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Aufstehen gegen den Rechtsextremismus

Ziviler Widerstand Aufstehen gegen den Rechtsextremismus

Stand: 07.03.2014

Widerstand gegen Rechtsextremismus: Bürger in Würzburg protestieren gegen Neonazis | Bild: picture-alliance/dpa; Bildbearbeitung: BR

Mutige Initiativen in Bayern bieten Rechtsextremen die Stirn. Wer bereits in die Neonazi-Szene gerutscht ist und wieder raus will, für den gibt es Aussteigerprogramme und -beratung.

Die Gesellschaft ist gegen braune Umtriebe nicht machtlos, wie vielerorts der Widerstand von Bürgern zeigt: Ob in Wunsiedel, Gräfenberg, Cham, Miltenberg, Nürnberg oder München, die Beispiele bürgerschaftlichen Engagements sind zahlreich.

Zugleich stellen Experten wie die Nürnberger Sozialwissenschaftlerin Birgit Mair fest, dass Rechtsextremisten ihre Gegner immer offensiver und selbstbewusster einschüchtern. Schuld daran sei auch der Staat, der den Extremisten zu wenig entgegensetze.

Geldmangel und Vorbehalte gegen "Links"

Viele Initiativen schlagen sich also nicht nur mit den Rechten herum, sondern auch mit mangelnder Unterstützung oder gar staatlicher Repression. Öffentliche Gelder sind rar und häufig zeitlich begrenzt wie die Bundesmittel aus dem Familienministerium. Kleine Initiativen aus dem antifaschistischen Bereich mussten zudem immer wieder mit Vorbehalten gegen "linke" Gruppen kämpfen: Das Münchner a.i.d.a.-Archiv war ab 2008 mehrere Jahre in die bayerischen Verfassungsschutzberichte als "linksextremistisch" aufgenommen worden. Doch der Verein wehrte sich vor Gericht - mit Erfolg: a.i.d.a. wird nicht mehr im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Die Stadt München bekannte sich ohnehin stets zu dem mehrfach ausgezeichneten Projekt.

Beitrag vom 1. März 2014

Bericht vom 1. März 2014: Demo gegen Münchner Neonazis

Auszeichnungen und Ermittlungen

Jahrelang Schauplatz für Neonazi-Aufmärsche: Gräfenberger Kriegerdenkmal

Preisgekrönt wurde auch eine Initiative aus einer kleinen Gemeinde in Oberfranken - und zwar von der Politik: Das Bürgerforum "Gräfenberg ist bunt" bekam den mit 10.000 Euro dotierten Bürgerkulturpreis des Bayerischen Landtags - Anerkennung und Lohn für jahrelangen zivilen Widerstand gegen monatliche NPD-Aufmärsche an einem Kriegerdenkmal.

Mit Hilfe des Bürgerforums "Gräfenberg ist bunt" konnten die braunen Umtriebe gestoppt werden.

Doch derartige Unterstützung gab es nicht immer: Die Gräfenberger Initiative musste oft auch "Gegenwind" von offizieller Seite ertragen, zum Beispiel ein Ermittlungsverfahren wegen einer Sitzblockade gegen einen Aufmarsch der Rechtsextremisten.

Ähnliches widerfuhr auch 20 Engagierten in München: Am 21. Januar 2012 blockierten sie eine Neonazi-Demo mit dem bekannten Rechtsextremen Norman Bordin. Er und seine Gesinnungsgenossen spielten dabei das "Paulchen Panther"-Lied, das auch auf dem Bekennervideo der mutmaßlichen NSU-Terroristen war. Nach der Blockade erhielten die Antifaschisten einen Bußgeldbescheid vom Kreisverwaltungsreferat. Begründung: Sie hätten gegen die Auflagen verstoßen, da sie der Weisung der Polizei, die Straße zu räumen, nicht Folge geleistet hätten.

Mehr Mut auf der Straße

Auch der dauerhafte Kampf der Wunsiedler Bürger gegen das Rudolf-Heß-Gedenken hat viel bewirkt. Oder auch das Vorbild des Pfarrers Ulrich Boom, der als "Camillo von Miltenberg" mit Glockengeläut eine NPD-Kundgebung massiv störte - und dafür mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde.

Aus den vielen bayerischen Bürgerinitiativen, Bündnissen oder Projekten gegen Rechts stellen wir hier einige beispielhaft vor.

Bürgerforum "Gräfenberg ist bunt"

Protest gegen Rechts in Gräfenberg

Ende der 1990er-Jahre erkoren rechtsextreme Kreise ein martialisch aussehendes Kriegerdenkmal in Gräfenberg zum Ziel für alljährliche Aufmärsche. Nachdem die Stadt das Denkmal Ende 2006 nicht mehr öffentlich zugänglich machte, kündigte die NPD monatliche Protestmärsche an, mehr als 30 Mal zogen Rechte durch den oberfränkischen Ort. Das Bürgerforum "Gräfenberg ist bunt" leistete dagegen erfolgreich Widerstand, unterstützt von Bürgermeister und Stadtrat. Die NPD stellte die Aufmärsche ein, bedrohte aber weiterhin Bündnis-Vertreter wie Michael Helmbrecht massiv. Dieser musste sich zudem mit der bayerischen Justiz herumschlagen, die gegen ihn wegen einer Sitzblockade gegen die Rechten ermittelte. Das Verfahren wurde im Herbst 2009 eingestellt. Im Dezember 2009 bekam "Gräfenberg ist bunt" den Bürgerkulturpreis des Bayerischen Landtags.

Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus

Im Rahmen des Bundesprogramms "Kompetent für Demokratie" wurde im Auftrag des bayerischen Kultusministeriums 2007 beim Bayerischen Jugendring die Landeskoordinierungsstelle eingerichtet. Martin Windisch koordiniert die landesweite Interventionsstelle, berät zum Beispiel Gemeinden oder Jugendzentren bei bevorstehenden rechtsextremen Aktionen. Krisenteams werden mit Hilfe des bayernweiten Beratungsnetzes eingesetzt, um vor Ort einzugreifen.

Projektstelle gegen Rechtsextremismus

Bayerisches Bündnis für Toleranz | Bild: www.bayerisches-buendnis-fuer-toleranz.de

2005 konstituierte sich das landesweite Bündnis für Toleranz, federführend waren die evangelische und katholische Kirche und die Stadt Wunsiedel. 2007 richtete das Bündnis in Bad Alexandersbad nahe Wunsiedel die "Projektstelle gegen Rechtsextremismus" ein. Leiter Martin Becher kümmert sich um eine landesweite Vernetzung von Aktivitäten gegen Rechtsextremismus. Er organisiert Seminare, berät Bürgermeister oder schult Lehrer. Becher arbeitet u. a. eng mit Bündnis-Partnern wie dem Bayerischen Jugendring und dem Innenministerium zusammen.

a.i.d.a.

Die "Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V." (a.i.d.a.) sammelt seit 1990 Material zum Themenbereich Rechtsextremismus. Der eingetragene Verein, der sich hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert, archiviert Publikationen sowohl aus der rechten Bewegung als auch aus antifaschistischer Arbeit. Zudem informiert a.i.d.a. über aktuelle Entwicklungen der Rechtsextremen, über geplante Aufmärsche und Gegenveranstaltungen.