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Lost Placer Faszinierender Verfall

Es gibt Menschen, die gehen in ihrer Freizeit lieber dahin, wo nichts los ist. Sie besuchen Industriebrachen: Leerstehende Einkaufszentren, stillgelegte Fabriken, verwaiste Krankenhäuser, um die verlassenen Orte zu fotografieren.

Von: Carlo Schindhelm

Stand: 14.07.2016 |Bildnachweis

Lost Place in Oberfranken | Bild: BR - Studio Franken/Carlo Schindhelm

Früher hat es die Menschen mit dem besonderen Interesse für verfallene Orte sicherlich auch schon gegeben, doch heute können sie durch die sozialen Netzwerke viel leichter miteinander in Kontakt treten. Die sogenannten "Lost Placer“ oder "Urban Explorer“ teilen Fotos auf Facebook, schweigen aber lieber, wenn es um die genaue Lage der verlassenen Orte geht.

Beliebt bei Kupferdieben

In einem ehemaligen Führerstand eines Schotterwerkes in Oberfranken befand sich in einem großen Metall-Schrank die gesamte Steuerungstechnik. Heute sieht es aus, als wäre eine Bombe in dem Raum explodiert. Lampen hängen von der Decke, überall Glassplitter von eingeschlagenen Fenstern, herausgerissene Kabel:

"Das war die Stromverteilung für die Anlage komplett hier oben – aber wie man sieht: Alles, was Geld bringt wird mitgenommen."

Thomas Tix, Hobbyfotograf von verlassenen Gebäuden und Lost Placer.

Längst haben Kupferdiebe ihr Unwesen getrieben. Und immer wieder finden sich Spuren von Vandalismus. Thomas Tix ärgern die Spuren der Zerstörung. Ihn reizt etwas anderes: zu beobachten, wie die Natur wieder sprießt. Thomas Tix macht Fotos von Bäumen, die in verwaisten Treppenhäusern oder zwischen Förderbändern wachsen. Mit dabei ist seine Lebensgefährtin Nadja – von Beruf Altenpflegerin.

Nicht selten kommt es zu Hausfriedensbruch

Thomas und Nadja haben für sich ein paar Regeln aufgestellt: Es wird nichts mitgenommen, es wird nichts verändert und wo man nicht ohne Gewalt reinkommt, da gehen sie auch nicht rein. Er habe "Lost Placer“ kennen gelernt, die sich mit dem Bolzenscheider Zugang verschafften, den Kontakt habe er dann schnell abgebrochen.

Tatsächlich muss sich jeder, der etwa stillgelegte Fabriken betritt, bewusst sein, dass er Hausfriedensbruch begeht.

"Ich setze mal voraus, dass diese Fabrik verschlossen ist – das Torgelände ist zu. Es ist umstellt mit Zäunen – die Werkshalle ist geschlossen, dann ist natürlich für so einen Lost Placer ersichtlich, dass man diese Räume nicht betreten darf."

Marc Brab, Anwalt für Strafrecht und Arbeitsrecht.

Viele dürften jedoch darauf spekulieren, dass sie nicht erwischt werden, sagt Marc Brab. Denn der Hausfriedensbruch sei ein sogenannter Antragsdelikt. Nur der Eigentümer  kann Anzeige erstatten. Einen Ertappten erwartet eine Geldstrafe bis hin zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Problematisch seien auch manche Foreneinträge, in denen sich "Lost Placer“ zu gemeinsamen Aktionen verabreden:

"Jemand preist in dem Forum an – er habe jetzt eben ein tolles Gelände gefunden, was man zu mehreren Personen eben auch betreten könne. Dann ist das ein Aufruf zu einer Straftat – also das ist ein echt heiß diskutiertes Thema derzeit"

so Marc Brab, Anwalt für Strafrecht und Arbeitsrecht.

Thomas Tix entdeckte seine Faszination für verlassene Orte vor etwa drei Jahren.

Ganz ungefährlich ist das Hobby nicht. Er setzt jeden Schritt durch das Schotterwerk mit Bedacht. Einmal schon ist Thomas Tix im ersten Stock eines alten Hauses durchgebrochen und fand sich ein Stockwerk tiefer wieder. Er hatte Glück: Außer Prellungen war nichts weiter passiert. Befreundete "Lost Placer" waren auf Entdeckungstour in Tschechien unterwegs, als sie sich plötzlich in einer wilden Verfolgungsjagd mit Drogenproduzenten wiederfanden, erzählt Thomas Tix.







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