Reaktionen auf Wahlverschiebung "Man soll die Präsidentschaft abschaffen"
Fatalismus, Resignation, Galgenhumor - das sind die Reaktionen der Österreicher auf die Verschiebung der Präsidenten-Stichwahl. Immerhin können 45.000 junge Leute hoffen, nun doch abstimmen zu dürfen.
Die Österreicher sind gespalten, hin- und hergeworfen zwischen Empörung und Hinnahme des Unvermeidlichen. Diesen Eindruck jedenfalls machen die Stimmen in einer Straßenumfrage:
"Wo Menschen sind passieren Fehler.
Mir tun die zwei leid, muss ich ehrlich sagen.
Mich ärgert das sehr, dass ich wieder wählen gehen muss.
Peinlich für alle, aber muss man damit leben, nicht?
Wählen müssen wir gehen, oder sollen wir gehen, ob wir das jetzt im Oktober oder im Dezember machen – es bleibt uns nicht erspart."
Stimmen aus einer Straßenumfrage in Wien
Die Kandidaten geben sich gelassen
Nun wird es also der 4. Dezember - der Wahlkampf verlängert sich noch einmal um zwei Monate. Die beiden Kandidaten versuchen, es gelassen zu nehmen. Die Klebstoffpanne habe gezeigt, das Land brauche Zusammenhalt, mehr denn je, so Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Er ruft dazu auf, die Ärmel hochzukrempeln - dann werde man gemeinsam die Wahl auch am 4. Dezember gewinnen.
Leicht konsterniert, aber zum Durchhalten entschlossen gibt sich auch FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.
Wem nützt die Verschiebung?
Experten sagen, dass nun das Wählerregister aktualisiert werde, könne leichte Vorteile für Alexander Van der Bellen bringen. Denn nun können rund 45.000 Jungwähler zusätzlich abstimmen, die seit dem ersten Wahlgang 16 Jahre alt geworden sind - das ist in Österreich das Mindestwahlalter. In der ersten Stichwahl haben etwas mehr Jüngere Van der Bellen als Hofer gewählt.
Andere Wahlforscher betonen, es komme mehr darauf an, welches Thema vor dem 4. Dezember dominiert. Stehen etwa die Probleme Großbritanniens mit dem Brexit im Vordergrund, könnte dies Van der Bellen helfen – er ist dezidierter Pro-Europäer. Steht das Thema Flüchtlinge im Vordergrund, könnte dies dem Flüchtlingsskeptiker Hofer helfen.
Es geht auch ohne Präsidenten
Eine Gefahr, die in vielen österreichischen Kommentaren betont wird, ist wachsende Politikverdrossenheit und damit sinkende Wahlbeteiligung. So ist auch auf der Straße immer häufiger die Meinung zu hören: wozu brauchen wir eigentlich einen Bundespräsidenten?
"Jetzt haben wir bis jetzt keinen gehabt und bis Dezember brauchen wir auch keinen - und eigentlich brauchen wir gar keinen.
Also wir sind der Meinung, dass wir keinen Präsidenten brauchen. Man soll die Verfassung ändern und die Präsidentschaft abschaffen."
Stimmen aus einer Straßenumfrage in Wien
Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hält dagegen. Er rechnet damit, dass sich viel Empörung bis zum 4. Dezember wieder legen wird. Die meisten würden dann doch wieder wählen gehen:
"Es ist natürlich demokratiepolitisch eine Blamage, eine Peinlichkeit, zum Fremdschämen - oder welchen kräftigen Ausdruck der Kritik Sie auch immer finden wollen. Ich halte aber nichts von einer hysterischen Dramatisierung, denn man muss auch dazu sagen, dass die Korrektive der Demokratie funktionieren."
Politikwissenschaftler Peter Filzmaier
Die Zeit drängt - jetzt ist das Parlament gefordert
Noch aber ist auch der neue Wahltermin nicht in trockenen Tüchern. Zunächst muss das Wahlgesetz geändert werden, die Zeit ist knapp. Heute beginnt der parlamentarische Prozess. Bis entweder Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen wirklich Präsident ist, wird es voraussichtlich 2017. Die Vereidigung des Wahlsiegers wird nicht vor Januar möglich sein.
Und was ist mit der Neujahrsansprache, lautet eine von vielen Fragen. Die, so die Antwort bisher, wird diesmal in Österreich einfach ausfallen.