NSU-Prozess Verteidiger verschleppen weiterhin Verteidigungs-Plädoyers
Fast drei Wochen lang war der NSU-Prozess über Ostern unterbrochen. Hinter den Kulissen ist in dieser Zeit aber viel passiert: So hat sich der Angeklagte André E. einen neuen Verteidiger genommen. Der sorgte am Dienstag gleich dafür, dass der Prozess erneut ins Stocken geraten ist.
Seit Monaten schon steht in dem Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht der Beginn der Verteidiger-Plädoyers auf der Tagesordnung - womit die letzte Phase dieses bald fünf Jahre dauernden Mammutverfahrens eingeläutet werden würde. Doch die Verteidigung hat es immer wieder geschafft, den Beginn der Schlussvorträge zu verhindern. Bislang waren dafür vor allem die Anwälte von Ralf Wohlleben zuständig, des mutmaßlichen Lieferanten der Waffe, mit dem der NSU neun Menschen ermordete. Sie hatten seit Januar wiederholt beinahe gleichlautende Beweisanträge gestellt, die zwar nie Aussicht auf Erfolg hatten, ihr eigentliches Ziel aber dennoch erreichten: die Verschleppung des Verfahrens.
Das Pult war schon aufgebaut
Am letzten Verhandlungstag vor den Osterferien hatte es dann schließlich tatsächlich so ausgesehen, als ob es losgehen könnte, das Pult für die Plädoyers war schon aufgebaut - doch da meldete sich plötzlich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu Wort: Sie habe Kopfweh und ihr sei übel. Die Verhandlung wurde ausgesetzt.
Heute sollte also der nächste Versuch unternommen werden, auf die Zielgerade des Prozesses einzubiegen. Dementsprechend groß war der Andrang von Medienvertretern und Zuschauern. Doch sie wurden einmal mehr enttäuscht.
André E. will neuen Pflichtverteidiger
Diesmal war es die Verteidigung von André E., die einen Strich durch die Rechnung machte. Schon vor drei Wochen hatte der mutmaßliche NSU-Unterstützer versucht, einen neuen, dritten Pflichtverteidiger beigeordnet zu bekommen: Einen Szeneanwalt der extrem rechten Szene. Das Gericht lehnte dies jedoch ab. Über die Osterpause hat André E. nun Kontakt zu dem Karlsruher Strafverteidiger Daniel Sprafke aufgenommen, der zuletzt durchaus erfolgreich Angeklagte aus der islamistischen Szene in Terrorprozessen verteidigte. Doch auch seine Beiordnung als Pflichtverteidiger lehnte das Münchner Oberlandesgericht ab, ebenso den Antrag, den NSU-Prozess für mehrere Wochen zu unterbrechen, damit sich Sprafke einarbeiten kann.
"Verwirrte Prozess-Destruktion"
Kaum hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl diese Beschlüsse am Dienstagmorgen verkündet, erhob der neue Verteidiger von André E. prompt Einspruch. Daraus entwickelte sich, wieder mal, eine Kaskade an Stellungnahmen, Gegenreden, Verfügungen und Unterbrechungen, wie inzwischen aus dem NSU-Prozess hinlänglich bekannt. Rechtsanwalt Sprafke agierte dabei zeitweise so ungeschickt, dass er von Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten regelrecht abgekanzelt wurde: Er betreibe eine derart "verwirrte Prozess-Destruktion", dass sich die Bundesanwaltschaft nicht in der Lage sehe, dazu "in irgendeiner Form qualifiziert Stellung zu nehmen". Der Strafverteidiger solle erst einmal klären, "was er genau hier tut oder beantragt hat".
Befangenheitsantrag gegen den Richter
Dennoch hatte Sprafke am Ende mit seinem Agieren Erfolg: In der Mittagspause stellte er einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, die Hauptverhandlung wurde daraufhin bis Mittwochmittag, 12.00 Uhr, unterbrochen. Bis dahin, so hat es Sprafke angekündigt, will er weitere Anträge mit seinem Mandanten André E. vorbereiten. Angesichts dessen ist höchst fraglich, ob die Verteidigerplädoyers diese Woche überhaupt noch beginnen können.