Rente für Niedrigverdiener Arm und unterm Radar
Millionen von Niedrigverdienern fallen bei der Rente durch das Raster. Die Rentenreform soll nun auch bei ihnen anpacken. Eine Analyse von BR Data zeigt, wie dringend notwendig das ist - und dass trotz allem eine Lücke bleibt.
Beim Thema Rente sprechen viele von einem Konflikt Jung gegen Alt. Ein Blick in die Daten zeigt: Es ist auch ein Konflikt Niedrigverdiener gegen Besserverdiener. Denn wer gut entlohnt wird und privat vorsorgt, braucht sich in der Regel nur wenige Gedanken um sein Alterseinkommen machen. Anders ist die Lage hingegen bei den Menschen mit niedrigem Verdienst. Jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland bekommt laut Statistischem Bundesamt nur etwa 11 Euro die Stunde. Private Vorsorge? Betriebsrente? In diesen Einkommensklassen sind das oftmals Fremdwörter.
Doch sich nur auf die gesetzliche Rente zu verlassen, ist fatal. Denn das Rentenniveau in Deutschland ist im internationalen Vergleich äußerst niedrig. Das heißt: Deutsche Rentner bekommen nur einen relativ niedrigen Teil ihres Verdiensts als Rente ausbezahlt. Zudem ist eine Sicherung für Niedrigverdiener im deutschen Rentensystem momentan nicht vorgesehen. In vielen europäischen Ländern sieht das anders aus: Hier ist entweder das Rentenniveau für alle Arbeitnehmer deutlich höher (Niederlande, Österreich), oder es werden speziell die Renten der Niedrigverdiener aufgewertet (Dänemark, Tschechien).
Kein Schutz für kleine Renten
Die Grafik zeigt den Anteil am Verdienst, den ein 20-Jähriger mit Arbeitsbeginn im Jahr 2014 als gesetzliche Rente netto zu erwarten hat (Netto-Ersatzquote).
Riestern in der Krise
Das Rentenniveau speziell für Bezieher niedriger Gehälter anzuheben, zum Beispiel in Form einer Mindestrente, wäre eine naheliegende Lösung. Die Bundesregierung hat aber andere Pläne: Betriebs- und Riester-Renten sollen attraktiver werden. Zentrale Punkte der geplanten Rentenreform sind deshalb Freibeträge für Bezieher von Grundsicherung im Alter. Diese stehen bislang vor dem Paradox, dass ihre private Vorsorge mit der Grundsicherung verrechnet wird – also im schlimmsten Fall völlig umsonst war. „In der heutigen Situation ist jemand nicht gut beraten, wenn er aus seinem wenigen Einkommen auch noch etwas für seine Altersvorsorge abzweigt. Er könnte es gleich verbrennen“, sagt der Würzburger Rentenexperte Dirk Kiesewetter, der am Gesetzentwurf mitgearbeitet hat. Zu dieser Gesetzeslücke kommt hinzu, dass der Ruf der Riester-Rente durch die niedrigen Zinsen und hohe Provisionen beschädigt wurde. Die Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge stagniert seit Jahren, zudem nehmen nicht einmal die Hälfte der Sparer die staatlichen Zulagen in voller Höhe in Anspruch.
Nur wenige Riester-Sparer bekommen die volle Zulage
Betriebsrente soll verpflichtend werden
Auch bei Betriebsrenten ist die Lage nicht viel besser. Laut einem Gutachten der Uni Würzburg haben zwar 60% der Arbeitnehmer eine solche abgeschlossen, seit 2009 werden es aber nicht mehr. Hinzu kommt: Niedrigverdiener sind gar nicht das typische Klientel der Betriebsrente. Bei Arbeitnehmern, die einen befristeten Arbeitsvertrag besitzen oder in einem Job ohne Tarifbindung arbeiten, sei die Verbreitung besonders niedrig, heißt es im neuen Alterssicherungsbericht der Bundesregierung, der dem Bayerischen Rundfunk vorliegt. Erfolgsversprechend könnte aber die nun geplante verpflichtende Betriebsrente sein, aus der man sich nur per Antrag befreien kann. Ein ähnliches System gibt es in den Niederlanden, dort verfügen stolze 90% aller Arbeitnehmer über eine betriebliche Altersvorsorge.
Und noch in einem anderen Punkt sind uns die Niederlande einen Schritt voraus: Dort gibt es eine Basisrente, die sich nach dem gesetzlichen Mindestlohn richtet. In Deutschland hingegen müsste man schon ein Leben lang für 11,68 Euro Stundenlohn arbeiten, um auf das Grundsicherungsniveau zu kommen. Das teilte die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage mit. Der aktuelle Mindestlohn beträgt jedoch nur 8,50 Euro. Menschen, die trotz lebenslanger Arbeit in der Grundsicherung landen, wird es also weiterhin geben. Das Bundesfinanzministerium geht übrigens davon aus, dass die Ausgaben für Rentner in der Grundsicherung jährlich sogar um acht Prozent steigen werden. Trotz Rentenreform.