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Neonazis mit Presseausweis Falsche Journalisten

Rechtsextreme Gruppen rufen ihre Anhänger dazu auf, sich mit Presseausweisen auszustatten. Auch verurteilte Rechtsterroristen nehmen als Journalisten getarnt an Pressekonferenzen teil oder schleichen sich unter Gegendemonstranten. Die Behörden sind alarmiert.

Von: Jonas Miller

Stand: 29.07.2016 | Archiv

Fotograf mit rechtsextremem T-Shirt und Presseausweis | Bild: BR/Jonas Miller

"Die Tätigkeit als nationaler Pressevertreter hat zahlreiche Vorteile: Zunächst einmal haben Pressevertreter bei Demonstrationen das Recht, sich relativ frei bewegen zu können", schreiben Aktivisten der rechtsextremistischen Partei "Die Rechte" im Internet. Mittlerweile haben sich zahlreiche Neonazis Dokumente zugelegt, die sie als vermeintliche Pressevertreter ausweisen.

Den Gegner ausspähen

Bei Demonstrationen der rechtsextremen Szene kommt es immer häufiger zu skurrilen Szenen. Neonazis geben sich Polizeibeamten gegenüber als Journalisten aus, können so Absperrungen durchlaufen, Gegendemonstranten sowie Polizisten fotografieren und die Einsatztaktik der Polizei ausforschen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet dieses Vorgehen seit einigen Jahren.

"Auf Demonstrationen wird die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner gesucht, vor allem, wenn dann Gegendemonstranten abfotografiert werden."

Markus Schäfert, Sprecher Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz

Doch nicht nur bei Demonstrationen, auch bei Gerichtsverhandlungen und Pressekonferenzen, die für die Extremisten thematisch von Bedeutung sind, tauchen immer wieder Neonazis auf. Als die Behörden Hausdurchsuchungen bei Aktivisten der in Süddeutschland agierenden Kameradschaft "Freies Netz Süd" (FNS) vornahmen, saßen zwei FNS-Kader in der Pressekonferenz zur Razzia.

Rechtsterrorist als Pressevertreter

Rechtsextremist mit Kameraausrüstung

Einer dieser Aktivisten ist Thomas Schatt, ein verurteilter Rechtsterrorist aus München. Zusammen mit Martin Wiese und anderen hatte Schatt 2003 ein Bombenattentat auf die Grundsteinlegung eines jüdischen Gemeindezentrums in München geplant. Mittlerweile tritt Schatt bei sämtlichen Aufmärschen der Neonazis als Kameramann auf, filmt und fotografiert Gegendemonstranten.

Selbst Kai Zimmermann, Führungskader der rechtsextremen Partei "Der dritte Weg" besitzt einen Presseausweis. Während der vorbestrafte Neonazi bei Demonstrationen der Rechtsextremen als Anmelder, Ordner oder Einpeitscher auftritt, gibt er sich bei Gerichtsverhandlungen gegen Nazi-Gegner als Journalist aus, fotografiert Zuhörer und Journalisten. Erst jüngst wurde ein Mitarbeiter der "Fürther Nachrichten", der über eine Gerichtsverhandlung berichtete, auf der Internetseite der Partei mit Namen und Bild diffamiert.

Phantasieausweise

Mit gefälschtem Ausweis zur Gegendemo - meistens kein Problem

Bei einer Pegida-Demonstration in Fürth zeigte ein Kader der Kleinpartei "Die Rechte" gegenüber einem Polizeisprecher einen Phantasie-Presseausweis vor. Nach Recherchen von BR24 wird ein solcher Ausweis von keinem Verband ausgestellt. Erst nach Hinweisen von Journalisten wurde das Dokument erneut von der Polizei geprüft. Der Bayerische Journalistenverband sieht ein Problem auch bei den Behörden.

"Die Polizei akzeptiert alles, weil sie wohl Angst haben, sich als Einschränker der Pressefreiheit zu sehen. Wir appellieren an Polizeidienststellen immer nachzufragen, wer für welches Medium arbeitet. Aber auch das ist natürlich keine Garantie, dass man es mit einem tatsächlichen Journalisten zu tun hat."

Michael Busch, Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbandes

Elke Schönwald, Leiterin der mittelfränkischen Polizeipressestelle sieht ebenfalls die Gefahren, die sich durch vermeintliche Journalisten ergeben, stuft die Pressefreiheit aber höher ein:

"Wenn Personen, auch fragliche Personen, sich als Journalisten ausgeben und auch ausweisen können, dann ist das erst einmal anzuerkennen, das Presserecht ist ein hohes Gut."

Elke Schönwald, Polizei Mittelfranken

Informationen über Asylbewerberunterkünfte

Neonazis der Partei "Der dritte Weg“ versuchten in der Vergangenheit – als „freie Journalisten“ getarnt – Informationen über Asylbewerberunterkünfte zu sammeln. Die Behörden hegten Verdacht und gaben die angefragten Informationen nicht weiter. Der bayerische Verfassungsschutz reagierte umgehend.

"Es gab eine interne Veröffentlichung an Polizeidienststellen und Kommunen, mit dem Inhalt, dass sich Rechtsextremisten als Journalisten ausgeben. Wir empfehlen, bei fragwürdigen Anfragen und Personen Rücksprache mit den Sicherheitsbehörden zu führen, zum Beispiel, wenn es um Fragen zu Asylbewerberheimen geht."

Markus Schäfert, Sprecher Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz.

Dubiose Anbieter im Internet

Sich einen Presseausweis zu besorgen, ist relativ einfach. Im Internet gibt es eine Vielzahl an Vereinen, die ein solches Dokument ausstellen. Verkauft werden die Plastikkarten dabei an Jedermann, es ist nicht notwendig journalistisch tätig zu sein. Die Aussteller werben mit "Presserabatten" für Theater- und Kinobesuche. Der Bayerische Journalistenverband, der seine Ausweise gegen Nachweise nur an hauptberuflich tätige Journalisten ausgibt, ist alarmiert.

"Das Problem ist seit mehreren Jahren bekannt, es gibt ungefähr 300 verschiedene Versionen von Presseausweisen, die dem Verbandsausweis auch sehr nahe kommen."

Michael Busch, Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbandes

Bundeseinheitlicher Presseausweis gefordert

Dass sich derzeit jedermann in Deutschland mit einem Journalisten-Ausweis ausstatten kann, sehen Behörden, Ämter und Journalistenverbände als zunehmende Gefahr. Abhilfe könnte ein bundeseinheitlicher Presseausweis schaffen, der von Verleger- und Journalistenverbänden gegen entsprechende Nachweise ausgestellt wird. Bis 2008 gab es einen solchen, ein Hinweis der Innenministerkonferenz legitimierte die Ausweisinhaber. Dass ein solcher Ausweis die Problematik entschärfen würde, da sind sich alle Beteiligten einig.

"Wir würden einen bundeseinheitlichen Presseausweis sehr begrüßen, dieser würde unsere Arbeit erheblich erleichtern."

Elke Schönwald, Polizei Mittelfranken

Über die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises verhandelt derzeit das Land Niedersachsen mit dem Deutschen Presserat. "Die Gespräche sind bisher erfolgreich verlaufen", teilte das niedersächsische Justizministerium im Juni mit.


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Daniel, Dienstag, 02.August 2016, 06:45 Uhr

35. Lügenpresse unter sich

War ja klar, dass unsere liebe Presse ausschließlich systemkonforme Mitglieder in ihren Reihen haben möchte. Presseausweise kann sich jedermann ausstellen, denn nur weil man "von der Presse" ist, hat man nicht automatisch mehr Rechte.

Leser, Montag, 01.August 2016, 18:09 Uhr

34. Heuchlerisch?

1) "Presseausweise" sind in keinster Weise geschützt. Jeder, der meint irgendwie journalistisch tätig zu werden, kann sich auch selbst einen anfertigen. Aber es ist schon klar, dass man lieber nur 'genehme Kollegen' hätte, damit die "Linie" auch stimmt.
2) Wo war euer "Aufschrei" als vor Jahren das 'linke Spektrum' genau das Gleiche abzog, um Demonstranten mit der falschen "Meinung" abzulichten und in Steckbrief-Manier im Netz zu veröffentlichen. Sorry, euer "Aufschrei" riecht nach Heuchelei!

P.Reinike, Montag, 01.August 2016, 14:23 Uhr

33. Wenn zwei das Gleiche tun und die Bigotterie beginnt...

Was schon seit Jahren von Linksextremen erfolgreich zur Unterwanderung von Polizei- und Sicherheitsstrategien angewandt wird, hat nun auch die Rechtsextremen erreicht. Und was bei Journalistenverbänden bisher stillschweigend übergangen wurde, solange die Anmaßung nur von links erfolgte, wird nun zum Problem skandalisiert, weil die Rechten aufholen. Als "Pressereporter" getarnte Linksextremisten fotografierten ganze AfD Veranstaltungen durch, um sie als Denunziationsbasis zu verwenden. Die AfD protestierte und wollte Pressefotographen keinen pauschalen Zutritt mehr gewähren. Ergebnis: Der Journalistenverand protestierte und sah empört eine Gefährdung der "Pressefreiheit". Jetzt ist das anscheinend nicht mehr das zentrale Problem zu sein.

Thorsten S, Montag, 01.August 2016, 12:28 Uhr

32. Presseausweise vs. Dienstausweise

Presseausweise sind kein amtliches Dokument. Jeder Verlag, Pressehaus oder Redaktion haben ihre eigenen selbstgebastelten Presseausweise. Ein solcher Fantasieausweis berechtigt im Grunde zu gar nichts. Ist nichts anderes als eine Visitenkarte. Beruflich habe ich öfters mit Pressevertretern zutun und diese glauben teilweise tatsächlich ihr Presseausweis würde sie zu irgendwas berechtigen. Liebe Presseleute, ein Presseausweis ist in etwa so einschüchternd wie früher die Agentenausweise in der Micky Maus oder aus Yps-Heften.

s.Braun, Montag, 01.August 2016, 11:56 Uhr

31. Falsche Journalisten

Wo ist das Problem ? Bei linken Gruppierungen ist diese Vorgehensweise an der Tagesordnung, bei Demos von AFD und Pegida !