Edmund Stoiber Bayern, Brüssel, bloß nicht Berlin
Er war bayerischer Ministerpräsident, CSU-Chef, selbst ernannter Bundeskanzler und potenzieller Superminister in Berlin: Edmund Stoibers Karriere ist geprägt von Höhenflügen und unerreichten Zielen. Aktuelle Wirkungsstätte: Brüssel.
Privat ist die Person Edmund Stoiber schwer zu fassen: In Wolfratshausen lebt er. Mit Frau Karin, früher auch mit den inzwischen erwachsenen Kindern Constanze, Dominic und Veronica. Die kommen nun mit Stoibers vier Enkelkindern zu Besuch. Aber viel mehr dringt selten an die Öffentlichkeit.
Die meiste Zeit gehört ohnehin der Politik, noch immer. Sie bleibt seine Leidenschaft. Nebenher liest Stoiber hin und wieder Hemingway und besucht die Bayreuther Festspiele oder Partien seines Fußballclubs, des FC Bayern München. Aber wirklich privat ist der Mann, durch und durch Parteimensch, auch dann nicht. Wirklich abzuschalten und den beruflichen Alltag auszublenden, fällt ihm schwer.
Vor allem ist Stoiber nicht gern passiv. Er möchte selbst tätig sein, handeln statt zu deligieren. Und er will das Beste für Bayern und den Bund. Das ist er selbst, daran hegt er keinen Zweifel. Sein Selbstvertrauen gleicht dem seines großen Vorbilds und Förderers: Franz Josef Strauß.
Vom Arbeitstier zum Alphatier
Seit Stoiber Strauß 1980 den Wahlkampf für den Posten des Bundeskanzlers machte, sind sein Fleiß und Ehrgeiz legendär. Das Aktenwälzen und ein ausgeprägter Machtinstinkt machen das oberbayerische Arbeitstier zum Alphatier, Schritt für Schritt: 1974 zieht Stoiber in den Landtag ein, 1978 wird er CSU-Generalsekretär. 1982 leitet er dann schon die Staatskanzlei, 1988 folgt der ersehnte Posten des Innenministers.
Höhepunkt mit Hightech
Zeitstrahl
Im Jahr 1993 schließlich ist er am Ziel. Stoiber wird bayerischer Ministerpräsident. Als solcher erklimmt er 2003 den Gipfel seiner politischen Macht: Mit ihm an der Spitze schafft die CSU die Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Der Chef fährt daraufhin einen rigorosen Sparkurs, reformiert Bildung und Verwaltung und verkündet Hightech-Offensiven wie den Transrapid. Es gilt der Grundsatz "Laptop und Lederhose" im Freistaat, die Vereinigung von Fortschritt und Heimatverbundenheit.
Und es scheint weiter aufwärts zu gehen, diesmal in der Bundespolitik. Bei einem legendären Frühstück in Wolfratshausen trägt ihm Angela Merkel (CDU) 2002 die Kandidatur zum Bundeskanzler an. Stoiber nimmt an - und scheitert auf großer Bühne. Am Ende sollen der Union 0,01 Prozent der Stimmen fehlen, um vor der SPD zu landen und den neuen Kanzler zu stellen. Stoiber bleibt in Bayern.
Zweiter Anlauf, zweites Scheitern
Auch drei Jahre später platzen die Träume des Wolfratshausers: Bei Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin verzichtet Stoiber nach zähen Verhandlungen überraschend auf die Rolle des Superministers neben der Regierungschefin. In seiner Partei verliert er daraufhin an Autorität und Rückhalt. Stoiber will es nicht wahrhaben und kündigt auf der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth 2007 an, über das Jahr 2008 hinaus als Ministerpräsident kandidieren zu wollen. Das Klammern führt Person wie Partei in ein Umfragetief, offener Widerstand erhebt sich in den eigenen Reihen. Bald darauf wagen Günther Beckstein und Erwin Huber den Machtwechsel. Ministerpräsident Stoiber tritt ab.
Ohne Image-Schaden aus den Krisen
Doch egal, wie groß die Kritik oder die Krisen: Stoiber gelingt es, ohne wirklichen Image-Schaden durch das politische Gerangel zu kommen. Etwa bei der BayernLB: Als Ministerpräsident setzt er sich 2007 persönlich für den Kauf der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) ein, ebenso für den amerikanischer Schrott-Papiere. Zehn Millarden Euro Finanzhilfe werden nötig, um die Landesbank zu retten. Kritiker nennen den "Sparfuchs" plötzlich den "größten Geldverschwender aller Zeiten". Doch der beharrt darauf, nie direkt beteiligt gewesen zu sein.
Ähnliches 1999 bei der Affäre um die Wohnungsbaugesellschaft LWS, einer Tochter des Landesbank, die mit Immobilien Hunderte Millionen D-Mark verloren hatte. Justizminister Alfred Sauter geht mit viel Groll gegen den Ministerpräsidenten, Stoiber bleibt. 2002 folgt die Pleite von Leo Kirch. Die BayernLB hatte Geld geliehen. Verluste: zwei Millarden Euro. Treibende Kraft: Edmund Stoiber. Doch all diese Skandale lassen den Politiker am Ende unbeschädigt.
Seit 2007 arbeitet Stoiber nun in Brüssel und entbürokratisiert dort die Europäische Union. Vielen schien der als "Aktenfresser" bekannte Ex-CSU-Chef prädestiniert, um sich durch das komplexe Gestrüpp an Verordnungen und Richtlinien zu wühlen. Und das ehrenamtlich. Geld braucht er nicht. Nur die Politik.