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Chronik der Wende Vom Vorhang zum Versprecher

Das Ende der DDR begann spätestens im Sommer 1989, als Ungarn die Grenzen für Ausreisewillige öffnete. Der Druck in Ostdeutschland wurde immer größer - bis, nach einem folgenschweren Versprecher, die Mauer fiel. Eine Chronik.

Stand: 12.07.2012

  • 2. Mai 1989
    2. Mai 1989: Ungarische Grenztruppe beginnen damit, die Sperranlagen an der ungarisch-österreichischen Grenze zu entfernen | Bild: picture-alliance/dpa

    2. Mai 1989: Ungarn beginnt mit dem Abbau des "Eisernen Vorhangs".

    2. Mai 1989

    Vorhang auf in Ungarn

    Im März 1989 berichtet der ungarische Ministerpräsident Miklós Németh in Moskau, dass sein Land beabsichtige, die Grenzanlagen zu Österreich abzubauen. Am 2. Mai beginnen ungarische Grenztruppen mit der Umsetzung. Das ehemals kommunistische Ungarn setzt auf Systemwechsel und fährt einen Kurs der vorsichtigen Öffnung gegenüber dem Westen. Das Land wird zum Vorreiter bei der Entfernung des sogenannten "Eisernen Vorhangs", der die Grenzen zwischen den Ländern des "Ostblocks" und denen des Westens markiert.

  • 13. Juni 1989
    13. Juni 1989: Michail Gorbatschow (Mitte) und seine Frau Raissa (rechts) auf dem Bonner Marktplatz | Bild: picture-alliance/dpa

    Michail Gorbatschow (Mitte) und seine Frau Raissa (rechts) in Bonn

    13. Juni 1989

    Gorbatschows Signal

    In Osteuropa geschah Jahrzehnte wenig ohne die Zustimmung der UdSSR. So stand sie 1961 auch hinter dem Bau der Berliner Mauer. Doch etwa 25 Jahre später hat Michail Gorbatschow mit "Glasnost" und "Perestrojka" das Ende des Kalten Krieges eingeleitet - mit Auswirkungen auch auf Deutschland: Am 13. Juni 1989 sagt der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow während seines Staatsbesuches in Bonn: "Die Mauer kann wieder verschwinden, wenn die Voraussetzungen entfallen, die sie hervorgebracht haben."

  • 19. August 1989
    Paneuropäisches Picknick am 19. August 1989 | Bild: picture-alliance/dpa

    Gelegenheit zur Flucht: "Paneuropäisches Picknick" am 19. August 1989

    19. August 1989

    Flucht über Ungarn

    Am 19. August findet das "Paneuropäische Picknick" an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe Sopron statt, eine gemeinsame Friedensdemonstration des oppositionellen ungarischen Demokratischen Forums und der Paneuropa-Union mit dem Schirmherrn Otto von Habsburg. Als ein Grenztor geöffnet wird, nutzen das mehrere Hundert DDR-Bürger für die Flucht nach Österreich. Auch an vielen anderen ungarischen Orten fliehen in diesen Wochen zahlreiche DDR-Bürger nach Österreich oder Jugoslawien. Die ungarische Regierung verspricht, dass keine aufgegriffenen Flüchtlinge in die DDR zurückgeschickt werden.

  • 22. August 1989
    Ausreisewillige DDR-Bürger in der bundesdeutschen Botschaft in Prag im September 1989 | Bild: picture-alliance/dpa

    Ausreisewillige DDR-Bürger in der bundesdeutschen Botschaft in Prag

    22. August 1989

    Flucht in Botschaften

    Viele DDR-Bürger versuchen, über Botschaften der Bundesrepublik in den Westen zu gelangen. Auch solche, deren Fluchtversuche über Ungarn gescheitert sind, begeben sich - aus Furcht vor Gefängnisstrafen in der DDR - in diplomatische Vertretungen. Bald sind deren Gelände mit Hunderten von Ausreisewilligen überfüllt: Am 8. August schließt die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, am 14. die Botschaft in Budapest und am 22. die in Prag.

  • 10. September 1989
    26. Oktober 1989: Diskussionsveranstaltung mit den Gründern der DDR-Oppositionsgruppe "Neues Forum" | Bild: picture-alliance/dpa

    Diskussionsveranstaltung mit dem "Neuen Forum", oben rechts: Bärbel Bohley

    10. September 1989

    DDR-Bürgerbewegungen

    In der DDR beginnen sich regimekritische Bürger in Plattformen zu organisieren. So veröffentlicht am 10. September die Bewegung "Neues Forum" ihren Gründungsaufruf. Bekannte Unterzeichner sind unter anderem die Malerin Bärbel Bohley und der Molekularbiologe Jens Reich. Es folgen weitere oppositionelle Gruppierungen wie "Demokratie Jetzt" oder "Demokratischer Aufbruch".

  • 30. September 1989
    Ausreisewillige DDR-Bürger Anfang Oktober 1989 im Prager Bahnhof | Bild: picture-alliance/dpa

    Ausreisewillige DDR-Bürger im Prager Bahnhof

    30. September 1989

    Genschers Verkündigung

    Nach Verhandlungen mit der DDR verkündet Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag, dass Tausenden von DDR-Flüchtlingen in den deutschen diplomatischen Vertretungen in Prag und Warschau die Ausreise erlaubt wird. Vier Tage später fahren 14.000 Flüchtlinge aus den beiden Botschaften in verriegelten Sonderzügen über abgesperrte DDR-Strecken in die BRD. Am Dresdner Hauptbahnhof versuchen Ausreisewillige vergeblich, auf Waggons aufzuspringen. Danach kommt es in der Stadt zur schwersten Straßenschlacht in der DDR seit dem 17. Juni 1953.

  • 9. Oktober 1989
    Demonstration in Leipzig | Bild: picture-alliance/dpa

    Demonstration in Leipzig

    9. Oktober 1989

    "Wir sind das Volk"

    An den Leipziger Montagsdemonstrationen, den Massenkundgebungen seit dem 4. September 1989, nehmen immer mehr Menschen teil. Am 9. Oktober sind es etwa 70.000. Angeblich ist an diesem Tag zum ersten Mal der berühmte Slogan "Wir sind das Volk" zu hören, möglicherweise war das aber schon eine Woche zuvor. Die Massendemonstrationen weiten sich auch auf andere DDR-Städte aus.

  • 17. Oktober 1989
    Bild von Erich Honecker | Bild: picture-alliance/dpa

    17. Oktober 1989

    Honeckers Sturz

    Erich Honecker, seit 1971 Partei- und seit 1976 Staatschef der DDR, bezeichnet die Demonstranten als "Konterrevolutionäre". Der SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzende will entschlossen gegen sie vorgehen. Doch wichtige Mitglieder des Politbüros wie Egon Krenz tragen den harten Kurs nicht mit, im Gremium kippt die Stimmung gegen Honecker. Auch von Gorbatschow erhält er keine Unterstützung. Am 17. Oktober beschließt das Politbüro, den 77-jährigen Honecker von seinen Ämtern zu entbinden. Krenz, der seine Nachfolge antritt, spricht von "Wende".

  • 27. Oktober 1989
    Egon Krenz | Bild: picture-alliance/dpa

    Egon Krenz

    27. Oktober 1989

    Amnestie für Flüchtlinge

    Nachdem Woche für Woche auf Großdemonstrationen Freiheit für sogenannte "Republikflüchtlinge" gefordert wurde, erlässt der Staatsrat unter Krenz' Vorsitz am 27. Oktober eine Amnestie für alle illegal ausgereisten DDR-Bürger. Dieser Straferlass gilt auch für alle nach einem Fluchtversuch Inhaftierten und festgenommenen Demonstranten. Einen Tag zuvor hatte Krenz erstmals mit Helmut Kohl telefoniert. In dem Gespräch forderte der Bundeskanzler Reisefreiheit für DDR-Bürger und die Amnestie für verurteilte Flüchtlinge.

  • 31. Oktober 1989
    Berliner Mauer | Bild: picture-alliance/dpa

    31. Oktober 1989

    Mauer gegen Westkredite?

    Bei Sichtung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse stellt die neue DDR-Führung fest, dass der Staat kurz vor dem Bankrott steht. Um ihn abzuwenden, überlegt man, mit der Bundesrepublik über einen Milliardenkredit "über bisherige Kreditlinien hinaus zu verhandeln". Führende DDR-Ökonomen erstellen dazu ein Analysepapier, das vom Politbüro am 31. Oktober im Wesentlichen abgesegnet wird. Der Vorschlag der Wirtschaftsfunktionäre, die Berliner Mauer als Tauschmittel für neue Kredite einzusetzen, wird aber wieder gestrichen. Er zeigt jedoch die verzweifelte Lage der DDR.

  • 4. November 1989
    4. November 1989: Demonstration auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz | Bild: picture-alliance/dpa

    4. November, Alexanderplatz, Ost-Berlin: größte Demonstration der DDR-Geschichte

    4. November 1989

    Eine Million in Ost-Berlin

    Die erste legal angemeldete Kundgebung für eine Demokratisierung der DDR: Am 4. November demonstriert fast eine Million Menschen am Alexanderplatz in Ost-Berlin. Das sind fast so viele wie die Stadt Einwohner hat (knapp 1,3 Millionen). Neben Künstlern wie der Autorin Christa Wolf und Vertretern von Bürgerbewegungen wie Marianne Birthler treten als Redner auch SED-Vertreter auf, unter ihnen Politbüro-Mitglied Günter Schabowski und der ehemalige Geheimdienstchef Markus Wolf. Doch unter Pfiffen verlassen die Repräsentanten des Regimes die Bühne.

  • 7. November 1989
    8. November 1989: Die staatliche Nachrichtenagentur ADN der DDR meldet den Rücktritt des Politbüros. | Bild: picture-alliance/dpa

    8. November: Die staatliche DDR-Nachrichtenagentur ADN meldet den Rücktritt des Politbüros.

    7. November 1989

    Rücktritt der Polit-Prominenz

    Am 7. November tritt das Politbüro zusammen. Auf der Tagesordnung stehen zwei großen Themen: eine neue Ausreiseregelung und die Neubesetzung der DDR-Führungsgremien. Am 7. und 8. November treten der gesamte DDR-Ministerrat samt dessen Vorsitzenden Willi Stoph sowie alle Mitglieder des SED-Politbüros zurück. Die Massenproteste haben erneut Wirkung gezeigt.

  • 9. November 1989
    Politbüro-Mitglied Günter Schabowski am 9. November 1989 | Bild: picture-alliance/dpa

    Politbüro-Mitglied Günter Schabowski während der legendären Pressekonferenz am 9. November

    9. November 1989

    Schabowskis Versprecher

    "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort ... unverzüglich", stammelt Schabowski am 9. November um 19.00 Uhr auf einer Pressekonferenz zur neuen Reiseregelung in der DDR. Das sichtlich überraschte Politbüro-Mitglied beantwortet damit die Frage eines Journalisten, wann sie in Kraft treten soll. Diese beiläufige Aussage, die über Medien rasch verbreitet ist, löst im Verlauf des Abends einen Massenansturm auf die Grenzübergänge der DDR ein. Obwohl diese versucht, den Aufbruch nach Westen zu bremsen, erzwingen Ausreisewillige noch in der Nacht die Öffnung aller Berliner Grenzübergänge.

  • 10. November 1989
    10. November 1989: In Berlin wird die Maueröffnung gefeiert | Bild: picture-alliance/dpa

    Mauerfall-Feier am Brandenburger Tor

    10. November 1989

    Jubel ohne Grenze

    Nach der Grenzöffnung in Berlin feiern Tausende Menschen an und auf der Mauer. Die innerdeutsche Grenze, die das Land seit 1961 teilte, hat praktisch aufgehört zu existieren. Aber nicht nur in der Stadt der Mauer fallen die Grenzen. Ob in Helmstedt oder in Hof, überall fahren Hunderttausende DDR-Bürger spontan zu einem kurzen Besuch nach West-Berlin bzw. in die Bundesrepublik.


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