8

Tag der offenen Moschee Spannungen zwischen den Religionen abbauen

Spannungen zwischen den Religionen abbauen, das ist ein zentrales Ziel des Tag der offenen Moschee. Rund tausend muslimische Gotteshäuser öffneten gestern in ganz Deutschland ihre Türen für Besucher.

Von: Johannes Reichart

Stand: 04.10.2016

Innenraum der Lauinger Hicret-Moschee | Bild: Stadt Lauingen

Organisiert wird das Ganze von den vier großen islamischen Dachverbänden. Doch momentan ist die Skepsis vor dem Islam in der Bevölkerung groß, die Anschläge in Dresden haben auch viele Muslime zusätzlich verunsichert. Das gegenseitige Kennenlernen an der Basis verläuft schleppend. Johannes Reichart berichtet von den Annäherungsversuchen bei einer Moscheeführung in Deggendorf.

Die 30 Besucher der Führung ziehen vor dem Gebetsraum ihre Schuhe aus und setzen sich drinnen im Halbkreis auf den samt-weichen roten Teppich. Fast alle sind das erste Mal da, die Ditib-Moschee in Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf ist nagelneu.

Wandmalereien und Kronleuchter

Moschee in Deggendorf

Zwei 17-jährige begrüßen die Gäste, und erklären die einzelnen Elemente des Gebetsraums: Inschriften der Propheten, Gebetsnische, Lehrstuhl und der Balkon, auf dem die Frauen separat beten. Der Gebetsraum besticht durch Wandmalereien und elegante Kronleuchter, die vorige Moschee wurde vom Hochwasser erfasst, ein neues Gebetshaus wurde gebaut und gleich gab es Ärger: das Minarett wurde 1,50 Meter höher als erlaubt, die Gemeinde musste den Turm wieder kürzen lassen. Nun haben die Deggendorfer Muslime ihre neue Stätte, die optisch bei den Besuchern an diesem Tag gut abschneidet.

350 Moscheen gibt es im Freistaat

Beim Tag der offenen Moschee soll sich jeder einmal umsehen können in den 350 Moscheen im Freistaat. Fast die Hälfte davon gehört zur islamisch-türkischen Ditib-Union, die in den letzten Monaten in die Kritik geraten ist. Die Ditib stehe Erdogan und seiner national-konservativen Regierungspartei AKP zu nahe, beklagen deutsche Politiker. Der Imam von Deggendorf und Plattling, Ismail Ertas, versteht die Aufregung nicht:

"Die Ditib hat mit der Türkei in dem Sinne nichts zu tun, wir müssen uns an die Gesetze von Deutschland halten, es heißt immer der verlängerte Arm von Erdogan aber das hat mit uns garnichts zu tun. Die Ditib ist ein eigenständiger Verein in Deutschland, wir sind nicht abhängig und die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden läuft erfolgreich."

Ismail Ertas

Sorge hingegen bereitet dem Imam und anderen muslimischen Vertretern die zunehmend aufgeheizte Stimmung gegen Muslime in Deutschland. Die Anschläge auf eine Ditib-Moschee in Dresden - für den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sind sie nicht der erste Ausdruck von Islamophobie, aber eine neue Stufe an Feindlichkeit:

"Wir haben ein mulmiges Gefühl. Die Stimmung wird durch Dresden verstärkt. Aber wir wollen uns nicht zurückziehen, sondern jetzt erst recht."

Aiman Mazyek

Und auch der Penzberger Imam Benjamin Idriz lehnt ein Einigeln der Muslime ab. Auch ihn hat der Anschlag auf die Moschee in Dresden beunruhigt:

"Ich wohne auch in der Moschee und denke an die Sicherheit meiner Familie und Kinder. Gleichzeitig aber wollen wir uns auch zeigen gegenüber die Mehrheitsgesellschaft. Das muss zu Sicherheit führen und nicht zu Angst. Angst darf nicht unser Leben bestimmen."

Benjamin Idriz

Zum Ende der Führung ruft in Deggendorf noch der Imam zum Gebet. Auch hier ist die Annäherung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, trotz des Tags der offenen Moschee kein Selbstläufer. Die strikte Separierung zwischen Männern und Frauen beim Gebet und oder bei den Jugendgruppen, sie missfällt dem ein oder anderen Besucher nach der Führung:

"Aus unsrer Sicht ist das ein bisschen rückständig, der starke Unterschied zwischen Mann und Frau." Und: "Ich geh jetzt mit keinem guten Eindruck weg." "Es ist ein bisschen ernster als das Christentum." "Es passt nicht mehr in die Zeit.

Lehrreicher Besuch

Trotz der Kritik fanden die Teilnehmer den Besuch in der Moschee lehrreich, und auch die Gemeindemitglieder in Deggendorf sind zufrieden: über 800 Gäste haben sie in ihrer neuen Moschee gezählt. Bayernweit sollen es zwischen etwa 10.000 Besucher gewesen sein, ähnlich wie in den Vorjahren - keine schlechte Bilanz trotz der aktuellen spannungsgeladenen Stimmung.


8