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Zeitstrahl Die italienische Mafia: Ehrenmänner, Macht und kaltblütige Morde

Die Wurzeln der Mafia reichen bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf Sizilien zurück. In der Historie galt der Geheimbund als Gegenmacht zur staatlichen Willkürherrschaft. Später mauserte er sich zu einem florierenden Wirtschaftsunternehmen. Das ist die Mafia heute mehr denn je.

Stand: 04.10.2011

  • 1816
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Die Mafia hat ihre Ursprünge auf Sizilien.

    1816

    Traditionelle Subkultur auf Sizilien

    Die Mafia hat ihre Ursprünge auf Sizilien. Die Insel steht jahrhundertelang unter Fremdherrschaft, 1816 bildet sich das Königreich beider Sizilien (Sizilien und Neapel); der Feudalismus prägt das Land. Die eigentlichen Herren sind die landbesitzenden Barone, die es allmählich in die großen Städte zieht. Ihre Ländereien bestellen Großpächter, so genannte Gabellotti. Zum Schutz und zur Wahrung ihrer Interessen setzen die Gutsherren bewaffnete Wächter, Campieri oder Bravi genannt, ein. Schon früh nutzen diese Wächter aber auch willkürlich ihre Macht, um beispielsweise Bauern zu erpressen.

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  • 1861
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Italien wird ein Nationalstaat.

    1861

    Italienische Einigung

    Die entscheidende Entwicklung der Mafia erfolgt nach der italienischen Nationalstaatsgründung 1861 (Risorgimento). Der neuen Regierung gelingt es nicht, das abgelegene Sizilien unter ihrer Kontrolle zu haben. Gabellotti und Bravi gewinnen immer mehr Einfluss, teilweise schließen sie sich zusammen. Später perfektioniert die Mafia diese Tendenz, Verbindungen aufzubauen. Die Bevölkerung hält zu diesen Machthabern. Es bildet sich quasi ein Staat im Staat, in dem das Volk die Mafia anerkennt. Bis heute ist diese antisoziale Parallelgesellschaft das Gefährliche an der Mafia.

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  • 1870
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Die Bauern sind der Willkür der Gabellotti ausgesetzt.

    1870

    Die Macht der Gabellotti und der Pizzu

    Die Gabellotti auf Sizilien üben im Laufe der Zeit einen immer stärkeren Druck auf die Barone aus. Sie zahlen eine geringere Pacht an die eigentlichen Eigentümer der Ländereien. Mehr und mehr übernehmen sie Polizeiaufgaben und Gerichtsbarkeit - meist auch mit Gewalt. Im Zuge ihrer willkürlichen Herrschaft zwingen sie die Bauern, ihnen einen Teil der Ernte als Gebühr abzugeben. Wer Schutz will, muss zahlen. Diese feudalen Rechte, die sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten haben, sind die Urformen des mafiösen Pizzu, des heute sogenannten Schutzgeldes.

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  • 1890
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    In der Großstadt Neapel etabliert sich die Camorra.

    1890

    Cosa Nostra, Camorra und 'Ndrangheta entstehen

    Seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er-Jahre entwickeln sich organisierte Banden. Die sizilianische Mafia nennt sich Cosa Nostra. Die Banden weiten sich über Sizilien hinaus aus; in der Gegend um Neapel bildet sich die Camorra, in Kalabrien die 'Ndrangheta und in Apulien die Sacra Corona Unita. Mit der Mafia etablieren sich deren Werte und Strukturen, deren Normen, Macht- und Gewaltvorstellungen bei den Bürgern. Zur selben Zeit formiert sich die US-amerikanische Mafia, wegen der meist sizilianischen Herkunft ihrer Mitglieder auch Cosa Nostra genannt.

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  • 1929
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    1929 werden in Chicago Mafiosi erschossen - möglicher Drahtzieher: der Gangsterboss Al Capone.

    1929

    Kriminalisierung der Mafia in den USA

    Verschiedene Auswanderungswellen bringen zahlreiche Italiener und Mafiosi nach Amerika. Für die italienischen Einwanderer - als ethnische Minderheit suchen sie sich - steht anstatt des traditionellen Ehrbegriffs vor allem der Prestige- und Profitgewinn durch Geld und Vermögen im Fokus ihres Handelns. So kommt es zu illegalem Glücksspiel, Prostitution, während der Prohibition von 1920 bis 1933 zu Alkoholschmuggel, zu Herstellung und Import illegaler Drogen.

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  • 1938
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Benito Mussolini (li.) und Adolf Hitler auf dem Bahnhof von Florenz

    1938

    Zurückdrängen der Mafia während des Fschismus

    Lediglich während des Faschismus kann die Mafia eine kurze Zeitspanne erfolgreich zurückgedrängt werden. Benito Mussolini sagt den Mafia-Bossen den Kampf an. Er erkennt die Gefahr ihrer Macht für ihn. So wird der totalitäre Staat aktiv und bekämpft die Mafia mit ihren eigenen Mitteln. Er überwacht, bietet Schutz und regelt das soziale und wirtschaftliche Leben, wobei willkürliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Auf Sizilien macht sich der Polizeipräfekt Cesare Mori als Mafiabekämpfer mit sehr weitreichenden Befugnissen einen Namen.

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  • 1945
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Leben auf Sizilien - fotografiert von Letizia Battaglia.

    1945

    Rückkehr der Mafia nach dem Zweiten Weltkrieg

    Das schnelle Wiedererstarken der Mafia nach dem Zweiten Weltkrieg spiegelt ihren Einfluss und ihre tatsächliche Bedeutung in der Gesellschaft wider. Die Alliierten tun ihr übriges: Bei der Besetzung und neuen Verwaltung Siziliens sichern sie sich beispielsweise die Zusammenarbeit mit den alten Mafia-Bossen. Sie sorgen erneut für Ordnung, gewinnen zunehmend an Macht und Einfluss.

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  • 1955
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Das Unternehmen Mafia floriert - Impressionen aus dem Palermo der 1950er-Jahre.

    1955

    Die moderne Mafia

    Die einst traditionelle Mafia wird in den 50er- und 60er-Jahren von der modernen, unternehmerischen Mafia abgelöst. Aus kaltblütigen Mördern werden Geschäftsmänner. Palermo, das im Krieg komplett zerstört wurde, muss neu errichtet werden. Autobahnen werden gebaut. Die Wirtschaft boomt. Die Mafia entdeckt ihre Möglichkeiten im Baugewerbe, bei EU-Subventionen und bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge. Sie ist am Profit interessiert, mehr und mehr an Drogengeschäften, Prostitution, am Waffenhandel. Dabei sichert sie sich die Zusammenarbeit mit einflussreichen Personen und Politikern.

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  • 1970
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Ex-Premierminister Giulio Andreotti vor Gericht - er wird wegen Verjährung freigesprochen.

    1970

    "Sacco di Palermo" und der Einfluss in die Politik

    Nach dem Zweiten Weltkrieg dulden die Alliierten aus Angst vor dem Kommunismus eine Allianz zwischen der Partei Democrazia Cristiana (DC) und der Cosa Nostra. Später werden dem DC-Politiker Giulio Andreotti Verbindungen zur Mafia per Gericht nachgewiesen. Herausragend für das Zusammenwirken von Politik und Mafia ist aber der "Sacco di Palermo" - die Plünderung Palermos. Vito Ciancimino und Salvatore Lima - er wird 1992 erschossen - machen als Bürgermeister von Palermo bis in die 70er-Jahre mafiose Geschäfte. Dabei werden in Palermo ganze Stadtteile niedergerissen und neu aufgebaut.

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  • 1980
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Mafia-Hochburg Corleone und Luciano Liggio, Boss der Corleonesi

    1980

    Die großen Mafiakriege

    Zu spektakulärer Berühmtheit gelangt das sizilianische Örtchen Corleone. Nach dem ersten großen Mafiakrieg in den 60er-Jahren holt der neue Boss des Clans der Corleonesi, Luciano Liggio, Anfang der 80er-Jahre zu einem erneuten Schlag aus. Er will die absolute Macht über Palermo und beginnt einen Vernichtungskrieg gegen andere Mafia-Familien. Die großen Mafiakriege zählen zahlreiche Tote. Die Leichen werden für immer beseitigt, oft in Säure aufgelöst. Weitere Opfer: Pio La Torre, der Gesetze zur Bekämpfung der Mafia auf den Weg brachte und der General und Mafia-Gegner Alberto Dalla Chiesa.

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  • 1984
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Tommaso Buscetta gilt als einer der wichtigsten Kronzeugen im Kampf gegen die Mafia.

    1984

    Der erste Pentito

    Nach den spektakulären Mafiakriegen kommt es 1984 zu einer entscheidenden Wende im Kampf gegen die Clans. Tommaso Buscetta ist der erste Pentito, der erste reuige Kronzeuge, der bereit ist, Informationen über Handeln und Struktur der Mafia preiszugeben. Zuvor hatte der italienische Staat die Möglichkeit der Straffreiheit und einer neuen Identität für gesprächige Mafiamitglieder geschaffen. Buscetta stirbt im Jahr 2000 an Krebs in New York.

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  • 1986
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Strenge Sicherheitskontrollen bei den Maxi-Prozessen im Ucciardone-Gefängnis in Palermo

    1986

    Die Maxi-Prozesse

    In den sogenannten Maxi-Prozessen gelingt den beiden Untersuchungsrichtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino ein großer Schlag gegen die Mafia. Von Februar 1986 bis Dezember 1987 werden mehr als 400 Personen angeklagt. Der Vorwurf lautet unter anderem: Zugehörigkeit zur Mafia, Mord, Drogenhandel, Schutzgelderpressung. Einer der bekanntesten Angeklagten: der Boss der Corleonesi, Luciano Liggio. Die Mafia-Größen Salvatore Riina und Bernardo Provenzano sind zu dieser Zeit auf der Flucht. Es ist das erste Mal, dass die Urteile nicht in den nachfolgenden Instanzen wieder aufgehoben werden.

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  • 1992
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Die Richter Giovanni Falcone (li.) und Paolo Borsellino wurden Opfer der Mafia.

    1992

    Ermordete Richter Falcone und Borsellino

    Die Reaktion der Mafia auf die Maxi-Prozesse ist gnadenlos. Im Mai 1992 wird der Untersuchungsrichter Giovanni Falcone mit seiner Frau und Leibwächtern in die Luft gesprengt. Nur wenige Wochen später, am 19. Juli 1992, sterben Paolo Borsellino und seine Mutter durch eine Autobombe.

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  • 2002
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Pentito Antonio Giuffre (li.) beschuldigt Marcello Dell'Utri und Silvio Berlusconi (re.).

    2002

    Antonio Giuffre, Marcello Dell'Utri und Silvio Berlusconi

    Im April 2002 wird Antonio Giuffre, neben Provenzano die damalige Nummer zwei der Cosa Nostra, verhaftet. Bei seinen Vernehmungen beschuldigt er einzelne Politiker der Partei Forza Italia, unter ihnen Silvio Berlusconi und dessen rechte Hand Marcello Dell'Utri. Es geht unter anderem um Wahlhilfe der Mafia für Kandidaten des Berlusconi-Bündnisses. Dell'Utri wird 2010 wegen Mafiazugehörigkeit in zweiter Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Bei Berlusconi kommt es immer wieder zu Anklagen, die aber mit Freispruch, Verjährung oder mit Verurteilung und anschließender Amnestie enden.

    Quelle: picture-alliance/ dpa

  • 2006
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Bernardo Provenzano bei seiner Verhaftung

    April 2006

    Mafia-Boss Provenzano nach 40 Jahren Flucht gefasst

    Nach den blutigen Ereignissen der 80er- und 90er-Jahre setzt der neue Cosa Nostra-Boss Provenzano auf eine veränderte Strategie: Großes Aufsehen durch öffentliche Anschläge und Morde gilt es zu verhindern. Stattdessen soll die Mafia komplett untertauchen und nur noch im Hintergrund agieren. Für großes Medieninteresse sorgt die Verhaftung Provenzanos im April 2006 in Corleone. Der inzwischen 73-Jährige war 43 Jahre lang auf der Flucht. Als sein Nachfolger gilt der bis heute flüchtige Matteo Messina Denaro.

    Quelle: picture-alliance/ dpa

  • 2006
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Roberto Saviano stellt sein Buch "Gomorrha" vor.

    Mai 2006

    Ein junger Autor schreibt gegen die Mafia

    Roberto Saviano macht mit der Veröffentlichung seines Buchs "Gomorrha" Schlagzeilen, nicht nur in Italien. Aufgrund seines Engagements gegen Mafia und organisierte Wirtschaftskriminalität erhält der 1979 in Neapel geborene Schriftsteller vermehrt Morddrohungen. Daraufhin steht Saviano unter Personenschutz und lebt seitdem versteckt an wechselnden Orten.

    Quelle: picture-alliance/ dpa

  • 2007
    Mafia Zeistrahl | Bild: picture-alliance/dpa

    Vor dem Duisburger Restaurant "Da Bruno" werden sechs Menschen erschossen.

    2007

    Die Mafia ist längst in Deutschland

    Im August 2007 rückt die Mafia auch in Deutschland in den Fokus. In Duisburg werden vor dem Restaurant "Da Bruno" sechs Menschen auf offener Straße erschossen. Wie sich während der Ermittlungen herausstellt, handelt es sich um einen Racheakt für einen Mord im kalabresischen Dorf San Luca. In Duisburg eskaliert die Auseinandersetzung zwischen den rivalisierenden 'Ndrangheta-Clans Pelle-Romeo und Nirta-Strangio aus Kalabrien. Dabei handelt es sich nicht, wie zunächst vermutet, um einen Betriebsunfall innerhalb der Mafia, sondern wohl auch um Revierkämpfe und letztlich kalkulierten Mord.

    Quelle: picture-alliance/ dpa


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