Frauen und Rechtsextremismus Auch Frauen können extrem sein
Seit einem Jahr läuft der Prozess gegen Beate Zschäpe. Mehrmals die Woche ist die 39-Jährige fester Bestandteil der Nachrichten. Und dennoch: der Rechtsextremismus wird noch immer als männliches Problem wahrgenommen. Zu Unrecht
Es ist ein Bild, das sich festgesetzt hat: Die rechtsextreme Szene ist gewalttägig, brutal, männerdominiert. Frauen spielen allenfalls nur eine Nebenrolle. Das hängt mit Sicherheit auch mit dem Bild zusammen, dass Frauen aus der Szene zu vermitteln bemüht sind. Sie inszenieren sich als Heimchen am Herd, als unwissende Mitläuferin, als die „Freundin von Uwe Böhnhardt“, die „Freundin von Uwe Mundlos“, die „Freundin von…“. Dass Beate Zschäpe so lange unbehelligt agieren konnte, liegt womöglich auch daran, dass sie eine Frau ist. Zu diesem Ergebnis kommen Expertinnen der Amadeu Antonio Stiftung, die jetzt eine Studie mit dem Titel „Rechtsextreme Frauen - übersehen und unterschätzt“ vorgestellt haben.
Die Masche mit dem "Tränchen"
Ihr Image als "Freundin von..." nutzten Frauen aus der rechten Szene im NSU-Prozess bewusst aus, behauptet auch Nebenklage-Anwältin Antonia von der Behrens. Im Zeugenstand sagten sie durchweg, nicht gewusst zu haben, was ihr Freund tue. „Und dann noch ein Tränchen abdrücken“ - so einer Frau traue doch niemand zu, eine radikalisierte Rechte zu sein. Gleichzeitig zeigten die Frauen eine „Pampigkeit, die nicht mit ihrer naiven Haltung zusammenpasst“. Von der Behrens ist überzeugt: Hätten die Ermittler Neonazi-Frauen nicht unterschätzt, wären die NSU-Morde früher aufgedeckt worden.
Werden Frauen herausgerastert?
Die Verbrechen der NSU seien jahrelang unerkannt geblieben, weil Frauen bei der Suche nach Tatverdächtigen von den Sicherheitsbehörden stets „herausgerastert“ wurden, meint auch Rechtsextremismus-Expertin Esther Lehnert. Grund sei eine „Kombination von institutionalisiertem Rassismus und Sexismus“ gewesen. Dabei bezieht sich Lehnert unter anderem auf den Fall der Zeugin Mandy S., die 2007 im Zuge der Ermittlungen gegen die Mordserie an Migranten aus einer Tatverdächtigenliste mit militanten Rechtsextremisten aus dem Raum Nürnberg flog, weil sie als Frau nicht den Suchkriterien entsprach.
Frau und rechtsextrem - das passte lange nicht ins Bild
Dabei spielen Frauen nach einer Analyse der Amadeu Antonio Stiftung längst eine Schlüsselrolle in der rechtsextremen Szene. Sie agieren verdeckt in der Nachbarschaft, in Kitas und Schulen, tragen ihre Ideologie in die Mitte der Gesellschaft. Nach Einschätzung der Genderwissenschaftlerin Renate Bitzan stammt bei Wahlen mittlerweile jede dritte Stimme für die Rechten von einer Frau. Jedes fünfte Mitglied rechtsextremer Parteien ist weiblich - und mindestens zehn Prozent der rechten Gewalttaten werden von Frauen verübt. Trotzdem werden Neonazi-Frauen noch immer nicht als Aktivistinnen wahrgenommen. Einen solchen politischen Hintergrund können sich viele Ermittler offenbar einfach nicht vorstellen.
Protagonisten der rechen Szene in Bayern - alles Männer
mit Material von Theresa Münch (dpa) und Lukas Philippi (epd)