benefizkonzerte für das untergetauchte Trio
Mit Benefizkonzerten und "Balladenabenden" soll in der rechten Szene für die untergetauchten Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gesammelt worden sein. Das habe der Angeklagte Holger G. erzählt, berichtete heute vor dem Oberlandesgericht (OLG) München ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA), der als Zeuge geladen war.
Dass der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), bestehend aus den drei im Untergrund lebenden Neonazis, von Unterstützern mit Geld versorgt worden sei, diese Vermutung ist nicht ganz neu. Recherchen des BR-Magazins "Kontrovers" hatten bereits belegt, dass es auffällig viele Kontakte zwischen fränkischen Neonazis und dem Umfeld des Zwickauer Trios gab. So sollen sich Ende der 1990er-Jahre Rechtsradikale aus Bayern und Thüringen bei einem Konzert im oberfränkischen Coburg getroffen haben. Man lauschte nicht nur den völkischen Liedern des rechten Barden Frank Rennicke, man sammelte auch Geld. 3.000 bis 4.000 Mark sollen zusammengekommen sein - als Spende für den NSU.
Führende Neonazis über NSU informiert
Dem BKA-Beamten zufolge haben sich die Vermutungen nun bestätigt. Laut seinen Angaben sagte Holger G. während des Ermittlungsverfahrens umfangreich aus, vor dem OLG wurde aber zu den Tatvorwürfen bislang nur eine vorbereitete Erklärung verlesen. Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, ebenfalls Angeklagter im NSU-Prozess, soll die Benefizkonzerte den Aussagen zufolge mitorganisiert haben.
Holger G. soll laut dem BKA-Beamten außerdem ausgesagt haben, dass führende Köpfe der deutschen Neonazi-Szene über das abgetauchte Trio informiert gewesen sein sollen. Mit dem späteren NPD-Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise will Holger G. sogar über Fluchtmöglichkeiten des NSU ins Ausland gesprochen haben.
"Man muss sagen, dass uns die Aussage von Herrn G. extrem weitergebracht hat in dem Verfahren."
BKA-Beamter und Zeuge im NSU-Prozess
"Es ist besser, wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben"
Holger G. gab zu, dem untergetauchten Neonazi-Trio Dokumente besorgt zu haben: Reisepässe, ADAC- und Krankenkarten. Außerdem habe er einmal im Auftrag Wohllebens eine Waffe transportiert. Als er gefragt habe, wozu die Pistole dienen solle, habe Wohlleben gesagt: "Es ist besser, wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben." Es ist allerdings bislang nicht geklärt, welche Waffe Holger G. an das Trio geliefert hatte und ob der NSU sie einsetzte. Insgesamt 10.000 Mark soll Holger G. für seine Dienste vom NSU erhalten haben.
"Lieber erschieße ich mich, als dass ich mich der Polizei ergebe."
Uwe Böhnhardt laut früherer Aussage des Zeugen Holger G., an die er sich aber später angeblich nicht mehr erinnerte
"Wie eine Ehefrau"
Weiter gab der Zeuge an, Holger G. habe ausgesagt, Zschäpe habe mit Böhnhardt und Mundlos gelebt "wie eine Ehefrau". Offiziell sei sie aber mit keinem der beiden liiert gewesen. Die drei seien sehr harmonisch miteinander umgegangen. Sie hätten G. jedoch erzählt, dass es früher zu heftigem Streit zwischen Mundlos und Böhnhardt gekommen sei. Dabei habe einer von beiden zum Messer gegriffen. Mundlos sei daraufhin für eine Weile ausgezogen, wegen der Situation im Untergrund habe man dann aber beschlossen, doch wieder zusammen zu leben.
Zeuge: Zschäpe gewaltbereit
Holger G.s damalige Aussagen könnten nachteilig für Zschäpe sein. Der Vorwurf der Mittäterschaft stützt sich in wesentlichen Teilen auf seine Angaben. Sie sei "durchsetzungsstark, kein Typ, der sich unterordnen würde", habe Holger G. die Hauptangeklagte geschildert. Sie sei "gleichberechtigtes Mitglied" der Gruppe gewesen. "Entscheidungen wurden immer in Absprache mit Frau Zschäpe gefällt." Sie habe alles gezahlt, Essen, Unterkunft. Einmal hätten sie gemeinsam einen Rundflug über Usedom unternommen, den sie auch bezahlt gabe. Außerdem schilderte G. die Hauptangeklagte als gewaltbereit: Sie habe einer Punkerin im Bus "eine reingehauen", weil diese "blöd geguckt" habe.
Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, Holger G. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zschäpe wird unter anderem Mittäterschaft bei den tödlichen Attentaten auf neun Migranten und eine Polizistin, die dem NSU zugeschrieben werden, vorgeworfen. Zschäpe soll für die legale Fassade des Trios gesorgt haben.