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Testosterondoping auf Rezept Das Geschäft mit dem alternden Mann

Die Medizinindustrie hat den alternden Mann als Geschäftsmodell entdeckt. Wenn Vitalität und Gedächtnis nachlassen, soll das Geschlechtshormon Testosteron helfen. Die Verschreibungen boomen. Risiken werden in Kauf genommen.

Von: Jeanne Turczynski und Johannes von Creytz

Stand: 21.07.2016

Mann bei der Einnahme von Tabletten mit zahlreichen Medikamentenschachtel auf dem Tisch | Bild: colourbox.com

Das Sexualhormon Testosteron verbindet man mit Männlichkeit: Muskeln, Potenz, aggressives Verhalten, Stärke, Vitalität, Kraft. Wenn altersbedingt das eine oder andere nachlässt und vielleicht noch Müdigkeit am Morgen, Vergesslichkeit und depressive Anwandlungen dazu kommen, dann kann es passieren, dass die Werbung oder ein geschäftstüchtiger Arzt suggerieren, es liege am Testosteron.

"Wir erleben eine Lifestyle-Medikation, ohne jede Frage, das muss man konstatieren. Wenn man einen solchen Zuwachs von Testosteron-Verordnungen sieht, dann weiß man, dass hier etwas Systemisches erfolgt."

Martin Reincke, Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie

Das Sexualhormon gilt als Anti-Aging Mittel für ältere Männer. Die Verschreibung von Testosteron-Präparaten sind in den vergangenen zehn Jahren gewaltig gestiegen, ohne dass die klassischen Erkrankungen mit Testosteronmangel zugenommen haben. Recherchen von BR Data, den Datenjournalisten des Bayerischen Rundfunks, belegen: Gut 500.000 Packungseinheiten haben Apotheken in Deutschland 2015 ausgegeben. Etwa die Hälfte davon bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen.

Besuch in der Anti-Aging-Praxis: "Das ist Beutelschneiderei!"

Wir machen den Test und schicken einen Anfang 50-jährigen Mann in eine Anti-Aging-Praxis. Er gibt an, Gedächtnisprobleme zu haben und unter Stimmungstiefs und Vitalitätsverlust zu leiden. Im Beratungsgespräch erklärt ihm der Arzt, er verwende selbst ein Testosterongel und versichert, die Anwendung von Hormonen allgemein sei viel harmloser als in der Presse behauptet.
Für die Anamnese und den umfangreichen Bluttest im Praxiseigenen Labor muss unser Testpatient 789,86 Euro bezahlen. Beim zweiten Termin attestiert der Arzt dem Patienten "bumperlgsund, aber hormonell in einem desolaten Zustand" zu sein. Er stellt ein Testosteron-Rezept aus. Diagnose: Andropause.
"Das ist Beutelschneiderei!", kommentiert ein von uns hinzugezogener Experte die Rechnung für die Untersuchung, ein zweiter Endokrinologe spricht von "Humbug" und "Pfiffkas-Parametern", die da untersucht worden seien.

Die Erfindung einer neuen Krankheit

Dass der Testosteronspiegel mit zunehmenden Alter sinkt, gilt als normal. Aber die Medizinindustrie hat daraus ein neues Krankheitsbild konstruiert. Die "Andropause". Kritiker sagen, durch geschickte PR sei es in den letzten Jahren gelungen, dieses vermeintliche Krankheitsbild in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der Fachbegriff dafür heißt: "Disease mongering" - Krankheitserfindung.

"Es gibt keine Andropause."

Günter Stalla, Professor für Endokrinologie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie München

"Die Andropause als solches gibt es nicht."

Martin Reincke, Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

Auch durch Begriffe wie "Wechseljahre des Mannes" oder "Klimakterium virile" wird suggeriert, dass Männer ein Gesundheitsproblem haben, das behandelt werden muss. Und zwar mit Hormonen wie Testosteron.

Wenn Männer altern: Tesosteronspiegel sinkt, Vitalität lässt nach

Der Verschreibungsboom beim Testosteron birgt Risiken. Es gibt Hinweise darauf, dass sich die längere Einnahme des Hormons negativ auf Herz, Kreislauf, Leber und Fruchtbarkeit auswirkt. Experten sprechen angesichts der steigenden Verschreibungszahlen bereits davon, dass es sich hier um einen unkontrollierten Menschenversuch handelt, den es zu stoppen gilt.


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