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Neue Polizeitechnik Roboter mit der Lizenz zum Töten

Mit einem Sprengstoff-Roboter hat die Polizei in Dallas den mutmaßlichen Heckenschützen getötet. Es war wohl der erste derartige Einsatz bei der Polizei, aber sicher nicht der letzte, meinen Experten.

Von: Günter Mayr-Eisinger

Stand: 09.07.2016

Roboter bei der Polizei | Bild: picture-alliance/dpa

Stundenlang hatte sich der 25-jährige Micah J. in einem Parkhaus verschanzt. Er lieferte sich Schießereien mit der Polizei, die ihn gestellt hatte. Ein Ende des Einsatzes war nicht absehbar. Dann entschied der Polizeichef von Dallas, David Brown: Micah J. wird mit einer Bombe unschädlich gemacht. Ein Roboter brachte die tödliche Lieferung in die Nähe des Todesschützen.

Tödliche Premiere in Dallas

Der Waffenexperte Peter Singer schreibt, es sei das erste Mal, dass die Polizei einen Roboter mit der "Lizenz zum Töten" eingesetzt habe. Beim Militär sind ferngesteuerte Waffen - zum Beispiel Drohnen - seit Jahren im Einsatz. Rechtlich umstritten ist ihr Einsatz seit jeher. Bei der Polizei stellt sich die Frage noch viel stärker: Ihr Auftrag ist der Schutz der Bevölkerung. Braucht es dafür tödliche Roboter?

"Ich kann mich nicht erinnern, dass Polizisten so ein Gerät als Liefermechanismus tödlicher Gewalt eingesetzt hätten."

Juraprofessor Seth Stoughton von der Universität South Carolina.

Roboter als Hilfspolizisten - schon lange im Einsatz

Roboter oder selbständige Fahrzeuge wurden bisher denn auch nur für Hilfszwecke verwendet: Zur Aufklärung durch Kameras, zur Untersuchung gefährlicher Gegenstände, zum Versprühen von Tränengas oder auch zur Bergung von Verletzten. Doch dass ein Roboter gezielt den Tod des Verdächtigen bringen soll - das ist rechtliches Neuland.

Stoughton hält den Einsatz dennoch für erlaubt, denn: Die Grundsatzentscheidung liege weiterhin beim Menschen. Die zentrale Frage sei: Ist der Einsatz tödlicher Waffen nötig, um Bürger oder Polizisten zu schützen? Lautet die Antwort "Ja", so Stoughton, ist die Methode letztlich zweitrangig. Ob Kugeln, Messer, oder automatisch transportierter Sprengstoff.

Der Einsatz neuer Polizeitechnik werfe immer wieder neue Fragen auf, so Stoughton. Das sei auch schon bei Elektroschockern - sogenannten Taser-Waffen - so gewesen. Jetzt stelle sich die Frage erneut:

"Ich glaube, wir werden ähnliche Gespräche über Roboter haben, die den Tod bringen."

Seth Stoughton

Wie kam die Polizei in Dallas zu ihrem Roboter-Einsatz?

Unklar ist bisher, ob der in Dallas eingesetzte Roboter von vorneherein für tödliche Einsätze vorgesehen war. Informatikprofessor Matt Blaze von der University of Pennsylvania vermutet, dass das Gerät provisorisch umgerüstet worden sei. Dafür spricht auch eine Äußerung des Bürgermeisters von Dallas, Mike Rawlings: Er sagte, die Polizei habe auf "C4-Sprengstoff" zurückgegriffen - ein Material, das üblicherweise für die gezielte Sprengung größerer Bomben verwendet wird.

China baut seinen eigenen Robo-Cop

Die chinesische Universität für Nationale Verteidigung in Changsha arbeitet seit geraumer Zeit an einem eigenen Polizei-Roboter. Im April wurde "AnBot" - so der Name des Modells - auf der Chongqing Hi-Tech Fair vorgestellt. "AnBot" - knapp 1,50 Meter groß und 78 Kilogramm schwer - soll bei Maßnahmen gegen Terrorismus und Unruhen eingesetzt werden, so der offizielle Arbeitsauftrag. Waffenexperte Singer und sein Kollege Jeffrey Lin schreiben im Magazin "Popular Science", der Roboter werde mit einer ferngelenkten Waffe ausgerüstet - wahrscheinlich einem Taser. Er sei aber auch groß genug, um Tränengas-Kanister zu transportieren. Ein SOS-Knopf soll es Menschen ermöglichen, via "AnBot" Hilfe zu rufen.

Menschenrechtler verweisen auf fehlende menschliche Eigenschaften

In Florida arbeitet die International University an einem weiteren Hilfsroboter für Polizeipatrouillen. Das Modell soll "einschüchternd und respektgebietend" daherkommen - einerseits. Andererseits: Der Forschungsauftrag sieht ausdrücklich ein "freundliches" Aussehen vor - damit ihm Bürger jeden Alters vertrauen.

Die Organisation "Human Rights Watch" sieht ein grundsätzliches Problem bei Polizeirobotern: Sie könnten gar nicht auf "alle Szenarien eines Polizeieinsatzes" vorbereitet sein. Ähnlich sieht das die Rechtsfakultät der Universität Harvard. Was den Robotern fehlt, sind menschliche Eigenschaften wie Urteilsvermögen und Empathie. Damit aber steige das Risiko, dass es zu "gesetzwidrigen Tötungen in unvorhersehbaren Situationen" kommt.


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j.berger, Samstag, 09.Juli 2016, 20:30 Uhr

6. Roboter als Hilfspolizisten

Hier wird gesetzwidrigen Tötungen Tür und Tor geöffnet und der
Rechtsstaat bleibt außen vor. So geht das nicht. Erst muß die Schuldfrage geklärt sein und ein Urteil vorliegen.

Amatör, Samstag, 09.Juli 2016, 16:18 Uhr

5. Welche Bedrohungslage?

Der Täter hatte sich also ein stundenlanges Feuergefecht mit der Polizei geliefert, ohne dabei jemanden zu treffen. Damit scheint keine konkrete Bedrohung bestanden zu haben, außer dass ein "Ende des Einsatzes … nicht absehbar" war. Das alleine rechtfertigt aber nicht die Tötung eines Menschen.

Abgesehen davon hätte man zuerst eine Tränengas- oder Blendgranate einsetzen können. Vielleicht hätte der Täter dann aufgegeben.

  • Antwort von Wanda, Samstag, 09.Juli, 17:53 Uhr

    - in der Tat Amateur...

Relativierer, Samstag, 09.Juli 2016, 14:07 Uhr

4. Wo genau soll der Unterschied liegen?

Der Täter verschanzte sich in der Parkgarage, um aus dieser gedeckten Örtlichkeit weitere Angriffe zu verüben. Also dauert die Notwehrsituation an. Die Polizei und jeder andere bedrohte Bürger stehen damit in einer konkreten Bedrohungs- und Gefahrenlage. Warum sollte ein weiterer Mensch, also Polizist, in grösste Gefahr gebracht werden, um die Verteidigungshandlung auszuüben?
Üblicherweise erfolgen vor solchen drakonischen Massnahmen Lautsprecherdurchsagen, um die Aufgabe zu bewirken. Die Roboter sind mit Kameras ausgestattet und es bliebe immer noch die Möglichkeit zur Aufgabe.
Als letztes mögliches Verteidigungsmittel, um die ausgehende Gefahr endgültig zu beseitigen halte ich das für durchaus gerechtfertigt.

MarieS, Samstag, 09.Juli 2016, 12:57 Uhr

3. Wenn man mit seinem jungen Leben nichts besseres anzufangen weiss

als aus dem Hinterhalt tödliche Schüsse auf Menschen abzugeben, halte ich die Vorgehensweise der Polizei in diesem Fall für hinnehmbar. Auch nach einer nicht in einem absehbaren Zeitraum zu beendenden Schießerei mit der Polizei gab der Heckenschütze auf. In anderen Fällen mag ein solches polizeiliches Vorgehen nicht gerechtfertigt und die Bedenken von "Human Rights Watch" und der Rechtsfakultüt der Universität Harvard berechtigt sein.

HP, Samstag, 09.Juli 2016, 12:51 Uhr

2. Robotereinsatz

Gibt es tatsächlich Zweifel, ob denn nicht jedes aber auch wirklich jedes Mittel recht ist, einen agierenden Mehrfachmörder aus zu schalten ???