Seltsame Kriterien Höhere Milchpreise nur für ausgewählte Bergbauern
Bis vor ein paar Jahren gab es nur einen großen Anbieter von Bergbauernmilch in Bayern: die Molkerei Berchtesgadener Land. Nun gibt es aber auch die Molkerei Bergader aus Waging, die ebenfalls auf die beliebten Bergprodukte setzt. Und den Bergbauern höhere Milchpreise zahlt. Eine gute Sache?
Konrad Estermann vom Samerberg ist etwas Besonderes - und seine 19 Milchkühe auch. Denn sie leben im Sommer auf der Alm auf 800 Metern Höhe. Das macht ihre Milch besonders wertvoll.
Konrad Estermann bekommt stolze sechs Cent Bergbauernzuschlag pro Liter Milch, das macht etwa 37 Cent Auszahlungspreis - je nach Fett und Eiweißgehalt. Seine Molkerei Bergader hat eine erfolgreiche Bergbauernlinie aufgebaut und gibt die höheren Preise an ihre Milcherzeuger weiter.
"Mit diesem miserablen Milchpreis. den andere Molkereien bezahlen, könnten wir eigentlich nicht leben. Weil es macht dann eigentlich keinen Spaß nimmer."
Konrad Estermann
Auch ein Bergbauer, aber kein Zuschlag
Auch diese Kühe produzieren beste Milch: von frischen Wiesen im Voralpenland, auf 776 Metern Höhe. Auch Bauer Johann Glockner liefert an die Molkerei Bergader, bekommt aber keinen Preiszuschlag.
"Also mich hat das scho irgendwie richtig geärgert, wie ich des gehört hab, dass unsere Molkerei da eigentlich eine Zwei-Klassen-Milch macht. Für die Milch, die aus der Bergkulisse kommt, dass man da einen höheren Preis zahlt und die aus der Nicht-Bergbauernregion, dass man da den niedrigeren Preis beibehält."
Johann Glockner
Jeder wäre jetzt gerne Bergbauer - ein Thema, mit dem sich auch die Molkereigenossenschaften im Voralpenland herumschlagen müssen. Aber wer bekommt denn nun den begehrten Preiszuschlag und wer nicht?
"Den Zuschlag bekommen all diese Landwirte, die vom Amt für Landwirtschaft als Bergbauern geführt werden. Das sind Landwirte, die in der Gebietskulisse Milch produzieren, die vor 40 Jahren letztlich ausgewiesen worden ist."
Georg Bauer
Als Bergbauern-Gebietskulisse gelten Gemeinden oder Gemeindeteile mit einer Höhenlage über 800 Metern. Oder es reichen auch 600 Meter, aber mit einer Hangneigung von 18 Prozent auf mindestens der Hälfte der Wirtschaftsfläche. Doch wie sieht es mit der Fütterung und Haltung aus? Müssen die Kühe auf der Weide stehen? Oder zumindest frisches Gras fressen?
"Frischgrasanteil, glaub ich, ist da nicht vorgeschrieben, aber bei uns ist das einfach der Zustand hier oben, dass die Tag und Nacht das frische Gras fressen."
Konrad Estermann
Melken im Stall
Vorbildlich, aber kein Muss. Dennoch: Auch bei Konrad Estermann gehen die Milchkühe zum Melken in den Stall, und dort gibt es Kraftfutter und Mais. Gentechnikfrei, das ist die einzige Bedingung der Molkerei.
8.500 Liter Milch im Jahresdurchschnitt liefern seine Kühe. Nur mit Gras und Heu wäre das nicht zu machen. Das Kraftfutter kauft der Landwirt zu, auf 800 Metern Höhe kann er es nicht selbst anbauen. Doch alles kein Thema, er ist offiziell Bergbauer! Milchprodukte aus Österreich oder Bayern: mit Alpen-Panorama, saftigen Wiesen, Kühen mit Hörnern und urigen Bergbauern – das verkauft sich gut. Die Bilder auf den Verpackungen vermitteln jedoch eine Idylle, die man in der Realität nicht immer findet.
Johann Glockner wurmt das: er hat Weidegang, Hörnerkühe, gesunde Milch mit viel Omega-3-Fettsäuren. Aber sein Betrieb fällt eben nicht in die Bergbauern-Gebietskulisse, an der sich seine Molkerei orientiert. Pech gehabt. Und ein bisschen nachhelfen, so wie andere, das will er nicht.
"Wir suchen Pachtflächen im Bergbauerngebiet, Landkreis Rosenheim und Miesbach. Bis 1.000 Euro pro Hektar wird gezahlt. Da hab ich mir gedacht, was sind denn das für Wahnsinnige. Wird jetzt da versucht, dass man Milcherzeugnisbetriebe aus dem Flachland oder nicht Bergbauerngebiet – dass sich die da jetzt einen Status erkaufen, dass sie dann ihre Milch einfach zum Bergbauernpreis verkaufen können?"
Johann Glockner
Ein Geschäft, das sich zu lohnen scheint. Und das auch völlig legal ist. Glockner zeigt uns sogenannte Bergbauernhöfe - im Tal. Zum Teil große Betriebe, mit Futtersilos, in denen die Kühe im Stall stehen und nicht auf der Wiese, der Alm, oder am Berg.
Ist das Verbrauchertäuschung? Johann Glockner empfindet es auf alle Fälle als ungerecht, dass die einen die sechs Cent Zuschlag pro Liter bekommen als Bergbauern, die anderen aber nicht. Denn bei vielen Milchbauern geht es derzeit ums Überleben.
"Ich glaub nicht, dass wir so in die Zukunft gehen können so. Weil wir uns Bauern untereinander nicht mehr in die Augen schauen können."
Johann Glockner
Bei der Erzeugergemeinschaft Miesbach sind 225 Landwirte im Bergbauerngebiet, 25 nicht. Um Ärger zu vermeiden, wird hier der Milchpreiszuschlag für Bergbauern auf alle umgelegt.
"Mir san eine Genossenschaft, mir wollen keinen bevorteilen oder benachteiligen. Und das ist für uns jetzt die ideale Lösung."
Georg Bauer
Die staatlichen Behörden und die Molkerei Bergader sind gerade dabei, die Kriterien für Bergbauern anzupassen und gerechter zu machen. Damit Friede einkehrt und damit auch der Verbraucher das bekommt, was er sich eigentlich wünscht.
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Geli, Freitag, 14.Oktober 2016, 15:51 Uhr
5.
Hallo zusammen,
wenn Ihr wirklich wiesen wollt wo Euere wertvolle Bergbauernmilch herkommt solltet Ihr euch morgens ab 4 Uhr an den Eingang von den besagenten Molkereien stellen und die Kennzeichen der LKWs kontrollieren die die Milch anliefern!
Aber seit nicht so sehr überracht wenn euere Vorstellungen nicht mit der realität übereinstimmen!!!
Lotti, Freitag, 14.Oktober 2016, 14:05 Uhr
4. Idee gut, Umsetzung nachbessern
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn Kleinbetriebe verglichen mit den irrsinnigen Massentierhaltungen besser gefördert werden.
Gut möglich, dass die Kriterien hierfür nachgebessert werden können, irgendeinen Maßstab muss man halt erst mal anlegen.
Sollte sich herausstellen, dass Missbrauch betrieben oder versucht wird, kann man nachjustieren, z. B. die Kraftfutterquote miteinbeziehen. Es muss halt einfach und kontrollierbar bleiben.
Prinzipiell ist der Ansatz erst mal eine gute Sache. Bravo Bergader und Berchtesgadener!
Robert Wassmer, Freitag, 14.Oktober 2016, 10:59 Uhr
3. Bergbauernmilch
Bis ich eben diesen Artikel las, kaufte ich Milch und Milchprodukte der Molkerei "Berchtesgadener Land" aus Überzeugung.
Jetzt frage ich mich, ob ich das weiterhin tun sollte.
Gibt es denn im Bereich der organisierten Produktion bäuerlicher Produkte überhaupt etwas, was ich mit einem gewissen Anspruch an die Sinnhaftigkeit meines Handelns irgendwo kaufen kann?
Oder muss ich mir wieder selbst eine Kuh und eine Ziege in den eigenen Stall stellen, um von anderen Menschen nicht an der Nase herumgeführt werden zu können, wenn ich einen Schluck Milch trinken oder ein Stück Käse essen möchte.
Bekomme ich im Supermarkt auf der Verpackung meiner Milch denn gesagt, ob da nur die Milch drin ist, für die der Landwirt auch den "Bergbauernmichpreiszuschlag" bezahlt bekommt oder nicht?
Wenn VW schummelt, müssen Milliarden als Strafgelder bezahlt werden, wenn die Schummelei auffällt.
Was zahlt uns Verbrauchern die "Molkerei meines Vertrauens" als Wiedergutmachung für missbrauchtes Vertrauen?
Bravo, Bergader, Freitag, 14.Oktober 2016, 10:42 Uhr
2. Argarpolitik der EU nur für Großkonzerne
Streicht den Riesenstallbetreibern mit ihren Turbokuehen, die nie an fie frische Luft kommen, jegliche Förderung und gebt das Geld den Kleinbauern, die ihr Vieh noch auf die Weide treiben. Ganz egal, auf welcher Seehoehe die ihre Wiesen haben.
Das ist wenigstens noch wirklich bäuerliche Landwirtschaft. Und wenn Milch und Butter etwas mehr kosten, weiß man zumindest, dass man ordentliche Ware dafür erhält.
Schorsch Heidlinger, Freitag, 14.Oktober 2016, 06:29 Uhr
1. Höhere Milchpreise
Hoffentlich wird kein Bergbauern-Gen in die Milch gezüchtet. Aber für den grenzenlosen Profit und unterstützt durch die EU, ist alles möglich.