Fachstelle gegen Rechtsextremismus Pakt gegen Intoleranz und Hass
Um Neonazis und Ausländerhassern - ob gewalttätig oder getarnt als Biedermänner - wirksam zu begegnen, leistet sich die Stadt München eine eigene Fachstelle gegen Rechtsextremismus (FgR). Die im Rathaus angesiedelte Institution wird von Miriam Heigl geleitet und koordiniert ein ganzes Netzwerk von demokratischen Kräften.
Wenn Menschenleben durch Neonazi-Gewalt gefährdet sind, ist das eine extreme Form des Angriffs auf die Zivilgesellschaft. Doch deren Bedrohung fängt schon viel früher an. Etwa wenn Islamfeinde auf Infoständen hetzen oder Migranten virtuell mit Hass-Mails attackieren. Wenn die NPD-Tarnliste "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) im Wahlkampf mit homophoben Plakaten auf Stimmenfang geht. Oder wenn Rechtspopulisten versuchen, engagierte Bürger einzuschüchtern.
Gefährlicher Graubereich
Die FgR will genau da ansetzen. "Uns geht es nicht nur um Rechtsextremismus, um den natürlich auch, doch wir wollen schon vorher ansetzen, uns sind vor allem gesellschaftspolitische Aspekte wichtig", sagt Heigl. Besonders gefährlich: die Graubereiche - wenn Rechtsextreme und Rassisten versuchen, Strömungen der Gesellschaft aufzugreifen, in ihre Mitte vorzudringen und sich zu vermeintlichen Fürsprechern von (angeblichen) Bürgerinteressen zu machen. "Rechtsextreme springen oft auf einen Zug auf. Wenn zum Beispiel Neonazis auf Anti-Europa-Demos der Freien Wähler auftauchen, werden Grenzen verwischt", so die Politikwissenschaftlerin.
Aufklärung, Auflagen, Hilfe
Wie gegensteuern? Die FgR-Leiterin sieht eine der wichtigsten Aufgaben in der Aufklärung. Nur über ausreichende Information könnten die Bürger Gefahrenpotenziale erkennen. So hat die Fachstelle diverse Broschüren zum Download ins Internet gestellt - etwa Tipps für Gaststättenwirte zum Aussperren von Nazi-Stammtischen. Auch für Vermieter gibt es Info-Material mit vorbereiteten Musterformulierungen - Hilfestellungen, um zu vereiteln, was etwa im Stadtteil Obermenzing geschehen ist: dass sich Neonazis in eine Immobilie einnisten und sie als permanenten Treffpunkt mit Gleichgesinnten nutzen.
Ein weiterer Schwerpunkt der FgR ist die Verbesserung des Informationsaustausches. Ein Beispiel: Auf rechtspopulistischen Veranstaltungen wurden immer wieder Gegner fotografiert und die Bilder online gestellt. "Da kamen systematisch Leute an den Internet-Pranger - und wir konnten das nachweisen", berichtet Heigl. Ihre Erkenntnisse blieben nicht ohne Wirkung. Inzwischen habe das Kreisverwaltungsreferat Auflagen für solche in der Öffentlichkeit abgehaltenen Versammlungen verhängt: einseitiges Fotografierverbot, begrenzte Redezeiten, Pausenregelungen. Die Auflagen gelten unter anderem auch für Michael Stürzenbergers Partei "Die Freiheit", die seit Jahren auf Infoständen islamophob agitiert.
Fachstelle prominent angesiedelt
"Kunst und Kultur für Respekt": FgR-Initiative mit Münchner Kulturschaffenden gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Rassismus
So manche Kommune kehrt rechtsextreme Umtriebe lieber unter den Tisch. Für Heigl ist das keine Option, sondern: "Offen mit dem Thema umgehen, gesellschaftliche Diskussionen anstoßen." Dementsprechend startete die FgR diverse Initiativen, etwa die Jugendkampagne "Laut gegen Brauntöne" oder "Keine Stimme für Hass und Rassismus! Ich wähle demokratisch", eine Promi-Kampagne zur Kommunalwahl. Hier sind Partnerschaften mit der FgR entstanden; so bietet das Residenztheater die Diskussionsreihe "Alltag und Rassismus" im Zusammenhang mit einem NSU-Stück an. "Das alles wurde möglich, weil die Fachstelle prominent direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt, also nah an der Politik ist. Damit haben wir größere Wirkungschancen als wenn wir eingebettet in Verwaltungshierarchien arbeiten müssten", so Heigl. München sei damit neben Berlin bundesweit Vorreiter im kommunalen Kampf gegen Rechtsextremismus.
Schnelle Information stärkt demokratische Gegenkultur
Die FgR arbeitet nicht autonom, sondern ist Koordinierungsstelle eines großen Netzwerks gegen Rechtsextremismus. Neben Teilen der Stadtverwaltung gehören dazu unter anderem das "Münchner Bündnis für Toleranz" oder die "Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München" (FIRM). Auch mit Hilfe dieser Schnittstellen "haben wir einen schnellen Informationsfluss. Wir sind in München breit aufgestellt - mit einer professionellen Arbeitsteilung", erklärt Heigl. Inzwischen gibt es auch in den meisten Bezirksausschüssen einen oder mehrere "Beauftragte gegen Rechtsextremismus". Aufgrund der vielfältigen Verbindungen ist das Netzwerk in der Lage, rasch über geplante Aktivitäten von Rechts zu informieren - und Bürger können vor Ort kurzfristig Gegendemonstrationen organisieren. Es ist kein Zufall, dass in München bei Veranstaltungen von Neonazis oder Rechtspopulisten regelmäßig die demokratische Kultur Flagge zeigt.
Info
Vorfälle wie das geplante Attentat auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums oder körperliche Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund haben die Stadt veranlasst, eine eigene Institution gegen die rechte Szene zu schaffen. Im Sommer 2010 richtete der damalige Oberbürgermeister Christian Ude die Fachstelle gegen Rechtsextremismus ein. Sie wird seitdem von der Politikwissenschaftlerin Miriam Heigl geleitet.