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Fall Peggy und der NSU "Diesen Spuren wurde bisher kaum nachgegangen"

Als wären die Morde des NSU nicht verworren genug, wird nun der mutmaßliche Neonazi-Täter Uwe Böhnhardt mit dem Fall der ermordeten Peggy in Zusammenhang gebracht. Was könnte das für den NSU-Prozess bedeuten? NSU-Expertin Ina Krauß im Gespräch.

Von: BR24

Stand: 14.10.2016

BR-Montage: Uwe Böhnhardt/Peggy | Bild: picture alliance/dpa

Welche Auswirkungen könnten die neuen Erkenntnisse im Fall Peggy für den NSU-Prozess haben?

Ina Krauß: Das bleibt das abzuwarten. Denn im NSU-Prozess ist ja nicht Uwe Böhnhardt angeklagt. Er ist zwar einer der Haupttäter in diesem Komplex, aber angeklagt ist ja Beate Zschäpe und mutmaßliche Unterstützer des NSU. Aber natürlich wird der DNA-Fund, wenn er sich bestätigt, auch thematisiert werden.

Im Umfeld des NSU-Prozesses war das Thema Kindesmissbrauch ja schon des Öfteren aufgetaucht. Welche Punkte könnten jetzt relevant werden?

Ina Krauß ist NSU-Expertin in der Politikredaktion

Ina Krauß: Im NSU-Prozess hat bisher ein Asservat keine Rolle gespielt, das aus dem Brandschutt der Zwickauer Frühlingsstraße stammt, der letzten konspirativen Wohnung des NSU-Trios. Da wurde auf einem Datenträger kinderpornografisches Material gefunden - Bilder mindestens eines Mädchens und eines Jungen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme minderjährig waren. Diesen Spuren wurde bisher kaum nachgegangen, weil Kindsmissbrauch bisher keine Rolle gespielt hat.

Ein weiteres Indiz findet sich im Wohnmobil von Böhnhardt und Mundlos, mit dem sie zuletzt unterwegs waren, um eine Bank zu überfallen, und wo Mundlos mutmaßlich erst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen hat. In diesem Wohnmobil wurden Kinderspielsachen und Kinderkleidung gefunden. All das wird sicher Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Jedenfalls haben die Nebenklagevertreter angekündigt, dass das kinderpornografische Material Gegenstand eines Beweisantrags sein wird.

Es gibt ja noch einen ungelösten Kindermord, in dessen Zusammenhang der Name Enrico T. eine Rolle spielte - ein alter Freund von Uwe Böhnhardt..

Ina Krauß: Das ist ein Fall aus dem Jahr 1993. Da wurde am Saale-Ufer in Jena die Leiche eines ermordeten zehnjährigen Jungen aufgetaucht. Enrico T., der damals vernommen wurde, ist auch im NSU-Verfahren Thema, weil er als Freund von Böhnhardt die wichtigste Mordwaffe beschafft hat. Böhnhardt ist damals nur als Zeuge vernommen worden und es ergab sich kein dringender Tatverdacht, aber auch diese Ermittlungen dürften neue Nahrung erhalten.

Ein weiterer Name : Tino Brandt, früherer Anführer des thüringischen "Heimatschutzes"...

Ina Krauß: Ein führender Neonazi und Vertrauter des NSU, der wegen Kindsmissbrauch in 66 Fällen verurteilt wurde und auch weil er Kinder an Freier vermittelt hat. Diese Fälle fallen aber in einen Zeitraum nach den NSU-Morden.

Darf man sich von Beate Zschäpe Hilfe bei der Aufklärung dieser Dinge erwarten?

Ina Krauß: Der Nebenklagevertreter Mehmet Daimagüler hat sie bereits aufgefordert, dazu beizutragen - doch das wird wohl ebenso verpuffen wie die bisherigen Aufforderungen der Nebenkläger, Licht ins Dunkel zu bringen.

Wie geht es jetzt mit den Ermittlungen weiter? Geht das gleich in den Zuständigkeitsbereich von BKA und Bundesanwaltschaft über oder bleibt die Staatsanwaltschaft Bayreuth verantwortlich?

Ina Krauß: Das NSU-Verfahren ist als Terrorismusverfahren in der Hand der Bundesanwaltschaft, die auch anklagt. Die Missbrauchsvorwürfe sind ohne politischen und terroristischen Hintergrund. Im Moment sieht die Bundesanwaltschaft keinen Grund hier einzusteigen.

Das heißt, dass die neuen Spuren in den NSU-Prozess vielleicht gar nicht einfließen?

Ina Krauß: Da Böhnhardt nicht angeklagt ist, eher nicht. Wenn Beate Zschäpe allerdings von einem möglichen Kindsmissbrauch Böhnhardts gewusst hätte, wäre es Thema. Das bleibt abzuwarten. Der nächste NSU-Prozesstag ist in zwei Wochen.


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