Franken Die Mauer stand nicht nur in Berlin
"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", sagte DDR-Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht 1961. Zwei Monate später begann die DDR sich einzuigeln. Doch die Mauer stand nicht nur in Berlin, sondern auch in Franken.
Am Morgen des 13. August 1961 legte der zweite deutsche Staat den Grundstein für das hässlichste Bauwerk, das deutsche Bauarbeiter je errichtet hatten. Die Mauer erstreckte sich mit Todesstreifen, Minenfeldern, Selbstschussanlagen und dressierten Hunden entlang der gesamten, rund 1.390 Kilometer langen innerdeutschen Grenze. Genau 124,4 Kilometer trennten Thüringen vom Franken.
Spektakuläre Flucht mit Kühen und Pferden
Auch hier war der 13. August 1961 ein einschneidendes Datum. Schließlich waren auch immer wieder Flüchtlinge von Thüringen nach Unterfranken gekommen. Die spektakulärste Flucht gelang 1960 vier Familien mit elf Erwachsenen und drei Kindern, die an einem Samstagnachmittag aus ihrem Heimatdorf mit drei Ackerwagen, zwei Hackpflügen, einer Egge, drei Pferden und zwei Kühen über die Grenze flüchteten und sich anschließend in Sondheim/Grabfeld meldeten.
"Little Berlin" in Oberfranken
Wie sonst nur noch Berlin wurde auch das kleine Dorf Mödlareuth am äußersten Zipfel Oberfrankens zum Symbol der deutschen Teilung. Jahrzehntelang durchschnitt der Eiserne Vorhang die 50-Seelen-Gemeinde und trennte Familien, Verwandte und Kinder. Hier endete an einer 700 Meter langen und 3,30 Meter hohen Betonmauer im kleinen Tannbachtal unweit von Hof die westliche Hemisphäre.
Gelungener Fluchtversuch
Nur einmal versuchte ein Mann, über die Grenze in Mödlareuth zu fliehen. Mit Erfolg: Am 25. Mai 1973 kletterte ein Kraftfahrer aus dem thüringischen Landkreis Schleiz mithilfe einer selbst gebauten Eisenleiter über die Betonmauer. Der 34-jährige Mitarbeiter der VEB Wäscheunion in Göttengrün musste regelmäßig Schichtarbeiter durch die Sperrzone fahren. Eines Nachts nutzte er die Gelegenheit, fuhr mit seinem Auto an eine von Grenzposten schwer einsehbare Stelle vor die Mauer und kletterte aufs Autodach. Über die Eisenleiter stieg er auf die Mauerkrone und rettete sich mit einem Sprung in den Tannbach ans westliche Ufer. Als Konsequenz aus dieser Flucht wurde die Straße auf DDR-Seite gesperrt und außerhalb des Sperrgebiets gebaut.
Ein Hörbild zum 50. Jahrestag des Mauerbaus
Angesichts des unablässigen Flüchtlingsstroms hatten sich die DDR-Behörden damals nicht anders zu helfen gewusst, als eine Mauer zu bauen und sich damit hermetisch abzuriegeln. Autor Dieter W. Rockenmaier zeichnete 1981 - zum 20. Jahrestag des Mauerbaus - ein Hörbild. Dieses Tondokument, das Zeit für Bayern zum 50. Jahrestag des Mauerbaus nochmals wiederholt, betrachtet Geschichte und Wirklichkeit der Sperranlagen zwischen Thüringen und Franken. Fast jeder der 124 Grenzkilometer hat sein eigenes Schicksal.