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Hildegard Hamm-Brücher Die mutige Liberale

Sie machte Genschers Wechsel von Schmidt zu Kohl nicht mit und trat wegen Möllemann nach 54 Jahren aus der FDP aus: Hildegard Hamm-Brücher scheute nie Paukenschlag-Entscheidungen. Ein Politikerleben gegen den Strich in Bildern.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 14.12.2011

  • 1921
    Internat Salem | Bild: picture-alliance/dpa

    Zwei Jahre besucht Hildegard Brücher das Internat Salem am Bodensee.

    1921

    Geboren in Essen

    Hildegard Brücher kommt am 11. Mai 1921 in Essen zur Welt. Sie wächst in Berlin auf und verliert schon mit zehn Jahren beide Eltern. Danach lebt sie mit vier Geschwistern bei der Großmutter in Dresden, wo sie zunächst die Schule besucht. 1937 wechselt sie ins Internat Salem am Bodensee. Zwei Jahre später macht sie ihr Abitur in Konstanz.

  • 1943
    Hans und Sophie Scholl | Bild: picture-alliance/dpa

    Hans und Sophie Scholl

    1943

    Im NS-Widerstand

    Nach dem Abitur geht Hildegard Brücher nach München, um dort Chemie zu studieren. An der Universität gehört sie bald dem erweiterten Kreis der "Weißen Rose" an, der NS-Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl. Sie arbeitet im selben Labor wie der 1943 von den Nazis gemeinsam mit Hans und Sophie Scholl hingerichtete Student Hans Leipelt. 1945 promoviert Hildegard Brücher beim Nobelpreisträger Heinrich Wieland in Organischer Chemie.

  • 1946
    Bundespräsident Theodor Heuss | Bild: picture-alliance/dpa

    Theodor Heuss

    1946

    Polit-Motivator Heuss

    Hildegard Brücher bleibt nach dem Krieg in München und arbeitet dort von 1945 bis 1948 als Wissenschaftsjournalistin für die "Neue Zeitung". Bei einem Interview 1946 mit Theodor Heuss soll der spätere FDP-Mitgründer und Bundespräsident zu ihr in seinem typischen schwäbischen Dialekt gesagt haben: "Mädle, Sie müsset in die Politik."

  • 1948
    Münchner FDP-Stadträtin Hildegard Brücher mit München-Modell im Jahr 1949 | Bild: SZ Photo / Fosch

    1949: Hildegard Brücher als Münchner Stadträtin

    1948

    FDP-Beitritt

    Gesagt, getan: 1948, im Gründungsjahr der Partei, tritt Hildegard Brücher in die FDP ein. Bis 1954 vertritt sie ihre Partei als Rathaus-Jüngste im Münchner Stadtrat. Von 1950 bis 1966 ist sie zudem Abgeordnete der Liberalen im Bayerischen Landtag.

  • 1951
    Sigi Sommer und Hildegard Hamm-Brücher im Badeoutfit | Bild: SZ Photo / Fischer, Berthold

    1951: Im Bade-Outfit mit dem Münchner Schriftsteller Sigi Sommer

    1951

    Schwimmen und Skifahren

    Hildegard Brücher ist leidenschaftliche Sportlerin - vor allem Skifahren und Schwimmen haben es ihr angetan. In den 1930er-Jahren war sie sogar einmal süddeutsche Kraulmeisterin.

  • 1954
    Hildegard Hamm-Brücher mit Ehemann Erwin Hamm und Tochter Verena (1970) | Bild: picture-alliance/dpa

    Hildegard Hamm-Brücher mit Ehemann Erwin Hamm und Tochter Verena (1970)

    1954

    Ehe mit CSU-Politiker

    1954 heiratet Hildegard Brücher den Münchner CSU-Politiker und Stadtrat Erwin Hamm. Ein Jahr später wird Sohn Florian geboren, 1959 Tochter Verena. Ehemann Hamm, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1974 Betriebs- und Krankenhausreferent in München, stirbt 2008 im Alter von 98 Jahren.

  • 1964
    Der ehemalige bayerische Kultusminister Professor Theodor Maunz | Bild: picture-alliance/dpa

    Theodor Maunz

    1964

    Kampf den Altnazis

    Als Landtagsabgeordnete geht Hildegard Hamm-Brücher gegen den bayerischen Kultusminister Theodor Maunz (CSU) vor. Sie entlarvt seine nationalsozialistische Vergangenheit als Staatsrechtler. Und auch nach 1945 verbreitete bzw. unterstützte er braunes Denken: als anonymer Autor für die rechtsradikale National-Zeitung und juristischer Berater des rechtsextremen Verlegers Gerhard Frey.

  • 1966
    Hildegard Hamm-Brücher (Mitte) wirbt 1966 für Volksbegehren zur Schaffung einer christlichen Gemeinschaftsschule | Bild: picture-alliance/dpa

    Hildegard Hamm-Brücher (Mitte) wirbt für das Volksbegehren.

    1966

    Kampf den Reaktionären

    Bildungspolitik war von Anfang an einer ihrer Schwerpunkte. Besonders empört sie das "Apartheidsystem der bayerischen Konfessionsschulen", wie sie das Separieren von katholischen und evangelischen Kindern nennt. Deshalb kämpft sie als Landtagsabgeordnete für die Gemeinschaftsschule und initiiert dazu 1966 das erste Volksbegehren der bayerischen Nachkriegsgeschichte. In einem zweiten Anlauf führt es 1969 zum Erfolg. Außerdem macht sie sich für eine umfassende Bildungsreform stark.

  • 1971
    Hildegard Hamm-Brücher und Golda Meir (1971) | Bild: picture-alliance/dpa

    1971: Als Staatsseketärin trifft Hamm-Brücher die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir.

    1971

    Auf der großen Bühne

    Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bayerischen Landtag 1966 wird Hildegard Hamm-Brücher zunächst Staatssekretärin im Hessischen Kultusministerium. Von 1969 bis 1972 arbeitet sie in Bonn als Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium. Danach kehrt sie nach Bayern zurück und wird Fraktionsvorsitzende der FDP in München. Ab demselben Jahr gehört sie dem FDP-Bundesvorstand an. Über die bayerische Landesliste ihrer Partei kommt sie 1976 in den Bundestag. Als Staatsministerin im Auswärtigen Amt ist sie Teil der sozialliberalen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD).

  • 1982
    Hildegard Hamm-Brücher mit Bundeskanzler Helmut Schmidt | Bild: picture-alliance/dpa

    Hildegard Hamm-Brücher mit Bundeskanzler Helmut Schmidt

    1982

    Keine Abkehr von Schmidt

    1982 zerbricht die sozialliberale Regierung. Die FDP unter Parteichef und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher wechselt in eine Koalition mit Helmut Kohls CDU. Doch Hamm-Brücher will diesen Schritt nicht mitvollziehen. "Ich kann dem Bundeskanzler nicht mein Misstrauen aussprechen, wo ich noch vor zwei Wochen vertrauensvoll mit ihm zusammengearbeitet habe", so ihre Begründung. Sie scheidet aus der Regierung aus. Zwei Jahre später schlägt sie vor, die FDP solle die Koalitionsregierung verlassen. Grund: Hamm-Brücher sieht das liberale Selbstverständnis ihrer Partei gefährdet.

  • 1984
    Hildegard Hamm-Brücher im Bundestag (1984) | Bild: picture-alliance/dpa

    Hildegard Hamm-Brücher im Bundestag

    1984

    Pro Parlamentsreform

    Mit Sorge sieht Hildegard Hamm-Brücher einen Demokratie-Abbau durch wachsende Macht der Parteiapparate und Verlagerung von Entscheidungen in Kommissionen. Daher startet sie 1984 die "Initiative Parlamentsreform" - mit dem Ziel, Bundestag und Bundesrat wieder zum Zentrum der Politik zu machen. 1990 schreibt sie in diesem Zusammenhang das Buch "Der freie Volksvertreter - eine Legende?"

  • 1989
    Hildegard Hamm-Brücher (1992) | Bild: picture-alliance/dpa

    1989

    Abschied von der Politik

    1989 kündigt die 68-Jährige an, sich aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Ab 1990 gibt sie alle parteipolitischen Ämter auf.

  • 1994
    Drei Kandidaten um die Nachfolge Richard von Weizsäckers im Amt des Bundespräsidenten. Der CDU-Kandidat Roman Herzog, die FDP-Frau Hildegard Hamm-Brücher und der Bürgerpräsident Jens Reich (v.l.n.r.) | Bild: picture-alliance/dpa

    Roman Herzog, Hildegard Hamm-Brücher, Jens Reich (v.l.n.r.)

    1994

    Kandidatin fürs höchste Amt

    1994 betritt Hildegard Hamm-Brücher aber doch noch einmal die politische Bühne: Sie wird FDP-Kandidatin für die Bundespräsidenten-Wahl. Ihre Konkurrenten sind Roman Herzog für die CDU, Johannes Rau (SPD) und der parteilose Jens Reich. Hamm-Brücher erreicht bei der Abstimmung einen Achtungserfolg und zwingt Roman Herzog in einen dritten Wahlgang. Doch sie sei anschließend aus "Koalitionsräson" und "Machtkalkül" von ihrer Partei zum Aufgeben gezwungen worden, wie sie öffentlich kritisiert.

  • 2002
    Jürgen Möllemann (2002) | Bild: picture-alliance/dpa

    Jürgen Möllemann

    2002

    Austritt aus der FDP

    Wieder ein Paukenschlag durch Hildegard Hamm-Brücher: Sie tritt aus der FDP aus. Begründung: die "andauernde rechtspopulistische, antiisraelische und tendenziell Antisemitismus schürende Agitation" ihres Parteikollegen Jürgen Möllemann und die Führungsschwäche von FDP-Chef Guido Westerwelle, der zu Möllemanns Fehltritten "zu lange geschwiegen" habe. Bereits vier Jahre zuvor war sie aus der bayerischen FDP ausgetreten, nachdem sich die Münchner Liberalen in Richtung Koalition mit der CSU bewegt hatten.

  • 2010
    Hildegard Hamm-Brücher tröstet Joachim Gauck nach der verlorenen Präsidentenwahl | Bild: SZ Photo / Regina Schmeken

    Hildegard Hamm-Brücher und Joachim Gauck

    2010

    Weiter gegen den Strom

    Bei der Wahl des Bundespräsidenten 2010 sitzt das ehemalige FDP-Mitglied Hildegard Hamm-Brücher für die Grünen in der Bundesversammlung. Sie macht sich für Joachim Gauck stark und nicht für den schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff, der jedoch gewinnt. Nach der Wahl sagt sie: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher mit unserer Parteiendemokratie" und beklagt, dass der Bundespräsident nicht per direkter Volksabstimmung gewählt wird - wie in den Nachbarstaaten.

  • 2011
    Hildegard Hamm-Brücher (2011) | Bild: picture-alliance/dpa

    2011

    90 - und nicht im Ruhestand

    Im Mai 2011 feiert Hildegard Hamm-Brücher ihren 90. Geburtstag in München, wo sie seit Jahrzehnten wohnt. 1995 war sie Ehrenbürgerin der Stadt geworden - als erste Frau. Auch im hohen Alter ist sie noch immer politisch aktiv, unter anderem als Vorsitzende der von ihr initiierten Theodor-Heuss-Stiftung und als Autorin: Allein zwischen 2001 und 2011 veröffentlichte sie fünf Bücher.


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