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Sitten und Bräuche Flüchtlinge zwischen Kultur und Gesetz

Rund eine Million Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland - und mit ihnen: Kulturen, Traditionen, Bräuche. Viele Deutsche sind verunsichert. Wie passen die Sitten zum deutschen Recht? Eine Gegenüberstellung.

Von: Ariane Stürmer und Julian von Löwis

Stand: 23.12.2015 | Archiv

Verschleierte Frau | Bild: picture-alliance/dpa

Ja, die Deutschen sollten fremden Kulturen eine gewisse Toleranz entgegenbringen - aber sie hat auch eine eindeutige Grenze, das Gesetz der Bundesrepublik nämlich.

Das hat der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung im Gespräch mit der BR-Nachrichtensendung Rundschau klar gemacht. Martin Neumeyer sagt, die Diskussionen müssten selbstverständlich geführt werden über Bräuche und Sitten, die vor allem Flüchtlinge muslimischen Glaubens mit nach Deutschland bringen, und die bei so manchem Bundesbürger für Unverständnis und Irritationen sorgten. Doch zugleich müsse man sie neutral führen und frei von Vorurteilen. Denn nur mit Akzeptanz auf beiden Seiten sei die Integration letztlich zu schaffen.

Islamisches Recht vs. deutsche Gesetze

Dennoch stehen sich Deutsche und Flüchtlinge oft unverständig gegenüber - zu verschieden sind die Kulturen, um binnen kürzester Zeit zu verschmelzen. Gefordert sind beide Seiten. Grundlage für einen Dialog, der auf nicht von Vorurteilen und Halbwissen geprägt ist, sind Fakten wie beispielsweise die jeweilige Rechtslage, auf der viele Bräuche basieren. Grundlage jener Traditionen von Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder auch afrikanischen Staaten ist oft der Koran oder darauf basierend die strengen Gesetze der Scharia. Der Vergleich mit deutschem Recht ist fraglos problematisch, stehen sich doch ein religiöses und ein staatliches Rechtssystem gegenüber. Doch Koran und Scharia sind zugleich auch ein gemeinsamer Kultur-Nenner, der viele der Flüchtlinge eint - anders als ihre Staatsangehörigkeit.

Brauchtum und Recht - eine Gegenüberstellung

Schächten

Nach islamischer Tradition dürfen Muslime kein Blut und kein Fleisch von bereits verendeten Tieren essen - also Aas. Der Brauch fußt auf dem Koran. Umstritten ist die daraus resultierende Schlachtpraxis, das Schächten. Dabei werden dem Tier ohne Betäubung mit einem Schnitt die Halsschlagader, die Luft- und Speiseröhre durchschnitten, so dass es ausblutet. Eine Betäubung wird teilweise von Muslimen mit der Begründung abgelehnt, dass das Tier die Betäubung nicht überleben könnte und damit strenggenommen bereits tot wäre, bevor es geschlachtet wird. Während der Koran einerseits den Kehlenschnitt, das Ausbluten und das Aas-Gebot klar benennt, gibt es keinen Passus zur Betäubung. Daher halten einige islamische Gelehrte das Schlachten eines betäubten Tieres heute unter bestimmten Bedingungen für zulässig.

In Deutschland ist das Schlachten von Rind, Schwein und Co. nur erlaubt, wenn das Tier zuvor betäubt wurde. Das regelt §4 des Tierschutzgesetzes. Allerdings heißt es in §4a auch, dass auf Antrag Ausnahmen möglich sind, wenn die Vorschriften einer Religionsgemeinschaft zwingend vorschreiben, dass diese nur Fleisch von geschächteten Tieren essen dürfen. Ohne Einschränkungen erlaubt ist nach deutschem Gesetz die Einfuhr von Fleisch geschächteter Tiere aus dem Ausland. Tierschutzorganisationen laufen seit Jahren Sturm gegen die Ausnahmeregelung. Fleisch von geschächteten Tieren gibt es in Deutschland nicht nur in privaten Haushalten, sondern auch bei einigen Dönerläden.

Begrüßung

Klassischerweise begrüßen sich Europäer mit Händeschütteln. Auch Moslems geben sich gegenseitig die Hand. Das Problem: Innerhalb der islamischen Kultur ist umstritten, ob Männer und Frauen sich die Hand zur Begrüßung reichen dürfen.

Während das deutsche Recht bekanntermaßen keine Regelung über eine korrekte Begrüßung vorsieht, verweisen einige gläubige Muslimen beispielsweise auf die Koransure 17, Vers 32 und interpretieren sie dahingehend, dass Männer Frauen nicht die Hand geben dürfen, weil dadurch eine sexuelle Versuchung entstehe. Auch der Prophet Mohammed soll Frauen nie die Hand gereicht haben. Dagegen argumentieren andere Muslime, die Sitte sei nicht mehr zeitgemäß - und schütteln selbstverständlich Frauen die Hände.

Beschneidung

Das deutsche Strafgesetzbuch enthält einen eigenen Passus zum Thema. In §226a StGB heißt es unter der Überschrift "Verstümmelung weiblicher Genitalien": "Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft."

Der Koran enthält keinerlei Hinweise auf eine Pflicht zur Beschneidung von Frauen. Allerdings soll der Prophet Mohammed sich mehrfach über die Beschneidung von Frauen geäußert haben. Auf sie berufen sich Befürworter der weiblichen Genitalverstümmelung. Sie ist innerhalb der muslimischen Gläubigen höchst umstritten, wird aber in einigen Staaten praktiziert.

Burka

Während das Kopftuch von vielen Deutschen geduldet wird, stößt die Vollverschleierung einer Frau weitgehend auf Unverständnis.

Der Koran regelt nicht eindeutig, ob und wie eine Frau ihre Haare oder ihr Gesicht in der Öffentlichkeit verdecken muss.

In Deutschland gibt es bislang keine Regelung zur Verschleierung. Sowohl CSU als auch AfD fordern aber ein grundsätzliches Verbot. Ob es Erfolg haben kann, ist aber fraglich. Einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zufolge wäre ein generelles Verschleierungsverbot verfassungswidrig.

Begräbnis

Der Koran schreibt eindeutig vor, dass Muslime sarglos bestattet werden müssen. In Bayern gilt bislang die Sargpflicht. In anderen Ländern gibt es inzwischen allerdings Regelungen, die muslimische Bestattungen in einem Leinentuch ermöglichen.

Martin Neumeyer macht klar: Es gibt keine Kompromisse, wenn es um Gewalt geht wie etwa gegen Frauen und Mädchen. Das müsse man den Menschen unmissverständlich deutlich machen. Vor allem die "Beschneidung von Mädchen, die vielleicht in manchen Ländern insbesondere in Afrika üblich ist, das geht in Deutschland nicht."

Diskussion ja, doch frei von Emotion, empfiehlt der Integrationsbeauftragte. Nur mit Akzeptanz auf beiden Seiten sei Integration zu schaffen.


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