Werben um die Wallonen EU-Parlamentspräsident Schulz kämpft für CETA
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat Gespräche mit dem wallonischen Ministerpräsidenten Magnette geführt. Außerdem traf er die kanadische Handelsministerin. Sein Ziel: Das CETA-Abkommen mit Kanada soll noch zustande kommen. Indes kritisiert der CSU-Abgeordnete Markus Ferber im Bayerischen Rundfunk Schulz' Vorgehen.
Zwei Gespräche, ein Hoffnungsschimmer – das bleibt von den beiden Treffen am Samstagmorgen, zunächst mit der kanadischen Handelsministerin Freeland und kurz darauf mit dem wallonischen Ministerpräsidenten Magnette. Beide Gespräche seien konstruktiv gewesen, stellte Schulz später diplomatisch fest. Auf allen Seiten gebe es den festen Willen, einen Kompromiss zu finden.
"Wir hoffen, dass wir am kommenden Donnerstag die Unterschrift leisten und dann in den Ratifizierungsprozess eintreten können. Wir werden jedenfalls über das Wochenende hinweg genau daran arbeiten."
Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident
CSU-Abgeordneter Ferber kritisiert Schulz
Indes bezeichnete der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament, Markus Ferber (CSU), im BR-Interview die Sachlage als innenpolitisches Problem Belgiens. Er äußerte sich zudem optimistisch, dass das CETA-Abkommen noch unterzeichnet werden könne. Gleichzeitig kritisierte Ferber Schulz, der "kein Mandat hat, Verhandlungen zu führen". Deswegen seien seine Ausführungen "Wichtigtuerei".
Schulz: Bedenken der Wallonen ausräumen
Schulz möchte das Problem im Verbund mit der EU-Kommission und der belgischen Regierung erledigen. Gemeinsam gilt es nun letzte Bedenken der wallonischen Regierung auszuräumen. Die scheinen nach dem Gespräch am Samstagmorgen nicht mehr ganz so unlösbar wie zuvor. Paul Magnette, der Ministerpräsident der Region gab sich jedenfalls ungewohnt handzahm.
"Ich möchte meine Dankbarkeit gegenüber unseren kanadischen Partnern zum Ausdruck bringen, für die große Geduld, und ihr Verständnis dafür dass wir so viel Zeit brauchen um unsere innereuropäischen Probleme zu lösen."
Paul Magnette
Das klingt tatsächlich anders als in den Tagen zuvor als Magnette noch erklärt hatte, seine Region habe ein grundsätzliches Problem mit dem Vertrag, man fürchte den Einfluss internationaler Konzerne auf europäische Politik und Gesetze, insbesondere in den Bereichen Umwelt, Soziales und Landwirtschaft. Nun sind es offenbar nur noch Kleinigkeiten.
"Wir haben noch ein paar kleine Schwierigkeiten unter uns Europäern, deshalb müssen wir noch ein bisschen arbeiten und diskutieren."
Paul Magnette
Dass dafür das Wochenende ausreichen wird, davon scheint zumindest Parlamentspräsident Schulz überzeugt. Die wenigen noch verbleibenden Bedenken müssten nun von den Europäern ausgeräumt werden. Nach deren vollständiger Berücksichtigung sei es aber möglich CETA zu einem Erfolg für jeden Teilnehmer des Abkommens zu machen, so Schulz.
Kanada wird bei diesen Diskussionen nicht mehr mit am Tisch sitzen. Freeland hatte sich gleich nach dem Gespräch mit Schulz auf den Heimweg gemacht, nicht ohne dem Eu-Parlamentspräsidenten noch folgendes mit auf den Weg zu geben.
"Ja ich fliege jetzt nach Hause, aus Sicht Kanadas – ist unsere Arbeit hier erledigt. Verhandlungen am Vertragswerk sind beendet. Es ist ein sehr gutes Abkommen geworden. Kanada ist bereit es zu unterzeichnen, der Ball liegt nun also im Feld der Europäer."
Chrystia Freeland
Am Donnerstag plant Freeland nach Brüssel zurück zu kommen, dann um den Vertrag gemeinsam mit ihrem Premierminister Trudeau zu unterschreiben. Ob der Plan aufgeht, hängt weiterhin vom guten Willen der Wallonen ab.
Die Diskussion um CETA
Was bedeutet CETA?
Die ZDF-"heute show" hat es aufgedeckt: Von mehreren befragten Bundestagsabgeordneten wusste keiner, wofür die vier Buchstaben eigentlich stehen. Die Antwort: CETA heißt "Comprehensive Economic and Trade Agreement" - Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Danach müssen - anders als von der EU-Kommission zunächst geplant - auch die Nationalstaaten CETA ratifizieren. Teile des Abkommens könnten aber schon vorher in Kraft treten.
Was Befürworter versprechen
Das Prinzip ist das Gleiche wie bei TTIP: Durch die Abkommen würden Zölle wegfallen, Industrienormen und Produktionsstandards würden angeglichen. Befürworter argumentieren, Unternehmen könnten Geld sparen, ihre Produkte leichter vermarkten und sich um öffentliche Aufträge in Übersee bewerben.
Anders als TTIP ist CETA bereits ausverhandelt und im Netz dokumentiert. Kanadas seit 2015 amtierender Premierminister Justin Trudeau ist der EU in Streitpunkten wie Marktzugang und Schiedsgerichte entgegengekommen, was die USA bei TTIP bisher vehement ablehnen. Für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist es "das beste Abkommen, das die EU je geschlossen hat".
Was die Gegner befürchten
Kritiker sehen durch beide Abkommen demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt. "Viele Menschen spüren, dass es bei diesem Abkommen nicht nur um ein paar wirtschaftliche Effekte geht, sondern dass es tiefe Einschnitte in unser Leben bringt, und dass vor allem demokratische und rechtsstaatliche Einschnitte zu befürchten sind", so Roman Huber von der Initiative "Mehr Demokratie". Hauptstreitpunkte: Auch CETA sieht Schiedsgerichte vor, bei denen Konzerne gegen Staaten klagen können; diese sind allerdings anders organisiert als bei TTIP. Uneins sind sich Befürworter und Gegner auch in der Frage, inwieweit die öffentliche Daseinsvorsorge (etwa die Wasserversorgung) vor Kommerzialisierung geschützt ist - Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) argumentert hier anders als sein Parteifreund Sigmar Gabriel. Und: Wie TTIP wäre CETA durch Deutschland allein nicht mehr kündbar.
CETA und das BVerfG
Wer klagt und warum?
Um zu verhindern, dass Deutschland CETA mit auf den Weg bringt, haben die Gegner des Abkommens insgesamt vier Verfassungsbeschwerden eingereicht. Geklagt haben die Initiativen Mehr Demokratie, Foodwatch und Campact sowie ein Ehepaar aus Lüdenscheid. Außerdem gibt es eine Organklage der Linksfraktion im Bundestag gegen die Bundesregierung.
Alle fünf Klagen sind verbunden mit Eilanträgen. Am Mittwochvormittag wurde verhandelt, am Abend haben die Richter beraten, jetzt ist das Urteil gefallen. Der Grund für die Eile: Die EU plant, dass CETA nach der Unterzeichnung in Teilen bereits vorläufig in Kraft treten kann, noch ehe der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten zugestimmt haben. Die Kläger wollten erreichen, dass Karlsruhe Berlin untersagt, diesem Verfahren bei einem Treffen der EU-Handelsminister am 18. Oktober zuzustimmen.
Worüber entscheiden die Verfassungsrichter?
Erst einmal geht es nur um die Frage, ob die Bundesregierung der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA zustimmen darf. Die Kläger wollten erreichen, dass das Gericht den deutschen Vertreter auf ein Nein verpflichtet. Es wird noch nicht im Detail geprüft, ob die Verfassungsbeschwerden Aussicht auf Erfolg haben. Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat lediglich eine sogenannte Folgenabwägung vorgenommen.
Das Verfassungsgericht hätte einschreiten können, "wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist". Dabei wägen die Richter ab: Wie viel Schaden richtet es an, wenn bei CETA Fakten geschaffen werden und später ein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt wird? Und umgekehrt: Wie schwerwiegend sind die Folgen, wenn Deutschland den Prozess blockiert und sich die verfassungsrechtlichen Bedenken am Ende in Luft auflösen? Hier senkte sich die Waage zugunsten des EU-Prozederes.
Kommentieren
Barbara, Dienstag, 25.Oktober 2016, 11:05 Uhr
21. Brüssel -Schulz
Alles was nix taugt wurde nach Brüssel abgeschoben. Herr Schulz, bitte privatisiere Sie ab sofort und erlöse Sie uns von Ihrem unsympathischen Erscheinungsbild und von Ihren unsinnigen Redereien, die nicht die Stimmen des Volkes sind. Und dies nimmt man Ihnen
übel, ebenso die Worte von Herrn Gabriel.Bitte keine SPD wählen!
ABC, Sonntag, 23.Oktober 2016, 09:30 Uhr
20. CETA
Auffallend ist, mit welcher Eile CETA betrieben wird. Es soll schon vorläufig in Kraft treten, noch bevor alle Parlamente der EU zugestimmt haben. Hier zählt für die Politik, dass sie immer noch an TTIP hängt. Ja ich habe ganz vergessen, dass ja 2017 Wahlen anstehen.
Antwort von XYZ, Sonntag, 23.Oktober, 22:58 Uhr
Eile?
7 Jahre Verhandlungen?
Gut, für EU Verhältnisse mag das für Sie Lichtgeschwindigkeit sein.
Stef, Sonntag, 23.Oktober 2016, 08:57 Uhr
19. Euopatheater, Endlosschleife...
Schön dass Herr Schulz glaubt, für etwas so -für den normalen Bürger- geheimnisvolles und undurchschaubares kämpfen zu müssen. Vielleicht hätte man mit etwas weniger Geheimniskrämerei mehr erreicht. Am Ende wird es wohl wieder Setuergelder und Arbeitsplätze kosten, ganz zu schweigen von all den anderen negativen Auswirkungen von denen, oh Wunder, vorher wieder keiner etwas ahnen konnte. Hauptsache die Selbstbeweihräucherung Brüssels geht weiter. A pro pos... wollten die nicht immer ein "Europa der Regionen" ? Da habt ihr es! Danke, Wallonie! Bleibt standhaft.
Wischiwaschi, Sonntag, 23.Oktober 2016, 00:08 Uhr
18. Nun mal Butter bei de Fische - soll heißen was steht jetzt konkret drin?
Vorsorgeprinzip - es heisst das "viele" Produkte nach diesem Prinzip vereinbart wären. Welche?
Investitionsschutz - wer, kann wann und warum, wen, wie auf wieviel verklagen? Was steht im Text zusammengefasst drin?
Welche Zusagen bekommen ausländische Investoren (Schadensersatzrecht), die inländische Unternehmen nicht erhalten?
Schiedsgerichte - sollen ja Handelsgerichte werden. Wer stellt die Richter, wie werden diese von wem gewählt oder gar benannt? Gibt es Berufungsinstanzen?
Standardisierung - wer bestimmt welche Standards?
Bestandsschutz der europäischen Standards - wurde ständig zugesichert. Ist das noch gültig?
Was ist mit den Bereichen der Daseinsfürsorge? Sind die jetzt und wenn ja welche augeklammert oder müssen neue Wasserversorgungsprobleme wegen Privatisierung befürchtet werden?
Vertragsänderungsklausel zur "Fortentwicklung" des Vertrages lässt welchen Umfang an Änderungen zu? Auch um alle bisher abgelehnte Punkte doch noch nachträglich einzuführen?
Artus, Samstag, 22.Oktober 2016, 23:57 Uhr
17. Es geht um Europa
Wenn Die EU keine Handelsabkommen mehr abschließen kann, dann ist das bitter. Vor allem für uns Deutsche. Das Doppelspiel der Parteien muss endlich aufhören. Vor allem das der CSU. Zuhause ständig Stimmung gegen die EU machen, aber CETA und Co befürworten. Was wollen diese Populisten in München eigentlich noch? Ihre eigene Unfähigkeit auch noch den Brüsseler Verantwortlichen in die Schuhe schieben? Ich kann weder bei der CSU noch bei der SPD eine klare Linie erkennen. Außer bei ihren jeweiligen Vorsitzenden. Die schwankt immer. Von links nach rechts. Je nach Gemengelage.
Wenn ich mir diese beiden Politprofis anschaue ist mir, bei allen Vorbehalten, ein Frau Merkel als Bundeskanzlerin 100 mal lieber.
Antwort von Fragender Bürger, Sonntag, 23.Oktober, 08:28 Uhr
Merkel als Bundeskanzlerin 100 mal lieber ? Schon komisch, dass diese Frau noch immer nicht durchschaut wird. Was hat sie den tolles gemacht, dass sie so begeistert sind? Sagen sie jetzt aber nicht die geniale Energiewende, Bankenrettung, Verarmung der Alten.... Was bleibt? Was ist Merkel's Werk?
Antwort von Antwortender Bürger, Sonntag, 23.Oktober, 13:30 Uhr
Mir ist sie sogar 1000 mal lieber als diese Schreihälse, Lügner und Propagandaversprecher. Wenn Sie nicht wissen, was Merkel geleistet hat, waren Sie wohl in den vergangenen Jahren nicht anwesend?
Die Archive der Bundesregierung klären gerne auf. Aber meistens interessiert sich der kleine Wutbürger doch gar nicht ernsthaft dafür.