95. Verhandlungstag, 19.3.2014 Kein guter Tag für Carsten S.
Die Ceska-Pistole, mit der die NSU-Terroristen wohl neun Menschen ermordeten, wurde laut einem Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) mit Schalldämpfer bestellt. Diese Aussage vor dem Oberlandesgericht München könnte den Angeklagten Carsten S. belasten.
Ein Zeuge hatte bei seiner Vernehmung vor Gericht die Aussage verweigert, weil er sich sonst belasten könnte. Deshalb musste nun der BKA-Ermittler über die früheren Vernehmungen berichten. Für den Anklagevorwurf ist die Beschaffung der Ceska eine wichtige Frage: Falls die Waffe vom Angeklagten Carsten S. mit Schalldämpfer bestellt wurde, wäre das ein Indiz dafür, dass er wusste, wofür die Pistole bestimmt war.
Gerichtsreporter-Tagebuch
Carsten S. hat zugegeben, dass er die Waffe im rechten Jenaer Szeneladen "Madley" gekauft hatte - nach seiner Aussage im Auftrag des ebenfalls angeklagten Ex-NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben. Der "Madley"-Verkäufer Andreas Sch. hatte in der Vernehmung im Ermittlungsverfahren zugegeben, eine Pistole mit Schalldämpfer verkauft zu haben. Als Käufer identifizierte er Carsten S. In seiner Vernehmung sagte er: "Es war definitiv so, dass die einen Schalldämpfer bestellt haben. Ich liefere doch nicht mehr, als ich liefern muss." Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl zweifelte die Glaubwürdigkeit der Aussage an. Der Zeuge habe möglicherweise "in einer Vernehmungssituation vor Angst Wunschantworten gegeben", vermutete der Anwalt.
Ex-Strohmann als Zeuge
Zuvor hatte ein Zeuge geschildert, wie er 1998 für die drei Untergetauchten eine Wohnung in Chemnitz angemietet hat. Er sei angesprochen worden, ob er sich für den Mietvertrag zur Verfügung stellen könne, sagte er. An Details wollte er sich zunächst nicht erinnern; er könne nicht mehr sagen, wer ihn angesprochen habe oder wie der Übergabetermin mit der Maklerin ablief. Nach intensivem Nachfragen sagte er, Zschäpe sei bei der Übergabe dabei gewesen; sie habe sich als Freundin oder Frau ausgegeben. Etwa einmal im Monat habe er die drei in der Wohnung besucht um zu sehen, "ob es irgendwelche Probleme gibt, ob die irgendwas brauchen". Alle Kontakte seien über Zschäpe gelaufen. Dies könnte die These der Anklage stützen, dass die Hauptangeklagte für die legale Fassade der Gruppe sorgte und eine wesentliche Rolle für das Leben im Untergrund spielte.
Streit der Nebenklage mit Bundesanwaltschaft
Bei der Befragung des Zeugen durch Vertreter der Nebenklage kam es zu heftigem Streit mit der Bundesanwaltschaft. Rechtsanwältin Gül Pinar stellte mehrere Fragen, die auf die Gesinnung des Zeugen zielten. Die Bundesanwaltschaft kritisierte die Befragung: "Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht, sondern wir sitzen zu Gericht über die Angeklagte Zschäpe und die vier anderen Angeklagten", sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. Opferanwalt Alexander Hoffmann attackierte die Anklagebehörde: "Der Zeuge lügt uns hier die Hucke voll und bekommt Rückendeckung vom Gericht und der Bundesanwaltschaft.