Extremisten und Populisten Anti-Europäer stürmen EU-Parlament
Sie heißen FPÖ, Front National oder Goldene Morgenröte: Extrem rechte Parteien setzen auf den Frust über die Brüsseler Politik. Das Kalkül könnte aufgehen: Die EU-Gegner werden womöglich 130 Sitze im EU-Parlament erobern.
Gemeinsam ist den rechtspopulistischen bis gewaltbereit rechtsextremen Parteien die antieuropäische Haltung, das Feindbild Islam und die Kampf gegen die "Zuwanderung". Würden sich auch nur einige von ihnen im EU-Parlament zusammentun, könnte eine solche Fraktion die rechtspopulistische "Europa der Freiheit und Demokratie" ablösen. Als Speerspitze der Ultrarechten gilt die Französin Marine Le Pen, die Chefin des Front National.
Die zum Gutteil neonationalsozialistische NPD verkörpert die harte Variante des Rechtsextremismus. Ihr Programm zur Ausweisung von Ausländern weist Parallelen zur Agenda von Hitlers NSDAP auf. Derzeit läuft ein Verbotsverfahren gegen die "Nationaldemokraten". Weil in Deutschland 2014 erstmals die Prozenthürde bei Europawahlen wegfällt, hat die NPD die Chance, einen Abgeordneten nach Straßburg zu entsenden. Sollte dies gelingen, säße voraussichtlich Ex-NPD-Chef Udo Voigt, der für eine Radikalisierung der Partei stand, im Europaparlament.
Nicht extremistisch, aber populistisch kommt die Alternative für Deutschland (AfD) daher. Sie setzt mit ihrem Slogan "Mut zu D EU tschland" ein klares Zeichen: Erst geht es um Deutschland, dann um Europa. Ein Austritt aus dem Euro wird für die Krisenländer Südeuropas gefordert. Neben Parteichef Bernd Lucke auf Listenplatz eins soll der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel der Partei ein Gesicht geben. In der Wählergunst erreichte die AfD laut Umfragen zuletzt sechs Prozent.
Mit einer verbalen Distanzierung von eindeutig rechtsradikalem Gedankengut hat Marine Le Pen den Front National zu einer für viele Franzosen wählbaren Partei gemacht. Offene Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus sind inzwischen tabu. Stattdessen schlachtet die Partei Themen wie Rente mit 60 oder Sicherheit populistisch aus. Ihr Nationalismus setzt auf Abgrenzung von EU und NATO. Bei der Europawahl könnte der Front National Umfragen zufolge zweitstärkste oder sogar stärkste französische Partei werden.
Der Sieg der Rechtsnationalen FIDESZ unter Viktor Orban bei den jüngsten Parlamentswahlen hat niemanden überrascht. Weit erschreckender ist, dass jeder fünfte Ungar die rechtsextremistische Partei Jobbik gewählt hat. Dies dürfte den befürchteten Rechtsruck bei den Europawahlen befeuern. Parteichef Gabor Vona brüstete sich, der "erfolgreichsten radikal-nationalistischen Partei in der EU" vorzustehen. Wegen der radikalen Positionen - unter anderem ihrer Hetze gegen die Roma-Minderheit - hatten sich sogar andere rechtsextreme Parteien in Europa von Jobbik distanziert.
Die Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders könnte - glaubt am den Umfragen - mit fünf Sitzen als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgehen. Wilders fährt einen harten Abgrenzungskurs gegen Europa. Gemeinsam mit Marine Le Pen will er im EU-Parlament ein neues Rechtsbündnis schließen. Er kritisiert den freien Zuzug von Arbeitnehmern vor allem aus Osteuropa. Wilders legt sich für einen EU-Austritt der Niederlande ins Zeug und für die "Befreiung vom Diktat Brüssels".
Die rechtsextremistische und rassistische Goldene Morgenröte könnte drittstärkste Kraft werden und einen oder zwei Abgeordnete nach Straßburg schicken. Zahlreichen Parteifunktionären wirft die Justiz vor, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Der Parteichef und fünf weitere Abgeordnete sind bereits inhaftiert. Die Partei profitiert vom Frust vieler Bürger, die die Regierung wegen der schweren Finanzkrise abstrafen wollen. Sie fordert, alle Ausländer aus Nicht-EU-Staaten aus Griechenland auszuweisen.
Auf der Insel könnte es einen Triumph der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) geben. Demoskopen sehen die Euroskeptiker derzeit bei 26 Prozent - und damit vor den regierenden Torys von Premierminister David Cameron. Einige Experten rechnen damit, dass UKIP bis zum Wahltag auch noch die derzeit führende Labour-Partei überholen könnte. Die UKIP steht vor allem für den Austritt Großbritanniens aus der EU und für eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung. Die rechtsextremistische BNP dürfte ohne Chancen sein.
Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hofft fest auf einen neuerlichen Einzug ins EU-Parlament. Umfragen sehen die Partei knapp über 20 Prozent. Sie könnte also aus der Europawahl als große Gewinnerin hervorgehen. Mit Kritik an der EU und fremdenfeindlichen Tönen spricht die Partei vor allem Protestwähler an. Ihr Chef Heinz-Christian Strache positioniert sich als Kämpfer für den kleinen Mann. Bei der vergangenen Bundestagswahl kam die FPÖ mit 20,50 Prozent der Stimmen auf den dritten Platz.
Die Lega Nord zählt zu den klassischen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Sie hat sich einen "regionalen Nationalismus", Föderalismus und Autonomie auf die Fahnen geschrieben - immer in Konfrontation zum armen Süden des Landes und zur Hauptstadt Rom. Bei den Europawahlen 2009 eroberte die Lega neun Sitze. Zuerst pro-europäisch eingestellt, profiliert sie sich inzwischen als eine scharfe Kritikerin der EU. Ihr Monitum des Kompetenverlustes der Nationalstaaten teilt sie mit anderen populistischen und auch linksextremen Parteien.
Im Nordosten der EU sind die rechtspopulistischen Wahren Finnen drittstärkste Kraft im Parlament. Ein Abgeordneter der Partei von Timo Soini sitzt bereits im Europaparlament. Die Wahren Finnen haben sich von einer kleinen Protestpartei zu einer wichtigen Kraft entwickelt - obwohl sie regelmäßig wegen rassistischer oder sexistischer Äußerungen am Pranger der Medien stehen. Die Partei ist unter anderem strikt gegen Hilfszahlungen an überschuldete EU-Länder.
Der separatistische Vlaams Belang kann ebenfalls mit einem Einzug ins EU-Parlament rechnen. Die Partei steht der EU kritisch gegenüber, positioniert sich jedoch nicht strikt anti-europäisch. Der Vlaams Belang vertritt einen Mix aus flämischem Nationalismus und rechtsradikalem Gedankengut. Den extremistischen Habitus hat die Partei über die Jahre hinweg jedoch zugunsten eines nationalkonservativen Profils abgelegt.
Dort gilt die rechtspopulistische Volkspartei (Dansk Folkeparti - DF) als Vorreiter der rigiden Ausländerpolitik und hat in den vergangenen Jahren stetig an Unterstützung gewonnen. Bei Meinungsumfragen war die DF zuletzt sogar die Partei mit dem zweitgrößten Zuspruch. Vor allem gegen die Einwanderung von Muslimen steuert sie einen harten Kurs. Bei der Europawahl 2009 errang die DF bereits zwei Mandate - und hat auch diesmal gute Chancen, wieder in das Parlament einzuziehen.
Dort zählten die Schwedendemokraten bis vor einigen Jahren noch zum rechtsextremistischen Lager. Sie selbst bezeichnen sich als nationalistisch. Noch sitzen die "Sverigedemokraterna" nicht im Europaparlament, doch stecken sie viel Geld in ihren Wahlkampf. Parteivorsitzender ist seit 2005 Jimmie Åkesson. Zwei bis drei Mandate erhofft er sich. Die Schwedendemokraten wollen den "Erweiterungseifer" der EU dämpfen und Grenzkontrollen wieder einführen.
Dort hetzt die minderheitenfeindliche Nationalpartei SNS gegen Minderheiten: slowakische Ungarn und Roma. Auch Homophobie ist der Partei nicht fremd. Derzeit ist die SNS mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten. Aus dem nationalen Parlament schied sie dagegen 2012 wieder aus, nachdem ihre Minister mehr durch Korruptionsverdacht als konstruktive Arbeit aufgefallen waren. In nationalen Umfragen bewegt sich die SNS an der für einen Parlamentseinzug in der Slowakei nötigen Fünfprozenthürde.
Die ultrarechte Nationale Allianz ist derzeit mit 13 Abgeordneten im lettischen Parlament vertreten und gehört seit 2011 der Regierung an. Im EU-Parlament hat die Partei seit 2009 einen Abgeordneten sitzen, der der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten angehört. Anfang März kam sie in einer Umfrage auf den vierten Platz in der Wählergunst. Die Partei beteiligt sich traditionell am umstrittenen Gedenkmarsch der lettischen SS-Veteranen in Riga.
In dem Balten-Staat geht die rechtspopulistische Partei für Ordnung und Gerechtigkeit ins Rennen. Gründer und Vorsitzender ist der 2004 wegen Amtsmissbrauchs abgesetzte Ex-Präsident Rolandas Paksas. Er selbst darf deshalb kein öffentliches Amt in Litauen mehr bekleiden. Doch seit 2009 sitzt er im EU-Parlament. Dort gehören er und eine weitere Abgeordnete der Partei der Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie an.