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Vorwahlen in den USA Der Borderline-Wahlkampf

Unterstellungen und Halbwahrheiten gehören zum US-Wahlkampf wie Stars and Stripes. Donald Trump treibt diesen Trend auf die Spitze. Statt über Inhalte diskutiert Amerika über die Nationalität der Kandidaten und die Frage, ob Paris in Deutschland liegt. Das ist nicht wirklich witzig.

Von: Michael Kubitza

Stand: 15.01.2016 | Archiv

Präsidentschaftskandidat Donald Trump | Bild: picture-alliance/dpa

Auch diesmal muss die Politik warten. Die sechste TV-Debatte der US-Republikaner beginnt mit einer Auseinandersetzung darüber, ob Ted Cruz, Sohn eines Kubaners und einer Amerikanerin, der in Kanada geboren wurde, überhaupt ein richtiger US-Bürger sei. Donald Trump sagte, da sei ein "Fragezeichen auf Cruz´ Stirn". Cruz kontert mit einem Verweis auf Trumps schottische Mutter und mutmaßt über den Grund für Trumps Provokation: Der Milliardär mache das doch nur, weil er, Cruz, ihm in Umfragen auf den Pelz rücke.

Das ist offensichtlich richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Trump will mit persönlichen Verleumdungen - in den USA spricht man vornehm von "negative Campaigning" - die Konkurenz aus dem Feld pöbeln; und er punktet mit ausländerfeindlichen Tönen, wie sie auch europäischen Rechtsaußen-Bewegungen von Frankreich bis Ungarn nicht fremd sind.

Trump schätzt Waterboarding als Verhörmethode, möchte Muslimen die Einreise in die USA verweigern, hetzt gegen Mexikaner, die er mit einer "großen, großen Mauer" von Amerika fernhalten will.

Die Zwischenbilanz dieser Strategie: Die Vorwahldebatten verwandeln sich (nicht nur in Grenzfragen) zur Borderline-Veranstaltung. Mit seinen-Parolen erreicht Donald Trump bisher mehr Aufmerksamkeit als seine Gegner und Konkurrenten zusammen und führt zur Überraschung aller das Feld der republikanischen Bewerber seit Monaten an. Dafür wächst auch die Zahl seiner Gegner im Minutentakt. Und auch sie greifen zu ungewohnten Mitteln.

Viel' Feind, viel Ärger

Nicht nur die von Trump persönlich Beleidigten (Moderatoren, ein behinderter Journalist, die "blöden" Bewohner Iowas, John McCain, Heidi Klum) schlagen zurück. Wenig überraschend sind Gegenstimmen aus dem eher linksliberalen Hollywood und der Musikszene, aus der sich jüngst Neil Young und REM-Sänger Michael Stipe zu Wort gemeldet haben. Auch "unübliche Unverdächtige" melden sich zu Wort. Die Hip-Hop-Szene, die den Milliardär lange als Vorbild und skurile Bling-Bling-Ikone verehrt hat, geht auf Distanz. Basketballer Dirk Nowitzki persifliert Trump (wie etliche andere) in einem Youtube-Clip, Anonymous kündigt Hackattacken an, ein Hobbypilot malt Anti-Trump-Botschaften in die Luft.

Die Sache mit Paris

Eine der beliebtesten Strategien: Den Vielredner Trump einfach reden - gern auch: twittern - zu lassen. Jüngstes Eigentor ist ein Tweet, in dem er einen Anschlag in Paris begründungslos auf "deutsches Chaos" zurückführt. Die Netz-Reaktion erfolgte prompt: Trump macht Paris zur deutschen Stadt. Das hatte doch schon mal einer versucht ...

Trump als neuer Hitler mit schlechterer Frisur: Das Bild war in der Welt. Und erinnerte daran, dass Trumps Ex-Frau in einem Zeitungsinterview erzählt hatte, ihr Ex-Mann würde gelegentlich Reden von Hitler studieren. Dazu tauchten im Netz Ratespiele auf: Hitler-Zitate, die Trump zugeschrieben wurden - oder umgekehrt. Ein Späßchen?

Mark Potok ist Extremismusforscher. Seine Organisation veröffentlicht regelmäßig eine Übersicht, welche Neonazi-Gruppen in den USA stark sind. Seine Analyse: Schon seit Barack Obama der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten wurde, hat die amerikanische Neonazi-Szene Zulauf gewonnen. Donald Trump beschleunigt diese Entwicklung und die Annäherung rechtskonservativer an rechtsextreme Kreise.

"Ich würde nicht sagen, dass Trump Hitler für eine tolle Person hält. Aber er hat eine Statistik verbreitet, dass 80 Prozent der Weißen von Schwarzen getötet werden - und diese Zahl wurde von Hitler-Anhängern in die Welt gesetzt."

Mark Potok

Trump - ein verkappter Linker?

Aufhorchen lässt ein weiteres Argument, das der "wahre Konservative" Ted Cruz gegen Trump ins Feld führt. Trump stehe trotz seiner Sprüche doch in Wahrheit für New Yorker Werte - sozialliberale Einstellungen, Befürwortung von Abtreibung und Homoehe, Konzentration auf Geld und Medien.

Cruz' als Beleidigung gemeinte Aussage hat einen wahren Kern. Bis zu seiner Kandidatur war Trump mehrfach durch heute undenkbare Wortmeldungen aufgefallen - für Obamas Krankenversicherung, für das Recht auf Abtreibung, gegen den Irakkrieg. Für solche Positionen scheint heute aber kein Raum - sie vertritt überzeugender (und weit weniger öffentlichkeitswirksam) Bernie Sanders, Hillary Clintons abgeschlagener Mitbewerber auf Seiten der demokratischen Partei.

Der Wandel des Immobilienmilliardärs Trump vom vielleicht mal Linken zum strammen Rechten ist irritierend. Noch irritierender ist, dass der erfolgreichste Mitbewerber jenes Kandidaten, den seine Gegner als Hitler diffamieren, sein Heil darin sucht, ihn rechts zu überholen.


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Kommentieren

Zweifler, Samstag, 16.Januar 2016, 00:29 Uhr

4. Die sind wahnsinnig!

Ich zweifle an der Bildung, Intelligenz und Verantwortungsbewusstein des US Amerikaners. Jedem seinen Präsidenten, den er verdient.
Dumm ist nur, dass der Rest der Welt schon wieder "gebusht" wird.

Stupid, really stupid.

Honk, Freitag, 15.Januar 2016, 16:37 Uhr

3. Das ist Amerika

dort kann sogar ein Verkäufer oder ein Clown Präsident werden, den nicht´s anderes ist für mich dieser Donald Trump => The American Way OF LIFE !!

BR-Fan, Freitag, 15.Januar 2016, 16:30 Uhr

2. Laute Töne und Show im US-Wahlkampf...

Der einzige Kandidat, der mehr oder weniger unabhängig, auch finanziell, seinen Wahlkampf bestreitet ist der Milliardär Donald Trump.
Die anderen Gegenkandidaten einschließlich Hillary C. haben sich mit den ihnen zugedachten Millionen Dollar an Wahlkampfspenden den Interessen der Industrie, angefangen von Pharma bis Rüstungslobby, praktisch mehr oder weniger ausgeliefert. Und erpressbar gemacht.
Bernie Sanders scheint da eine wohltuende Ausnahme zu sein.
Trump liegt trotz einiger größerer Fettnäpfchen, in die er getreten ist, und mancher durch ihn ausgelösten Provokationen, und auch bewusst inszenierter Medienkampagnen immer noch relativ gut im Rennen, und rangiert im Rennen um den Bewerb, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner antreten zu dürfen, immer noch weit vorne.
Die relative Beliebtheit bei den Amis rührt auch daher, dass sie die leeren Versprechungen der angepassten Parteigänger bei den Demokraten und Republikanern überdrüssig sind.

F.K., Freitag, 15.Januar 2016, 16:00 Uhr

1. Da fällt einem nichts mehr ein

Wenn der gewählt wird, sollten wir schleunigst aus der NATO austreten und die nuklear Waffen, die noch in Deutschland gelagert sind verschrotten